Ungewöhnlicher Bogentiller

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Ravenheart
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Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Ravenheart » 02.04.2008, 09:52

BISHERIGER DISKUSSIONS-STRANG GESAMMELT:

Wilfrid hat geschrieben:
AZraEL hat geschrieben:es wundert mich doch immer wieder aufs neue, mit welchem selbstbewusstsein manche menschen versuchen, den letzten schrott unters volk zu bringen

http://cgi.ebay.de/Langbogen-traditione ... dZViewItem


Also, ich habe die 2 Bögen ja nun gebaut, die es da bei Ebay gab. Beide sind natürlich mit über 100 Schuß eingeschossen. Und wer es schafft, sich bei mir mit sowas vorzustellen, kriegt ne Kiste Bier. Wenn die Dinger 100- 200Schuß geschossen haben , halten sie die nächsten 1500 Schuß auch.

Der Vorteil ist einfach das geringe Gewicht gegenüber dem Flachbogen oder Holmengard oder was es sonst so gibt.
Was mich hier ein bisschen ärgert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der über 1000 Jahre Bogenbauerfahrung niedergemacht wird, obwohl keiner der Schreiber je solch ein Teil in der Hand hatte. Und ein "pyra... Jagdbogen"
wird über den grünen Klee gelobt. Ich bin mal genauso bissig :
Wenn ich ein krummes Brett suche, gehe ich zu Toom! Und beim Schießen möchte ich das Ziel sehen und kein Brett vorm Kopf haben. Außerdem will ich Bogenschießen und nicht Gewichtheben

So, und nun noch was anderes
Das der braune Eschenbogen und der Hainbuche zu so einem besch.... Preis weggegangen sind, tat schon dolle weh!!! Das sind beides nach den Fotos Sahneschnäppchen gewesen.
So, nun lasst fliegen, getroffen wird schon was ;D


datenmetz hat geschrieben:Stimme meinen Vorrednern Rabe + Christian zu.

Ich hatte meinen "Senf" zu der Bogenform dem Wilfrid ja schon vor Wochen persönlich mitgeteilt ... und betrachtete das nicht als "durch den Kakao gezogen", im Gegenteil.
Ich fand die Unterhaltung sehr sympathisch und es spricht überhaupt nichts dagegen, eine alte Tradition am Leben zu erhalten, so uneffektiv uns die Bögen auch erscheinen mögen ... Wilfried ist sich ja bewusst, dass diese Bauart eine ... sagen wir mal ... sehr individuelle ist.

Viele Forumsmitglieder bauen wie ich selbst ihre Bögen oder sind Bogenschützen und können einen solchen Bogen anhand ihrer eigenen Kenntnisse beurteilen ... ob ein Bogen auf den ersten und zweiten Blick ihren Anforderungen genügen und den Preis rechtfertigen würde, auch ohne ihn geschossen zu haben.

Klar steckt in einem schlechteren Bogen vielleicht genauso viel Arbeit drin wie in einem gelungenen Bogen, aber den Preis würde ich deshalb nicht bezahlen ... und da zeigt sich halt, dass manchmal ein gutes Stück zu nem Spottpreis weggeht und Noobs viel Geld für ne "lokale Rarität" hinlegen.

Es sei dir gegönnt Wilfrid, nix für ungut ... ich kenne ja dein Motiv, also mach weiter so.
Gruß
Roland


Falkenstadl hat geschrieben:Ich sag's mal so...
Die angebotenen Artikel von Wilfrid, entsprechen nicht meiner Vorstellung von einem Bogen. Deshalb kaufe ich sie nicht.
Wenn jemand so etwas kauft und ist damit zufrieden, gibt es keinen Grund sich darüber aufzuregen. Wie die Bewertungen zeigen, sind die Käufer weder ge- noch enttäuscht worden.
Dass Wilfrid nicht mit dem erzielten Preis zufrieden ist, liegt aber an Ihm selbst. Mit der Festsetzung eines Mindestpreises wäre das möglicherweise anders gelaufen. Eventuell hätte dann aber keiner gekauft.
@Wilfrid:
Mal ehrlich, der Bogen sieht wirklich nicht nach 1000 Jahren Bogenbauerfahrung aus.
Gruß
Falkenstadl


Wilfrid hat geschrieben:
@Wilfrid:
Mal ehrlich, der Bogen sieht wirklich nicht nach 1000 Jahren Bogenbauerfahrung aus.
Gruß
Falkenstadl


Die Bögen, von denen ich meinte , sie seien zu billig weggegangen , waren nicht von mir, aber ich nehme euinfach an, das sich einige noch andiese im januar, februar 2008 verkauften erinnern können. Sowas elegantes sieht man selten



Royal Judge hat geschrieben:Guten Abend,

immerhin war die Erde jahrtausende lang gaaaaanz sicher eine Scheibe und man bekam für die Behauptung der Kugelform ziemlichen Ärger mit der Kirche und sonstigen Autoritäten (ganz wie hier  ;D). Der arme Wilfrid muss sich ja wie früher ein Ketzer gefühlt haben ... und kleine Bilder auf ebay lassen wohl auch keine abschließende Beurteilung zu.


@ Datenmetz: Deinen Beitrag fand ich auch gar nicht spöttisch, sondern eher weiterführend, das mit dem Kakao galt nicht Dir.

Gute Nacht


captainplanet hat geschrieben:Zuerst dachte ich an einen Aprilscherz, aber es scheint Dir ernst zu sein mit diesem eigenwillig getillerten Bogen...
Ich finde es gut daß Du Dich noch hier reingewagt hast, mein Respekt dafür ist Dir gewiss. Mein Respekt für Deine Bögen bedarf aber noch etwas Überzeugungsarbeit von Deiner Seite. Ich fände es gut wenn Du ein neues Thema erstellen würdest wo wir Deine Bauprinzipien diskutieren können. Man kann ja nur dazulernen, auch wenn ich das Gefühl nicht loswerde daß das in diesem Fall eher für Dich gilt... :-\ Es liegt an Dir mich vom Gegenteil zu überzeugen!  :)

Wilfrid hat geschrieben:So, nun lasst fliegen, getroffen wird schon was ;D

Dein Wunsch ist mir Befehl.  :D

...halten sie die nächsten 1500 Schuß auch.

1500 Schuß sind eine beeindruckende Lebensdauer. Wenn man Pfeile baut.
1500 Schuß gebe ich zeitweise in ein bis zwei Wochen ab. Von einem Bogen erwarte ich mir aber eine Lebensdauer von mindestens mehreren Jahren.

Der Vorteil ist einfach das geringe Gewicht gegenüber dem Flachbogen oder Holmengard oder was es sonst so gibt.

Daskann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich sehe in dem letztgenannten Link nur einen Bogen der sich(ich gehe davon aus daß er im entspannten Zustand einigermaßen gerade ist) fast nur an zwei Stellen biegt und sonst recht steif ist. Er müßte demnach wenig Leistung haben da viel Holz nicht arbeitet aber trotzdem bewegt werden muß. Außerdem werden dadurch die arbeitenden Bereiche wohl überlastet was zu unnötig viel Set führt.

Was ist eigentlich eine "traditionelle Sehnenanbindung"? Flämische Spleiß? Und was hat es mit der "besonderen Spannart" auf sich die einer persönlichen Einweisung bedarf? Klingt ja sehr geheimnisvoll!

Mit neugierigen Grüßen
Georg



Squid hat geschrieben:Mich würden im Hinblick auf die Diskussion mal die Leistungsdaten interessieren: Zuggewicht, Auszugslänge, Pfeilgewicht, Pfeilgeschwindigkeit, Reichweite.

Ich glaube - unter Berücksichtigung aller bisherigen eigenen und angelesenen Erfahrungen im Holzbogenbau - nicht dass das besonders erfreuliche Daten sein werden. Andererseits finde ich den "Leichtgewichtansatz" nicht uninteressant. Man mag mich also eines Besseren belehren  ;)
Es gibt ja diverse Bogenformen, bei denen der Biegebereich doch relativ kurz ist.

Dennoch halte ich in einem Punkt meine Kritik aufrecht: Wenn (und nur dann) dieser Bogentyp zwar einen lokalen Traditionswert aufweist, aber im Vergleich zu den etablierten Holzbogentypen trotzdem deutlich geringere Leistungswerte aufweist (die ja nun mal für Genauigkeit und Reichweite ausschlaggebend sind), dann ist es zumindest unmoralisch und unethisch, wenn vielleicht auch nicht unrechtmäßig, die Bögen in dieser Form zu veräussern.

Denn das ist eine unschöne Form des Handels, die eine unangenehme neokapitalistische Komponente enthällt - nach der Devise "Angebot und Nachfrage" ohne moralische oder ethische Inhaltskontrolle und unter Ausnutzung der potentiell vorhandenen Unwissenheit des Käufers.

Natürlich finde ich es auch positiv erwähnenswert, dass sich der Erbauer dieser Bögen hier dem Forum stellt. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass diese Bögen uneffektiv sind - mir uneffektiv erscheinen - und unwissende Ebay-Kunden zu Fehlkäufen verleiten.
Und aus Unwissenheit Profit zu erzielen ist nicht in Ordnung - noch weniger, wenn der Bogenbauer selber zugibt, dass das Konzept nicht wirklich effizient ist und er bessere Bögen bauen kann.
Denn den Traditionswert dieser Bögen müsste er zunächst einmal objektiv nachweisen, nicht nur behaupten, bevor er Bögen unter Berufung darauf verkauft.


ravenheart hat geschrieben:
@Wilfrid:
Mal ehrlich, der Bogen sieht wirklich nicht nach 1000 Jahren Bogenbauerfahrung aus.


Aaah, vorsicht!

Nur aus einem einzigen Bild zu schließen, ist riskant!

Er sieht zwar AUS, wie ein völlig vertillerter Anfängerbogen (und die Annahme daher, das er es ist, finde ich auch verzeihlich!), ...

... aber mal angenommen, er wäre im anscheinend steifen Mittelteil im entspannten Zustand deutlich REFLEX? Dann bekäme das plötzlich einen ganz anderen dreh! Es gibt einen Indianerbogentyp, der genau so funktioniert! Bei dem werden sogar die hier im Bild stark gekrümmten Bereich KÜNSTLICH durch Erhitzen/Biegen deflex vorgeformt!!

Ich habe mittlerweile eine sehr ausführliche Bauanleitung erhalten (@Wilfrid: Danke!), und werde mich da mal reinvertiefen!

Andererseits muss man natürlich auch sagen:
Nur weil eine "handwerkliche Tradition" xxx Jahre alt ist, MUSS sie nicht allein deshalb schon richtig sein! Man KANN auch xxx Jahre lang die selben Fehler machen!!
In meiner Rolle als Architekt und/oder Bauherr habe ich bisher immer am meisten "Ärger" mit den Handwerkern gehabt, die da, wo ich ein Problem sah, mir sagten: "Das machen wir aber schon immer so!".
Besonders "hübsch" is dann ergänzend: "Dass das alle paar Jahre erneuert werden muss, is normal!"
Ja, klar....  :-X

Also ich fände es spannend, das mal in einem eigenen Thread zu vertiefen.
Ich mach mal einen auf....
@Wilfrid: Darf ich die Bauanleitung da rein stellen?

Rabe

Zuletzt geändert von Ravenheart am 02.04.2008, 10:04, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von acker » 02.04.2008, 13:32

Hallo,

Mich würden da mal die Leistungsangaben zum Bogen interessieren,
sowie die Historie des Bogens.
Also es muss ja irgendeinen Grund geben warum er genau so ist wie Wilfried ihn baut !?
Zu welchem Zweck wurde er früher angefertigt in dieser besonderen Form?

Wär schön, wenn Du-Wilfried- mal etwas dazu schreiben könntest.
Interessiert mich da ich selber Westfale bin.

Gruss Acker
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Falkenstadl » 02.04.2008, 16:16

Zitat ravenhard:
.. aber mal angenommen, er wäre im anscheinend steifen Mittelteil im entspannten Zustand deutlich REFLEX? Dann bekäme das plötzlich einen ganz anderen dreh!

Dazu möchte ich auf die Bilder im u.g. Angebot hinweisen. Eine Abbildung zeigt den entspannten Bogen.
ebay-Angebot

Es gibt einige schöne Abbildungen von Alamannenbögen, die trotz des geraden Mittelteiles, die diese Bögen nun mal haben, einen gleichmässigen Tiller aufweisen.
Alamannischer Langbogen
Bombix Bogenbau

Daher meine Anmerkung, dass Wilfrids Umsetzung meinen Ansprüchen an einen Bogen nicht gerecht wird.
Gruß
Falkenstadl
Zuletzt geändert von Falkenstadl am 02.04.2008, 16:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Felsenbirne » 02.04.2008, 16:26

Leider kann ich im Angebot den Bogen nicht entspannt sehen.
Aber Zitat aus dem Angebot:
Der untere Wurfarm ist nicht zu schwach, denn er is ja deutlich kürzer als der obere. Deswegen biegt  sich der untere Wurfarm auch stärker als der obere.Ja, er ist nach den allgemeinen Bogenbauerregeln völlig falsch getillert.Deswegen schießt er eben so wie er schießt. Butterweich. und deswegen wiegt er auch bloß 486 g oder 1 lbs. Mit Sehne. Und verschießt auch Pfeile von 46g oder ~750 grain.


Wenn der unter WA kürzer ist, wieso biegt er sich dann mehr???? Er sollte eigentlich steifer sein ;)

Insgesamt macht dieses Angebot auf mich einen eher unseriösen Eindruck. Der Text ist genauso lieblos und hastig verfasst wie der Bogen m. E. gebaut wurde.
Der Bogen ist gespannt 66" cm lang



Mir scheint hier werden handwerkliche Fehler als Besonderheit verkauft. Nach dem Motto: It's not a Bug, it's a Feature
Gruss Matthias

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Falkenstadl » 02.04.2008, 17:00

mschwanner hat geschrieben:Leider kann ich im Angebot den Bogen nicht entspannt sehen.


Es sind 4 Abbildungen. Das 3. von li bzw. 2. von re.
Es ist leicht zu verwechseln, das der Bogen im auf- wie im abgespannten Zustand sehr ähnlich aussieht.
Gruß
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von jerryhill » 02.04.2008, 18:11

Bloß mal angenommen, der Bogen hätte ein arbeitendes Setback. Das würde deutlich zeigen, wie ungünstig sich ein solches auf den Sehnenwinkel auswirkt. Ich habe mal einen Ulmenbogen als vertillert abgeschrieben, der nicht annähernd so schlimme wipped ends hatte.
lg, jerryhill
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von rokker » 02.04.2008, 19:27

der biegt sich ja nicht mal mehr wenn man die sehne drauftut.. deshalb wahrscheinlich auch die etwas "witzige" befestigung der sehne :-\  ;D

ich weiß nicht, mir ises eigentlich egal wie jeder seine bögen baut. hauptsache ich muss mir nicht so nen kaufen ;) 

(net böse gemeint.. hoffe die smileys passen soweit ;) )

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von captainplanet » 02.04.2008, 19:33

Jetzt mal was Postives: Was mir bemerkenswert erscheint ist aber die Art der Sehnenbefestigung. Ich habe mich oft gefragt warum historische Nachbauten so weit über die Sehnenkerbe überstehende Tips haben, das ist doch nur totes Gewicht. Trotzdem sieht man es immer so, auch auf den Links die Falkenstadel reingesetzt hat.

In der hier diskutierten Variante wird die Sehne zwar auch etwa 5 Zentimeter unterhalb "rumgewickelt" aber sie läuft dann noch irgendwie außen um das Tip und nutzt so den Bogen in seiner Ganzen Länge. Das macht in meinen Augen Sinn auch wenn es für uns komisch aussieht. Kann es sein daß da historische Bogenfunde in der Hinsicht häufig mißinterpretiert werden?

Mfg Georg
Zuletzt geändert von captainplanet am 02.04.2008, 19:35, insgesamt 1-mal geändert.
Bester Rindengrapscher von FC!!!

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Felsenbirne » 03.04.2008, 08:58

@: Falkenstadl

ich glaub ich bin böd, aber ich seh da nur 3 Bilder (Link vom ersten Beitrag auf dieser Seite)
Bild


Wo seht Ihr den Bogen entspannt?? ???
Gruss Matthias

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Royal Judge » 03.04.2008, 09:54

Hallo,
schön, dass die "Wilfrid-Diskussion" jetzt gesondert und so sachlich läuft. Wenn man sich die Bilder und die Beiträge durch den Kopf gehen lässt, meine ich auch, dass der Tiller hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

Was mir bemerkenswert erscheint ist aber die Art der Sehnenbefestigung.


Das finde ich auch. Vielleicht trägt der unkonventionelle eBay-Bogen ja im Hinblick auf "maximale Länge ausnutzten" und "ungewöhnlichen Sehnenverlauf" Früchte (wie in der Forschung, da gibt es ja auch gewisse Irrwege, die überraschend zu Erkenntnissen führen, an die man gar nicht dachte). Wie es scheint, läuft hier die Sehne von der Sehnenkerbe erst über den Rücken in Richtung der Tipps, über diese drüber nach Hinten und schließlich auf der Bauchseite.

Mir ist das neu (kann an meinem beschränkten Horizont liegen, in der Literatur habe ich dazu aber noch nichts gelesen). War das schon bekannt ? Ist das sinnvoll ? Ist der Bogen dann noch vernünftig zu spannen ?

Gruß

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von arcus » 03.04.2008, 10:21

mich würd mal interessieren, was es denn mit der

"mündlichen Überlieferung " ,

wie bei Ebay beschrieben auf sich hat

ich meine-- bei tausend jahren mündlicher Überlieferung kann n´e   ganze      menge schief gehen.

1. auch vor 1000 jahren gab es sicherlich auch mal einen schlechten Bogenbauer

2.  irgendwann wurde mal überliefert, daß der Bogen knicke hatte--
jo aber in welche richtung ? (RECURVES)

So was gab es ja auch schon, mit dem falschaufgespannten Recurvebogen bei Ebay.

3. Gewicht : mein 46er lbs Holmegaard wiegt nur 459 gramm mit sehne

dieser faden liesse sich noch weiter spinnen, was aber eigentlich keinen sinn macht.

alle traditionellen bögen, die wir heute schießen sind irgendwo dokumentiert
oder von Archäologen ausgegraben worden.

DAS WÄRE ALSO DER ERSTE MÜNDLICH ÜBERLIEFERTE BOGEN !


Gruß Rolf
Zuletzt geändert von arcus am 03.04.2008, 10:26, insgesamt 1-mal geändert.
Verlange von niemenden etwas, was Du nicht selbst bereit bist zu geben

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Falkenstadl » 03.04.2008, 11:58

mschwanner hat geschrieben:@: Falkenstadl
ich glaub ich bin böd, aber ich seh da nur 3 Bilder (Link vom ersten Beitrag auf dieser Seite)
Wo seht Ihr den Bogen entspannt?? ???


Ich habe das andere Angebot von Wilfrid angeschaut. Bitte benutze den Link in meine post.
Gruß
Falkenstadl
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Ravenheart » 03.04.2008, 12:28

So, ich habe mir nun auch die "Bauanleitung" intensiv zu Gemüte geführt.

Bemerkenswert an dem Bogentyp sind folgende Dinge:

1. wird er aus fast grünem Holz fast fertig gebaut, wobei man das unvermeidliche Set erst mal in Kauf nimmt. Dieses wird dann mittels Hitze wieder "begradigt". Die eigentliche Trocknung bis zur "Gebrauchsfertigkeit" erfolgt am quasi fertigen Bogen.

2. Die Art der Sehnenbefestigung, dazu wurde ja schon alles gesagt! Interessanter Weise habe ich (OHNE jede Anleitung, aus dem Bauch) alle meine früheren Kinderbogen genau so gebaut! Einen davon hab ich sogar noch...
Ich kann dazu sagen, dass dies durchaus ein plausibler Weg ist, sich auch gut spannen und sicher schießen lässt. Der Nachteile sind, dass sich a) im Gegensatz zur heute üblichen Methode (Schlaufen/Sehnenkerben) lediglich die Sehne NICHT mal eben schnell wechseln lässt, und b) die Gefahr besteht, dass die Sehne das Bogenende spaltet (mir früher passiert!).

3. Der Bogen hat, wenn ich die Anleitung richtig verstanden habe, einen FÜNFECKIGEN Querschnitt im Wurfarm, zudem werden die steifen Endbereiche zum Ende hin wieder dicker (was im Zusammenhang mit 2. steht!). (Dazu sage ich unten noch was...)

Dies, in Kombination mit dem langen, steifen Mittelteil legt in der Tat nahe, dass es sich um eine Art "Alemannischen" Bogen handelt. Somit ist auch die Aussage von Wilfrid ("1000-jährige Tradition) plausibel!!

.....

Zur Ausführung aber wurde auch oben schon was gesagt, ich fasse das noch mal zusammen:

Der Bogentyp an sich, als auch die Ausführung, weisen einige technische Mängel auf, die sich weder wegdiskutieren noch im Sinne "kein Bug, sondern Feature" entschuldigen lassen! (Siehe auch unten, Fazit).


Schwachpunkte (Zusammenfassung):

1. massige (dicke) Endbereiche

Je schwerer die Enden sind, desto mehr Energie "verbraucht" der Bogen in der Bewegung der eigenen Masse. Allerdings steigert es auch die Unempfindlichkeit gegenüber schweren Pfeilen bzw. Gewichtsunterschieden. (Das wird ja aktuell auch in einem anderen Thread behandelt: >> hier klicken <<).

Will man aus stilistischen Gründen die Sehnenbefestigung so machen wie hier gezeigt (wogegen nichts spricht, wenn man die o.a. Nachteile hinnimmt!), muss man die Ende allerdings entweder dicker ODER breiter werden lassen, damit die Knoten nicht abrutschen. Nur BEIDES zusammen wäre unsinnig!

2. Lange, steife Endbereiche

Diese sind sowohl bei Pyramidalbogen als auch bei kurzen Indianerbogen (die im Griff mitbiegen) anzutreffen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen (Pyramidalbogen: Hauptbiegeung da, wo die größte Holzmasse ist, Indianerbogen: weniger Stacking).

Bei diesem Bogentyp (nach Bauanleitung: mannshoch) führen sie zwar auch zu einem weichen Auszug (wird in der Verkaufsbeschreibung ja auch aufgeführt!), sind jedoch angesichts der Länge EIGENTLICH gar nicht erforderlich, womit ihr Nachteil (kürzerer Biegebereich, sh. unten, 3.) überwiegen würde), in KOMBINATION mit 3. machen sie aber durchaus Sinn, denn faktisch IST es so "ein kurzer Indianerbogen, der mit einer steifen Mitte verlängert wird!"

3. Langes, steifes Mittelstück

Von den alemannischen Kriegsbogen bekannt. Typbedingte Fehlentwicklung, Stilelement ohne technischen Nutzen!

Bereits im Frühmittelalter hatte sich im Bogenbau die Erkenntnis durchgesetzt, dass es Sinn macht, die Biegespannung auf möglichst viel Holz zu verteilen und die Krümmungslast möglichst zu reduzieren!
Kompressionsschäden entstehen durch die Kombination aus Krümmungsradius und Spannung (Kraft), je länger der Biegebereich ist, desto geringer wird die Gefahr von Kompressionsbrüchen, was die Lebensdauer erhöht bzw. Fehlerhäufigkeit schon in der Bauphase reduziert.

4. Fünfeckiger Querschnitt

Auch dieser wurde parallel mit dem langen Mittelteil aufgegeben, aus den selben Gründen! Die Druckspannung an der Bauchseite wird vom Holz am besten vertragen, wenn sie sich auf mehr Fläche verteilt, anstatt sich in einer schmalen Kante zu konzentrieren.

(Ergänzend: Ob so ein Querschnitt noch funktioniert, hängt zum Einen davon ab, wie viel Zuggewicht der Bogen bekommt, und davon, wie abgerundet die Bauchkante ausgeführt wird, und wie hochwertig das Holz ist! Bei 30# und gerundeter Ausführung und druckresistentem Holz funktioniert es vmtl. auch längerfristig! Der Übergang vom alemannischen Fünfeck zum (im Querschnitt) elliptischen ELB ist fließend!)

5. Ausführung (unterer WA biegt sich stärker)

Eine solche, asymmetrische Ausführung gibt es heute noch bei 2 Bogentypen, dem Yumi und einigen asiatischen Reiterbogen. Sie kann daher nicht grundsätzlich als falsch angesehen werden!
Entscheidend für die Beurteilung ist, ob der Pfeil sauber fliegt oder "reitet".
Da sich dies durch eine höhere Nockpunktlage allerdings ausgleichen lässt, ist es letztlich eine Stilelement-Frage, und kann nicht pauschal verurteilt werden.

Ob es sich also um eine unsaubere Ausführung oder ein Stilelement handelt, könnte man nur im Gebrauch bzw. Vergleich beurteilen. (Dagegen spricht allerdings, dass nur EINER der o. gezeigten Bogen dieses aufweist.)

Fazit:

Es handelt sich um durchaus interessante Bogen. Allerdings entsprechen sie NICHT in allen Punkten dem HEUTIGEN Wissensstand über technisch sinnvollen Bogenbau, und sind daher eher von traditionellem oder historischem Wert.
Die Schussleistung dürfte eher im unteren Bereich dessen anzusiedeln sein, was mit reinen Holzbogen möglich ist. Die Fehleranfälligkeit dürfte hoch, die Lebenserwartung eher gering sein.
(Wilfrid schreibt auch im Rahmen seiner Bauanleitung an 2 Stellen über Bruchgefahr, und das so, als wäre das "normal"! Mir sind von rund 150 gebauten Bogen nur 3 gebrochen, und alle 3 hatten Material- oder Baufehler, die dies auch erwarten ließen!)

Einen Bogen so (aus historischem Interesse, Tradition, oder experimentell) zu bauen ist völlig o.k.! Den dann an möglicherweise UNKUNDIGE zu verkaufen, OHNE den Hinweis auf die Schwachpunkte, oder diese dann sogar "schönzureden", ist es, Wilfrid mag's entschuldigen, aus MEINER Sicht NICHT mehr!! Die einzige Entschuldigung dafür wäre: Der Verfasser weiß es selbst nicht besser! Möglicher Weise ist es aber so?
Nun, vielleicht hat dann ja diese Diskussion tatsächlich eine neue Sichtweise gebracht? Wäre doch was Positives, oder?

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Zuletzt geändert von Ravenheart am 03.04.2008, 13:16, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Heiner » 03.04.2008, 15:01

Kann es sein daß da historische Bogenfunde in der Hinsicht häufig mißinterpretiert werden?


Ich fürchte nein. Erstmal geben die Bogenfunde selbst kaum bis gar keine Auskunft über den Sehnenverlauf. Nur selten sind Stellen dokumentiert, wo sich die Sehne eingedrückt hat. Und dann nur am "Knotenpunkt", nicht am Rücken.
Die Abbildungen, die aus den entsprechenden Zeiten zu finden sind (ich beschränke die Gültigkeit dieser Aussage auf den Zeitraum 900 bis 1600 nach Christus) stellen die Grundlage zur Beurteilung der Sehenbefestigung dar. Da findet sich meines Wissens nach nicht ein einziges wirklich verwertbares Bild, das klar einen Rücken-Tip-Bauch-Sehnenverlauf erkennen lässt - gleichzeitig zeigen etliche (alle mir bekannten) den "konventionellen" Verlauf mit Knoten-Schlaufe oder Schlaufe-Schalufe.
Damit gibt es keinen Grund an zu nehmen, dass "das so war damals". Mir wär's ja recht, aber leider...

Gruß,
Heiner
Zuletzt geändert von Heiner am 03.04.2008, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.
"Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens."

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller

Beitrag von Wilfrid (✝) » 03.04.2008, 18:37

@ heiner
Folio40 r Sachsenspiegel online
Bogenschützen sind irgendwo alle Spanner, aber das Schießen entspannt definitiv
Der schönste Pfeil ist der im Centerkill

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