Braucht es einen Brunnen?

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RobertGraf
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Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von RobertGraf » 22.12.2014, 20:36

Guten Abend zusammen,

manche kennen mich vielleicht aus der Bogenbau-Abteilung, aber zu den Weihnachtsferien will ich mir jetzt meine erste Armbrust bauen. Ich hab bereits den Säulenrohling, den Bogen dazu und heute die Nuss fertig geworden (Elchrose). Jetzt wollte ich die Nuss in die Säule einarbeiten und gerade lese ich was von einem Brunnen… Tja… ich hätte jetzt einfach die Nuss in die Säule gesetzt und fertig. Braucht es überhaupt einen Brunnen. Entschuldigung für die wahrscheinlich dämliche Frage, aber ich hab auch nichts mit der Suchfunktion gefunden...
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Rizzar
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Rizzar » 22.12.2014, 21:01

Hallo

Mach eine Achslagerung, deine Nussform lässt durch die durchgängige Rast keine richtige Verwendung im Brunnen mehr zu.

Rizzar

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RobertGraf
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von RobertGraf » 22.12.2014, 21:56

Wow - das war schnell. Danke! Achslagerung…? Ich hab gedacht, dass ich die Nuss mit einem Faden in die Aussparung in der Säule reinbinde??? Damit hält sie ihre Position (so hoffe ich zumindest) und kann mir nicht rausfliegen. Brunnen brauch ich nur, wenn die Nuss "lose" drin liegt? Der Brunnen umschließt die Nuss mehr oben herum (ähnlich wie ein Deckel), damit sie nicht rausfliegen kann, oder? Meinst Du das? Sorry für die unbeholfenen Fragen - die Neulinge eben wieder... ::)

Danke…

Robert
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Rizzar » 23.12.2014, 06:35

Versuche mich kurz zu halten, da ich nicht so viel Zeit habe.

Ersteinmal hast du mit deiner Nussgeometrie gar nicht die Möglichkeit mehr eine richtige Brunnenlagerung zu benutzen.

Ein Nussbrunnen ist soetwas wie ein großes Gleitlager, dessen Oberseite zur Sehnenführung gekappt ist. Die Nuss wird aber so vom Nussbrunnen umschlossen, dass sie bei der Rotation nich/ oder nur schwer den Brunnen(das Lager) verlassen kann. Der einherkommende Nussfaden verhindert den Fall zusätzlich. Der Faden nimmt im Optimalfall aber keine Lagerkräfte auf, dient also nur zur Sicherheit. Vorraussetzung dafür ist aber eine dafür gefertigte Nuss mit möglichst durchgehenden Außenradien. Das ist bei Dir aber nicht der Fall.


Eine Achslagerung ist auch eine Lagerung im Gleitlager, aber eben mit einem geringeren Achsdurchmesser und somit nicht für so große Belastungen ausgelegt wie die große Nuss als Achse selbst.

Bei der Achslagerung verläss die Nuss die Drehachse nicht und kann somit nicht am Gehäuse anschlagen. Die Biegelasten der Achse und die Dimensionierung der Achsaufnahmen im Gehäuse spielen aber eine höhere Rolle, ist im Normalfall bei regulärer Dimensionierung und "niedrigen" Zuggewichten aber ohne große Bedeutung.
Der Vorteil einer Achslagerung ist die relativ simple Produktion.

Allgemein ist die Brunnenlagerung allerdings sowohl die authentischere und technisch interessantere Lösung, aber mit deutlich mehr Aufwand betrieben.
Entfällt für die von Dir gemachte Nuss aber, also den Gedanken hinter Dir lassen...

Die Nussgeometrie könnte etwas runder sein (Finger sind noch etwas spitz, Sehnenaufnahme könnte etwas weniger groß sein, die Wuchsrichtung scheint axial), aber wenn es deine erste ist, so habe ich schon "schlimmere" Premieren gesehen .


Martin / Rizzar

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von RobertGraf » 23.12.2014, 07:32

Super vielen Dank! Der Faden ist also keine Achse im eigentlichen Sinne, überwiegend nur eine Art Fangleine. Ich werde somit von oben in die Säule eine Aussparung einarbeiten, in die die Nuss genau reinpasst und dann eine Eisen- oder Stahlachse nehmen. In die Rast habe ich zusätzlich einen Stahlkeil eingearbeitet und mit Epoxid verklebt und die Finger der Nuss werden noch weniger spitz.

Eine letzte Anfängerfrage wegen der Bolzenführung: Die Bolzen müssen dann genau so dick sein, dass sie zwischen die Finger der Nuss passen und beim Einlegen direkt an der Sehne anliegen? Müssen die dann zwischen den Fingern der Nuss leicht klemmen? Denn sonst würden sie ja rausfallen, wenn die Armbrust zur Seite gekippt wird oder man steiler nach oben schießen würde. Oder liege ich da völlig falsch? Und die Führungsrinne auf der Säule ist bei den Originalen immer sehr, sehr seicht. Reichen da 2-3mm? Ich hab auch schon Armbruste gesehen, die vorne noch einen kleinen zusätzlichen Horn-Steg mit leichter Kerbe haben. Braucht´s das und wenn das so umgesetzt wird, dann müssen die Bolzen nach dem Einlegen mit der Spitze über die Säule vorn hinausragen. Das MUSS so sein, oder? Das ist wohl Pflicht, schon allein wegen der Verletzungsgefahr? Ich weiß, wie es beim Bogenschießen ausgeht, wenn zu kurze Pfeile geschossen werden oder Pfeile überzogen werden.

Nochmals vielen Dank für die Erhellung meiner fachlichen Dunkelheit und schöne Grüße…

Robert
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von devastator1973 » 23.12.2014, 09:22

Hallo!

Vielleicht hilft Dir das auch etwas.http://www.co2air.de/wbb3/index.php?pag ... adID=93919

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von RobertGraf » 23.12.2014, 14:16

Alles klar - so in etwa hab ich mir das "Loch" für die Nuss gedacht. Danke…

Robert
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von devastator1973 » 23.12.2014, 17:18

Übrigens diente der Nussfaden nicht nur als zusätzliche Sicherung gegen herausfallen. Da würde auch ein Stift gehen. Sie diente auch dazu die Nuss nach dem Abschuss abzubremsen.

Steven

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Rizzar » 24.12.2014, 08:55

Ob der Nussfaden tatsächlich absichtlich als Bremse genutzt wurde ist schwer zu belegen.

Ich habe das auch schon gemacht und auch hier propagiert.

Aber dieses eher fortgeschrittene phylosophische Detail in eine Anfängerfrage einzubringen wenn die Faden/Brunnenlösung sowieso nicht mehr gemacht werden darf ist etwas am Ziel vorbei.

Es gibt auch dünne Achsen (in dem Fall wäre die Bezeichnung besser Stift) die nicht führen und nur das herausfallen sichern.

Die Bolzendurchmesser am Ende des Bolzens wird durch den Nussfinger Abstand bestimmt, richtig.
Es besteht also die Möglichkeit auch nur das Ende eines Bolzen an die Aufnahme anzupassen.

Die Bolzenrinne dient zur Einlage und Führung, sie sollte so tief sein, dass der Ablauf zwischen Nussrotation, Bolzenende und Sehne optimiert sind. Im Optimalfall greift die Sehne den Bolzen mittig an, also müssen schoneinmal Sehne und Bolzenrinne mit Bolzendurchmesser abgestimmt sein.

Die Nussrotation ist noch ein weiteres komplexeres Thema, sie darf weder die Sehne, noch den Bolzen beeinflussen. Schau dir hier das 4. Bild meines Posts an: http://fletchers-corner.de/viewtopic.php?f=34&t=20915&hilit=nuss+brunnen&start=15#p374071

Ein Bolzensattel ist bei durchgehender Bolzenrinne nicht notwendig bzw nicht damit vereinbar da beide unterschiedliche Führungsaspekte zu Grunde legen.

Es gibt zwar auch Vorlagen in denen Rinnen und Sättel coexistieren aber unter anderen Voraussetzungen (2Punkt-Führung, geschwungene Säulenoberfläche etc)

Dass bei Verwendung eines Sattels die dickste Stelle des Bolzens überstehen sollte ist sicherlich logisch...


Martin

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von RobertGraf » 24.12.2014, 22:19

Das ist ein super spannendes Thema… Nuss, Sehne, Führung, Bozen… und komplexer, wie anfangs angenommen (wie immer) :)

Die Nusszeichnung ist sehr gut. Aber ist die Fingerverstärkung nicht eher ein Schwachpunkt. Ich meine, erst muss man von unten rein bohren und die Stahlstifte einführen. Der Übergang Stift zu Horn ist doch dann perfekt, um dort abzubrechen, oder? Mein Bogen zieht 150 lbs - brauch ich da überhaupt so Verstärkungs-Stifte? Oder geht das in dem Zuggewicht noch ohne…?

Ansonsten wünsche ich allen schöne Feiertage und frohe Weihnachten…

Robert
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von devastator1973 » 24.12.2014, 22:30

Also 150lbs sollten kein Problem sein. Die Zugkräfte historischer Armbrüste waren oft viel höher. 200kg also über 400lbs waren noch "Leichtgewichte". So viel ich weiss und auch nachgelesen habe hatten stärkste Armbrüste bis zu 1000kg Zugkraft. Jedoch aufgrund der kurzen Auszugslänge und des trägen Stahlbogens wird die Leistung oft überschätzt.

Steven

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Sherrif Sherwood » 25.12.2014, 22:31

Hi,
da bin ich gespannt wie ein Flitzebogen.
Hier mal ein Besipiel mit Faden als Sicherung.
http://www.hermann-historica.de/auktion ... at69_a.txt

Gruss Jürgen
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Nuss mit Faden.jpg
Im Netz gefunden
Armbrust mit Fadensicherung.jpg
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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Rizzar » 29.12.2014, 08:13

Wie von Steven schon gesagt, 150# sind belastungsorientiert eher die unterste Stufe.
Da würde ich sogar Hartholz/POM (oder bedingt ABS) als Alternative verwenden, lieber keinerlei Metall (zu schwer, Ausnahme Aluminium und eventuell Titan >:) ).

Hornnüsse ohne Verstärkung habe ich schon bis in hohe Zuggewichte gesehen.
Mit Verstärkung bei den schwersten Exemplaren.
Die Verstärkung muss natürlich absolut formschlüssig ausgeführt und verklebt werden.
Stell es dir wie eine Armierung vor, da wackelt nichts und gibt auch kaum möglichkeit eine frühzeitige elastische/plastische verformung einzugehen.

Dis Schussleistung bei hohen Zuggewichten ist wirklich so eine Sache. Alle erwarten immer, dass diese 1000kg Armbrust so verdammt schnell werfen muss.
Das ist bei Stahl aber aufgrund der geringen Rückstellgeschwindigkeit (große Masseträgheit) im Vergleich nicht der Fall.
Ich glaube eine gute Quelle hatte einst eine erreichbare Bolzengeschwindigkeit Vo von 60m/s unter Nutzung einer hohen Rückstellgeschwindigkeit in Verbindung mit Schleudereffekt durch die Sehne angegeben.
Hohe Zuggewichte ermöglichen es aber schwerere Bolzen bei gleicher Geschwindigkeit zu bewegen und somit eine höhere kinetische Energie zu übertragen (zzgl. Wechselwirkung Luftwiderstand der Vollständigkeit wegen). Die resultierende höhere System/Schützenbelastung sollte man aber nicht vergessen.

De Facto: wenn man nicht gerade etwas historisches nachbauen will, oder am Stahlbogen generell interessiert ist, macht ein Stahlbogen weniger Sinn als ein schneller Holzbogen mit nem "leichten" Bolzen, der dynamisch überlegen (naja, "anders" um nicht mich selbst zu diskriminieren) ist.

Gruß Rizzar / Martin

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von devastator1973 » 29.12.2014, 10:38

Hallo Martin!

Genau so ist es. Die meisten denken das hohe Zugkräfte auch mit einer hohen Geschwindikgeit verbunden sind. Tatsächlich stösst ein Stahlbogen schnell auf seine Grenzen. Ich denke auch das 60m/s die max. erreichbare Geschwindigkeit ist. Mein vorletzter Eigenbau mit 200kg kommt mit einem 40g Pfeil auf knappe 50m/s. Ich hab einen Chrony ;)
Zuletzt geändert von devastator1973 am 29.12.2014, 17:17, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Braucht es einen Brunnen?

Beitrag von Rizzar » 29.12.2014, 14:22

Ohh, ich beneide Dich um einen Chrony, ich brauche auch unbedingt einen :-\

Das würde vieles erleichtern, die Dinger sind aber leider etwas teuer, bzw. habe ich noch kein cooles Preis/Leistungs Modell entdecken können.
Ich will aber auch alles messen können: also Pfeil/Bolzen, Luftgewehr bis Großkaliber (sowohl Unter/Überschall).
Hat eventuell jemand einen Tip?

Wenn man eine hohe Geschwindigkeit nah am Optimum erreichen will muss man auch eventuelle Sicherheitszonen in der Berechnung ausschöpfen. Und ob man das wirklich machen will ist fraglich/abwägungssache.
(Insbesondere wenn jemand auch eine gewisse Gewährleistung auf den hochwertigen dazugekauften Bogen gibt)

Auch ist gerade das mittelalterliche Armbrustbogenvorbild nicht ganz geometrisch optimal.


Martin

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