acker hat geschrieben:
Die Frage nach dem Yumi find ich schon sehr interessant, ich sehe bei dem Konzept als Kriegsbogen irgendwie mehr Nachteile als Vorteile.- aber dumm sind sie ja nicht, ergo haben sie ein bestimmtes Ziel damit verfolgt.
Nur welches?
So, dann versuchen wir uns mal an die Antwort heran zu schießen – der finale Schuss muss sitzen, eine Angelegenheit auf Leben und Tod (kein Spaß, das ist so).
Das was die Samurai aus Überlebenspragmatismus mit Hilfe ihrer Techniken (nicht nur im Bogenschießen angestrebt hatten -
den angstfreien Bewusstseinszustand im Moment der Feindberührung auf Leben und Tod - war und ist ein Bewusstseinszustand, der nicht mehr persönlich ist.
Diesen Zustand zu beschreiben ist unmöglich, ebenso ein Verstehen über das Verstandesdenken, es gibt aber verschiedene Wege ihn zu erreichen und manchmal wird man auch erreicht.
Fast Jedermann hat diesen Zustand schon mal unbeabsichtigt erlebt, i.d.R. ohne ihn einordnen zu können.
Ein selbsterlebtes Beispiel: Ich war im Terminstress mit ca. 180 und Gedanken an die gleich auf mich zukommenden geschäftlichen Schwierigkeiten auf der Autobahn - beim Überholen eines LKW`s fliegt mir ein Stein in die Windschutzscheibe. Den Stein hatte ich nicht gesehen, nur den plötzlichen Knall vernommen, die Scheibe hat gehalten, mir ist nichts passiert.
Ich war aber urplötzlich hellwach geworden, der Kopf war absolut klar und das sonderbare, ich war absolut ruhig. Es war ein rabiater Wechsel von einem sorgenden persönlichen Stresszustand in einen Zustand absoluter Ruhe, obwohl das buchstäblich ins Auge hätte gehen können.
Egal auf welchen der Wege und Begebenheiten man in dieses nichtpersönliche Bewusstsein kommt, wenn man sich darauf einlässt, nimmt man in etwa den Zustand eines Beobachters ein, man ist nicht mehr im normalen Verhaltensprogramm seiner Persönlichkeit.
Dieser Zustand, den man bestenfalls umschreiben kann, ist wie eine Neugeburt, man ist nicht mehr der, der man vorher war.
Der Zustand hat aber Merkmale an denen man ihn erkennen kann. Die von den Samurai angestrebte Angstfreiheit habe ich schon erwähnt, es gibt in diesem Zustand aber auch keine Fragen mehr, selbst die tiefsinnige Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich nicht.
Der vorherige persönliche Bewusstseinszustand erscheint unwirklich, man wundert sich ihn gehabt zu haben.
Goethe wird plötzlich verständlich wenn er sagt, dass das höchste, was der Mensch zu erreichen vermag das ERSTAUNEN ist – nicht nur Staunen, ERSTAUNEN.
In Beantwortung der Ausgangsfrage und in Bezug auf Goethe kann man den Sinn von „Kyudo nach den alten Regeln“ als einen der Wege sehen, auf denen dieser Zustand verwirklicht werden kann – wenn es denn der eigene Weg ist.
Kyudo gehört zu den Wegen, die unter Einbeziehung der gesamten Person (Körper, Psyche, Verstand) gegangen werden müssen.
Die zu bewältigende Aufgabe liegt in der Umsetzung der Technik, die sowohl einen pragmatischer Sinn hat (durchschlagend treffen), Spiegel ist (man sieht wo der Schütze steht bzw. der Schütze kann es selbst erkennen), vor allem aber Kampf bedeutet (die Persönliche Begrenzung überschreiten).
Insbesondere die Bereitschaft zu kämpfen ist bei den nach Graduierung, Erfolg und Kimono schielenden Schützen (die gab es schon immer, sie sind bereits von den alten Meistern belustigt in den alten Schriften erwähnt worden) nicht zu erkennen.
Vielleicht wird daran auch verständlich, dass eine Vereinfachung der Technik keinen Sinn hat und in die Irre führt.
Grüße
Yabusame