Erfahrungen mit dem ersten Rattanbogen

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Uranus79
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Erfahrungen mit dem ersten Rattanbogen

Beitrag von Uranus79 » 23.04.2017, 15:13

Hallo Ihr Bogenbauer (schließt ohne Gender-Wahn die Damen mit ein!). Als kleine Gegengabe möchte ich meine gemachten Erfahrungen hier kurz aufschreiben, vielleicht nützen sie auch anderen.

Material:
Als ersten Bogen (außer dem aus einem Kurs) wollte ich einen Rattanbogen bauen, weil das Material günstig zu bekommen und einfach zu verarbeiten ist -> das stimmt. Zum Üben ist es zu empfehlen. Einen zweiten baue ich aber aus u.g. Fakten nicht mehr.

Länge:
Die Bogenlänge sollte 160cm nicht überschreiten, kürzer ist besser, da Rattan starke Krümmungen (kurzzeitig!) aushält und bei zu langen Bögen schlechter wird -> tendenziell bestätigt.

Bauform / Anleitung:
Bei der Bauform hatte ich die Auswahl zwischen einer Anleitung vom Youksakka-Chef Peter Benhorst, die sich laut Werbung auch in der "Do it yourself" wiederfindet, gibt es als Bilderanleitung oder als Youtube-Video (habe es deswegen und nur da gesehen). Zweite Anleitung kam von Rolf Gerschwinat ("Broken Arrow") welcher aus Rattan auch stärkere Bögen baut. -> Erkenntnis: die Youksakka-Anleitung bzw. Bogenform mit Schußfenster aus Rattan ist im Endeffekt untauglich. Durch das Fenster unterbricht man die Fasern, so daß sich der Wurfarm seitlich vom Fenster wegbiegt. Rolfs Anleitung könnte tatsächlich zu stärkeren Bögen führen (habe ich nicht be- oder widerlegen können), dafür gefällt mir die Wurm-artige Form nicht. Im Prinzip wird die runde Stange da am Ende nur dünner. Ich baute einen Flachbogen, was so ähnlich von Youksakka beschrieben wird mit glattem Bauch/Rücken und Wasserwaage usw.
Das Abzeichnen von geraden Linien auf der runden Stange ist total schwierig und nervig und bringt bei Rattan am Ende auch nichts. Auch das mit der Wasserwaage ist nur unnötige Quälerei. Ich könnte hier alle meine Maße und Arbeitsschritte gerne aufführen, aber das Endergebnis ist, es bringt nichts. Im Prinzip würde ich beim nächsten Rattanbogen nur den Griff schmäler dafür dicker machen und die Wurfarme eher breit und flach. Schießauflage per Holzkeilchen im Ledergriff, aber auch dann wären die Fasern bei Rattan unterbrochen, wahrscheinlich wäre der dann genauso biegeanfällig und lasch.
-> Fazit : Anleitung von Rolf Gerschwinat probieren, Youksakka-Anleitung taugt nichts.

Formgebung:
Funktionierte bestens mit Schweifhobel, rund um Griff Raspel und sonst grobes Schleifpapier (60-80). Ziehmesser obwohl geschärft ging so mäßig, fehlte mir aber wohl auch ordentliche Befestigung des Bogens.

Tillern:
Schweifhobel stellt nur Fasern auf, funktioniert am besten nur mit grobem Schleifpapier. Fasern ställen sich ständig nach Schleifen auf, die aber nicht zupfen, sondern am Ende behandeln. Empfehlung: nicht zu lange auf Tillerbaum belassen, auch wenn Rattan das bei Biegung scheinbar aushält (Begriff den Snake-Jo benutzte : "Bananenbogen").

Recurves:
Dämpfen und in Form biegen funktioniert, Rattan behält die Form, aber wenn im weiteren Hitze an das Material kommt, geht die Form wieder raus. Tempern also nur in der Formschablone. Unbedingt weiches Holz zwischen Schraubzwingen und Rattan machen beim festhalten, sonst Macken.

Tempern:
Das Rösten (Tempern) des Bauchs für Reflex-Form funktioniert auch, aber wehe es kommt nochmal Hitze dran! Wieder gerade biegen der Arme macht das Temper-Ergebnis zunichte. Beim Abkühlen auf jeden Fall in Form halten bzw. unter Spannung halten, wie es sein soll!

Sehne:
Angst, daß sie zu lang wird? Ganz daneben. Bogenlänge plus 40cm hat sich als gerade lang genug erwiesen. Ich nahm Bogenlänge + 35cm, das ist ganz knapp ausreichend.

Finish:
Unbedingt Lackieren, um Fasern in Form zu bringen. Ich habe normalen Acryl-Mattlack benutzt (gibts z.B. für Fußböden oder aus dem Modellbau). Habe mit 320er Schleifpapier geschliefen, lackiert, das ganze dreimal. Dann bleiben die Fasern drin. Die Oberfläche sieht dann in etwa wie gewachstes Holz aus, ganz ansprechend.

Ich werde an dem Bogen keine weiteren Änderungen machen, man "verschlimmbessert" nur noch. Er wird jetzt so 20-25# haben und man kann auf bis zu 18m damit treffen. Die Pfeile gehen leider eher seitlich links vom Bogen weg, weil sich vor allem der obere Wurfarm nach rechts biegt beim Ziehen (Vermutung: Unterbrechung der Fasern durch Schußfenster schwächt Bogen, so daß er sich davon weg biegt). Bilder als Trefferbelege kann ich auch gerne posten, die Mühe habe ich erstmal nicht gemacht.

Wenn jemand noch Fragen hat oder ich was vergessen haben sollte, schreibt gerne. Ich hoffe der Beitrag ist etwas nützlich und nicht unter Spam ("die 768.te Bauanleitung eines Anfängers, Gähn") zu lesen ;-)

Viele Grüße und Danke für alle Eure Ratschläge!
Uranus

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Ilmarinen
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Re: Erfahrungen mit dem ersten Rattanbogen

Beitrag von Ilmarinen » 23.04.2017, 18:38

Hallo Uranus,
danke für den ausführlichen Bericht.
Hier im How-to gibt es auch gute Anleitungen für Rattanbögen.

Fotos wären noch schön.

Grüße

Jörg
„Der archimedische Punkt, von dem aus ich an meinem Ort die Welt bewegen kann,
ist die Wandlung meiner selbst.“ Martin Buber

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