sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

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shokunin
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sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 07:33

Zitat Yabusame:
"Ich habe es im Kyudo als wohltuend empfunden, dass der Begriff Sensei nur auf unsere jap. Lehrer angewandt wird bzw. lange Zeit wurde. Wir sollten uns in der EU besser als Kudoka unter Kyudokas empfinden, das verhindert gewisse Anmaßungen.
Diejenigen, denen man es zugestehen könnte, wollen das gar nicht."

Dieser Kommentar hat bei mir heute eine Frage aufgeworfen:

Wann ist es formell korrekt, oder gar notwendig den Titel "sensei" zu gebrauchen?

Der Kontext war ich hatte John Bush (6. Dan Renshi) mit "Bush Sensei" betitelt und Yabusame nahm offenbar Anstoss daran.

Ist der Titel in Europa prinzipiell unnötig oder nur bedingt... gilt er wirklich nur für Japaner oder muss man zunächst mal entscheiden ob die Person den Titel "verdient"?
Gibt es im Kyudo oder im Budo allgemein eine feste Regel?
Wie halten wir es denn hier - oder wie haltet ihr es persönlich?

In Jp wird jeder der für uns eine Lehrer-Rolle spielt und auch jeder der eine offizielle Leherqualifikation (z.B. Renshi, Kyoshi) trägt mit "sensei" betitelt, oder?
Wenn ich also öffentlich ÜBER andere Kyudoka schreibe (und ich deren Titel kenne) versuche ich mich auch daran zu halten.
Im legeren Gespräch sagt man schon mal "der Inagaki" aber schreiben würde ich das normal nicht.
Mit John Bush halte ich es genau so nachdem er (nicht nur der Bruder von Kate :o sondern auch) Träger des japanischen Lehrertitels Renshi ist. Und er lehrt ja nicht nur im White Rose Dojo sondern regelmässig z.B. auch hier in D.
Ist das nun inkorrekt? ... zu formell? ... fällt uns da ein Zacken aus der Krone wenn wir andere "standesgemäss" höflich ansprechen bzw BEsprechen?
Übernehmen wir nur die Technik der Budosportarten, nicht aber den Aethos und die Umgangsformen?

Ich habe kein Problem damit anderen ein grosszügiges Mass an Höflichkeit entgegen zu bringen.
Wie Yabusame ja sagt die meisten wollen es nicht einmal. Ich habe noch niemangen getroffen der nicht sofort fast beschämt abgewunken hätte und mir ein "Du" angeboten hätte - unter den Europäern und Amerikanern zumindest...
Das hält mich aber nicht davon ab Lehrer zunächst einmal respektvoll mit Sensei anzusprechen bzw per Titel ÜBER sie zu sprechen/schreiben.

Zu viel Respekt? Eine Aufforderung zur Anmassung...?
Wie gesagt ich hab da keinen Masstab... mir macht es nix aus, mir fällt auch kein Zacken aus meiner Krone wenn ich einen Duke formell korrekt mit "Your Grace" anrede. Deswegen ist er nicht mehr als ich, aber ich bin höflich und freundlich indem ich ihn "erkenne". Muss ich mir erst Gedanken machen ob er es "verdient" befor ich respektvoll und freundlich bin?
Ist das Kyudo?
Liegt es im Ermessen des Einzelnen wer welchen Titel "verdient"? Ist das die Form im deutschen Kyudo oder in der Heki Schule? Im Budo gibt es nun mal eine Rangordnung wenn ich den Rang eines Schützen kenne sollte ich ihn dann nicht gebrauchen - rein aus Höflichkeit?
In Japan wäre das normal.
"Verdient" ein (ein nebenbei höher graduierter) John Bush weniger als ein Toshio Mori?
Und legen die Lehrer der Heki Schule z.B. in Jp keinen Wert auf Rang oder Manieren?
Latschen die Studenten von Tsukuba in Jeans durchs Dojo und winken dem Lehrer "servus Mori" zu? Ich weiss es nicht ich war nie da.

Die Japaner sehen uns vieles nach weil wir eben Gaijin sind aber sollte diese Art "Narrenfreiheit" als Grund gelten sich nicht einmal zu bemühen die Formen zu repektieren?
Ist es nicht einTeil des allgemeinen gegenseitugen Respektes und der Umsichtigkeit die wir ja auch üben sollen uns dafür zu interessieren wer um uns ist und unseren Mitschützen entsprechend höflich und aufmerksam entgegen zu treten?
Rangträger zu "erkennen" ist eine kleine nichtssagende Aufmerksamkeit (was der dann damit macht ist wieder was anderes).
Rang oder nicht, jeder "verdient" den gleichen Respekt aber im Budo gibt es nun mal eine Rangordnung und den Rang eines Schützen zu ignorieren ist rüde und entspricht nicht meinem Bild irgendeines Kyudoka - Heki oder sonst was.
Ich muss wieder mal fragen, hat Inagaki (.... Titel ggf bitte selbst einfügen) das so gelehrt?
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Toxophil » 14.05.2011, 07:55

Ich muss gestehen, dass ich es auch befremdlich finde, einen Europäer mit "Sensei" anzusprechen.
Wenn mich jemand so anreden würde (warum auch immer), würde ich das als Anbiederung empfinden.

In Japan gilt: Arzt, Professor, Lehrer oder ähnliches, dann kann man "Sensei" gebrauchen.
Wobei: Auch einem deutschen Professor sollte kein Zacken aus der Krone fallen, wenn man den Titel bei der Anrede weglässt.
Leute die Wert auf solche Dinge legen, grüße ich in der Regel nur einmal im Leben.

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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 09:35

Danke.
Es geht jetzt weniger darum ob wer drauf Wert legt so angesprochen zu werden.
Wenn ich jemanden nicht kenne dann benutze ich eine höfliche Form der Anrede.
Yabusame sprach von "Amassungen" und "zugestehen", ist es hier in Deutschland so dass es im Ermessen des Einzelnen liegt ob er jemandem einen Lehrertitel "zugesteht"? In Japan ist es anders wie Du ja auch sagst.
In Japan ist "sensei" einfach jemand der in diesem einen konkreten Zusammenhang (z.B. in Recht, Medizin, Schule,...) mehr weiss als ich. Sensei ist jeman von dem ich Rat suche.

Was der "Sensei" dann mit seinem Titel macht ist dann nochmal was ganz anderes.
Natürlich sagt der Titel nicht unbedingt etwas über die Quailtät der Lehrenden aus - auch wenn er es sollte - genau so wie der "Herr Doktor" kein guter Arzt sein muss. Darum geht es nicht wirklich.
Mir ging es eigentlich nicht darum wer meint wem was "zugestehen" zu dürfen - auch wenn ich es für eine "Anmassung" halte wenn ein Yabusame meint er sei berechtigt anderen Schützen ihre Titel an- oder abzuerkennen.

Die Frage war schlichtweg die, wenn ich z.B. an oder über Herrn Bush schreiben wollte in seiner Kapazität als Kyudo-Lehrer, schreibe ich dann Bush Sensei, Mr Bush oder einfach John?
Das war eigentlich der Punkt.
Prinzipiell ist es eh jedem wurscht das weiss ich schon aber mich hätte es nun mal interessiert ob es laut Dojo-Etiquette da konkrete Vorgaben gibt.
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Daemonday » 14.05.2011, 11:43

Da in den Anfängen der Budoszene in Europa ziemlich viel Mist behauptet wurde, oder Sachen einfach fehl interprtiert oder noch einfacher falsch übersetzt wurden ist die Antwort grundsätzlich einfach aber nur schwer zu ändern.

Sensei heist Meister, dabei ist aber nicht gemeint das man schon alles gemeistert hat, sondern lediglich das man einen Punkt erreicht hat selber unterrichten zu können und zu dürfen. Ähnlich eines Meisters im Handwerksbetrieb (einen Schmiedemeister oder Meisterbogenbauer nennt man auch Sensei).

Das von Kano geschaffene System von Dan und Kyu, welches sich in den meisten Gendai Budo (moderne Budodiziplienen wie Judo oder Kendo) aber auch in einige Koryu Bujutsu (alte Kriegskunstschulen) durchgesetzt hat, wurde in Europa falsch interpretiert. Dan heist nicht Meistergrad sondern nur Grad oder Stufe. Ursprünglich gab es in Kano´s System nur Dan Grade und er schuff die Kyu Grade um Anfänger besser einzuteilen.
Also ist man nach der ursprünglichen defination nicht mit dem 1. Dan Meister oder eben Sensei sondern mit dem erhalten einer Lehrlizens (Renshi, Kyoshi, Dojo cho, Shihan, Shidoshi usw.)

Stellt sich nur die Frage ob man als Nichtjapaner mit Sensei betitelt werden sollte.
Grundsätzlich muss man leider sagen das man es als Nichtjapaner leichter hat höher graduiert zu werden als als Japaner. Das trifft nicht auf jedes System zu, aber schaut man sich die breite Masse an Budodisziplinen an wird dies deutlich.
Aber es gibt auch außerhalb Japans fähige Lehrer die ihre Lehrlizens voll und ganz verdienen. Einige stehen ihren Japanischen kollegen in nichts nach, womit sie nur das Handicap haben nicht ständig in Japan, bei den Altmeistern, zu trainieren (wenn man denn nicht hinzieht) und das man sich in eine für sich ungewohnte Kultur und Sprache reinfuchsen muss.

Insofern finde ich es durchaus legitiem nichtjapanische Inhaber einer Lehrlizens mit Sensei anzureden. Ich finde nur auch das diese nicht auf diese Anrede bestehen sollten.

Lg
Micha

P.S.: wenn ich einen Lehrer mit persönlich kenne, Also perdu bin, rede ich ihn eigentlich nur noch mit seinem Vornamen an.
-Michael May-

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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von the_Toaster (✝) » 14.05.2011, 12:26

Für mich stellt sich da die Frage ob "Sensei" ein Ehrentitel oder ein Werktitel ist.

Ein Werktitel ist für mich sowas wie Krankenschwester, Lehrer, Schüler, Bogenbauer, Anwalt, Richter u.s.w.
Man hat den Titel, weil man es IST, weil es der Beruf ist, weil man gelernt hat was man tut oder auch nur weil man es (gut) tut.

Ein Ehrentitel bekommt man verliehen. Das ist in Deutschland der Dr. oder der Professor.
Wobei für mich das auch eher Werktitel sind. Immerhin sollten die Leute, die diese Titel tragen ihn mit Leistung untermauert haben und weiterhin untermauern, sich also auf ihren Loorbeeren nicht ausruhen.

Selbst Titel wie Kardinal oder Bischof sind für mich eher Berufsbezeichnungen, also Werktitel.

Für mich gibt es eigentlich nur EINEN echten Ehrentitel und das ist >Meister<
Das sind Leute, die etwas wirklich gut können, ihre Arbeit mit Hingabe tun, trotzdem irgendwie bescheiden sind und ihr Wissen, ohne großes Gewese darum zu machen, an andere weiter geben.

Mein Umgang damit:

Leute die einen Werktitel tragen rede ich im täglichen Umgang mit Herr oder Frau Sonundso an.
Ist ein Dr. in einer Arztpraxis der Chef (was meistens der Fall ist) dann nenne ich ihn mit Herr an und gegenüber seinen Mitarbeitern mit Boss oder Chef.
Kenne ich den Namen der Leute nicht, spreche ich sie mit ihrem Werktitel an. Kenne ich ihren Namen und kenne ich sie sogar persönlich, nenne ich sie bei ihrem Namen, was ich eindeutig bevorzuge. Und das wird dann, je nach Verhältnis zueinander, mit "Sie" oder "Du" verbunden.
Es kann allerdings vorkommen, dass ich die Titel Dr., Professor, Kardinal, Bischof oder auch "euer Ehren" in ihrem allgemein anerkannten Wortsinne gegenüber Leuten verwende, die meinen auf diesen Titel bestehen zu müssen. Das dann allerdings mit einer gewissen Betonung, die ihnen zeigt, dass ich das nicht besonders ernst nehme.
Wenn ich jemanden >Meister< nenne, dann habe ich ihm oder ihr diesen Titel regelrecht verliehen. Dann bin ich der Meinung, dass er oder sie das Recht hat diesen Titel zu tragen.

Wenn ich jetzt nun "Sensei" mit "Meister" gleich setze, dann ist hoffentlich klar wann ich dieses Wort benutzen würde. Aber "Sensei" brauche ich ja gar nicht zu benutzen, denn ich habe ja das Wort "Meister".

Soweit ich weiß bezeichnete Inagaki sich selbst als Schüler und Suchender. Und er hat es wohl immer abgelehnt als "Sensei" bezeichnet zu werden.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 14:56

Danke auch Dir. Sicht des Nicht-Kyudoka ist auch erhellend ;)

Japanische "Titel" sind oft bezugsbezogen - autsch was für ein Wort :-X
Das soll heissen der Sensei ist nicht unbedingt jedermann's Sensei. Er wird es wenn er eine Lehrerstellung einnimmt - so wie der ojisan (Onkel) nicht jedermann's Onkel ist sondern deiner...
Schon eher Arbeitstitel aber nicht wie Doktor etc.
"Meister" hat bei uns einen stark authortären Beigeschmack und deutet sowohl Herrschaftsansprüche als auch überragendes Können an, kommt daher nicht ganz hin denke ich.
Das ist das Problem mit Übersetzungen - hatten wir ja schon.
Ich verwende halt wenn ich es für angebracht halte den Japanischen Begriff - quasi wie ein Fachwort.
Hier kommt es fast nie vor, nur eben wenn ich Jp Lehrer nenne oder eben auch mal Europäer/Amerikaner die ich nicht kenne.

Meinetwegen kann jeder jeden nennen was er will, ich hatte eben z.B. Bush Sensei gewählt und hätte eigentlich erwartet dass das so stehen bleiben kann.
Yabusame hatt es aber für nötig befunden mich zurecht zu weisen da wollte ich doch mal hören ob auch andere meine Wortwahl anstössig fanden.
Ich würde mich natürlich auch freuen von Yabusame zu diesem Thema was zu hören. Wenn er mich schon belehrt dann würde ich mich schon freuen wenn er seinen Anspruch mir Vorschriften zu machen und anderen Schützen ihren Rang an- oder abzuerkennen auch begründet.
Wenn er dies nicht kann oder will dann reicht es mir auch wenn er meine Wortwahl in Zukunft mir überlässt.
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Markus
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Markus » 14.05.2011, 17:52

Meines Erachtens kannst Du jeden nennen, wie Du willst. Wie er selbst angesprochen werden möchte, steht auf einem anderen Blatt.
Ich halte es so, dass ich meine jap. ! Lehrer mit sensei anrede, alle anderen mit Namen (Vor- oder Nachnamen), da der "Titel" bzw. Namensanhang für einen Japaner zur Alltagssprache gehört, bei einem Europäer etc. dies m.E. aufgesetzt wirkt. Ein (guter) Lehrer kann er natürlich trotzdem sein.

In Japan ist der Titel "sensei" nicht geschützt und jeder, der etwas lehren kann wird von seinen Schülern als "sensei" angesprochen. Als Beispiel auch der Karaokeladenbesitzer (um die 60 Jahre alt) von seinen Gästen (zw. 60 und 80 Jahren alt). Eigene Erfahrung!

Höflichkeit ist das A und O einer Lehrer-Schüler-Beziehung. Sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben! Das hängt aber nicht unbedingt am Titel, sondern am Gebaren der Einzelnen.

Markus

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Kyujin
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Kyujin » 14.05.2011, 18:02

Innerhalb der deutschen Kyudoszene (ich rede hier vom DKyuB) hat sich ein sehr nüchterner Umgang mit japanischen Lehrertiteln etabliert, der individuelle Eitelkeiten eher bremst: Wie den kyūdōka hier bekannt sein dürfte, sind wir alle per du und Vornamen, egal welche Graduierung. Das entspricht den Gepflogenheiten in deutschen Sportvereinen generell, in denen auch gemessen an deutschen Höflichkeitsnormen ein eher legerer Ton herrscht. Ich kenne keinen deutschen Kyudotrainer, der sich bei der Anrede mit sensei nicht eher veräppelt als geehrt fühlen würde. Das bedeutet nicht, daß absolut keiner davon heimlich träumt, ich kann in keine Köpfe sehen, aber so ist der Standard.

Etwas anderes ist die Anrede (und Bezeichnung in der dritten Person), wenn es um unsere japanischen Lehrer geht: Hier halten wir uns an japanische Höflichkeitsregeln, die

1. besagen, daß man unter Erwachsenen (mit wenigen Ausnahme wie alten Jugendfreunden etc) im Standardfall san an den Familiennamen anhängt, was dann in etwa dem deutschen "Herr / Frau" entspricht.

2. Im Falle von "Personen mit einer ratgebenden / lehrenden Funktion aufgrund größerer Erfahrung und spezieller (evtl akademischer) Ausbildung", soll heißen Lehrern, Anwälten, Ärzten, Künstlern, Dirigenten etc. wird statt dieses neutral-höflichen san eben sensei verwendet. Das Wort ist also nicht spezifisch für Kampfkünste und es hat keine einfache deutsche Entsprechung, sondern kann nur kontextabhängig übersetzt werden. Da kann "Herr/Frau Lehrer", "Herr/Frau Doktor", "Maestro" und meinetwegen manchmal auch "Meister" richtig sein.

(Genau genommen ist die Wahl der Anrede nur ein Aspekt der komplexen japanischen Höflichkeitssprache, vgl zB. hier http://de.wikipedia.org/wiki/Japanische_Anrede und hier [url]http://de.wikipedia.org/wiki/Japanische_Höflichkeitssprache[/url] )

Darum gilt als Standard, daß alle japanischen Kyudolehrer mit "Familienname plus sensei" angesprochen und bezeichnet werden. Sollte jemand mit einem "unserer" Japaner auf so vertrautem Fuß stehen, daß das im privaten Gespräch unnötig ist, wird das dennoch kaum sichtbar werden, weil eben Japaner in öffentlichen Situationen auch unter Vertrauten eher formellere Anreden und Bezeichnungen wählen.

Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, einen Deutschen (oder Europäer), den ich entweder mit Vornamen oder mit Herr / Mr. XY (aber eben nicht mit -san) anreden würde, als Lehrer mit sensei zu titulieren. Mal ganz zu schweigen von den Deppen, die sich selbst als sensei bezeichnen.

(Markus war schneller und kürzer.)

Nachtrag: Ein ganz ausgezeichneter Text eines erzkonservativen kyūdōka aus der Ogasawara Ryū, der ungewohnt schonungslos auf die Gefahr der Eitelkeit im budō eingeht, liegt hier:
http://homepage.mac.com/aep/Seishinkan/Kyudo/KokoroNoYoi.html
Johannes Kolltveit Ibel
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shokunin
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 19:17

danke euch beiden.

wie gesagt ich habe noch keinen "Nicht-Japaner" getroffen der den Titl nicht sofort abgwunken oder ihn gar eingefodert hätte. In UK und besonders auch in USA scheint es aber durchaus Usus zu sein ihn anzuwenden.
Ich finde es auch etwas ,... naja,...komisch, so wie mich auch der Gebrauch dort von "yumi" und "ya" für Pfeil und Bogen ein wenig amüsiert. Klingt pretentiös irgendwie, als wollte man mehr draus machen als es ist - ein "ganz besonderer" Pfeil und Bogen. Aber wenn man es dort so halten will dann will ich das nicht ändern. Dann versuche ich halt höflich zu sein und mich anzupassen so wie wir es mit Japanern auch tun.
Persönlich lege ich weder auf Graduierungen noch auf Titel grossen Wert, im Zweifelsfall, wenn ich aber wie hier z.B. an jemanden gerate der sich bis zum 6. Dan Renshi "hochgerackert" hat dann nehme ich erst mal an dass ihm das was bedeutet und sage "sensei".
Bei Deutschen mache ich das nicht, das wäre (sogar) mir zu viel aber bei Japanern, Amerikanern, Engländern, Franzosen wenn ich mal welche treffe,... würde ich zunächst den Titel verwenden, besonders wenn ich öffentlich über sie spreche.

Ich finde den legeren Umgang in Deutschland auch sehr angenehm, ich muss aber dennoch feststellen dass auch hier im ach so kollegialen Deutschland die Missgunst und die Selbstherrlichkeit wirklich einen fruchtbaren Boden gefunden zu haben scheinen.
Per Du mag man schon sein aber verstehen tut man sich kaum und es erfreut den deutschen Durchschnittskyudoka doch nichts mehr als wenn er was an einem anderen zu bemängeln findet.
Wenn man sich die Streiterein anschaut die hier um Nichtigkeiten wie Rang, Shamen-Shomen, "wahre Hekis", wer Rang-Prüfungen macht und wer wie schiesst und weiss-der-Geier was noch alles auftreten dann fragt man sich schon ob es mit dem kollegialen legeren Deutschland wirkilch so weit her ist.
Es ist doch hier keiner fähig eine andere Meinung gelten zu lassen.
Da wird z.B gleich ein "Depp" aus einer Person gemacht der den Titel Sensei gebraucht. Aaron Blackwell, 7. Dan Kyoshi - offenbar ein Depp - lässt sich von ganz USA "Sensei" nennen. Gott sei Dank haben wir Deutschland, da sehen wir schon zu dass kein anderer meint er sei uns was wert.
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Squid (✝) » 14.05.2011, 19:50

Ich bewundere ja immer wieder die Fähigkeit von Deutschen (?) Europäern (?) bestimmten Forenmitgliedern (?), die sich durchaus interessanten, gar spannenden fremdländischen Dingen widmen, sich völlig an der Sache vorbei selbst zu zerfleischen und aus Kleinigketen eine Lebensaufgabe bis hin zum Kreuzzugsgrund zu machen. Konvertiten kämpfen immer am härtesten...

Irgendwie scheint mir die Lösung völlig logisch. Wenn ich in "meinem" Verein bin, dann gibt es da eine gewisse Umgangsform die sich im Rahmen der Kleingruppe entwickelt hat. Ob es nun
- Ja Meister
- Nein Trainer
- Warum Sensei
- Ne, nich gut, Kurt
oder
- Ich versuchs mal, Herr Schulz
heisst, ist doch völlig Banane. Das ist Sache der Gruppe.

Aber wenn es darum geht, jemanden anzuschreiben, den man nicht kennt - und ich meine, dass das die Frage im Ausgangsposting war - kann es doch nur nach den (inter-)national üblichen Höflichkeitsregeln gehen. Und da heisst es eben bei uns "Sehr geehrter Herr (offizieller Titel wie Dr. oder Pfrof.) XY". Bei Amis und Tommys benutzt man soviel ich weiß "Dear Lady" oder "Dear Sir". Alles andere wirkt irritierend und aufgesetzt.
Der geneigte Empfänger wird auch Missverständnisse in der Anrede immer mit der Fremdsprachlichkeit des Schreibers entschuldigen, wenn er an der Sache an sich interessiert ist.



Ach ja: Was mich dabei nicht interessieren würde, ist die Tatsache, dass viele Japaner - das wurde oben so dargestellt - uns Gaijins wegen unserer Primitivität vieles verzeihen. Zumindest wäre das im individuellen bzw. persönlichen Bereich eine massive Frechhheit.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass die Mehrzahl der Japaner einen übersteigerten egozentrierten Nationalismus vertrtritt, so dass unsereins da nur staunend schweigen kann um keinen echten Faux-Pas zu begehen. Aber vielleicht ist dieses egozentrische Weltbild das, was die Japaner und übrigen Asiaten für Europäer und Amis manchmal so interessant macht.
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 14.05.2011, 20:30, insgesamt 1-mal geändert.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 20:17

Super Squid ;D
ich hatte mich schon gefragt wie lange es dauert bis Du zuschlägst. ;)
Auf Dich kann man sich halt noch verlassen.
Du hast ganz recht, wenn wir Kyudo-Leut' sonst auch nix können im Kniebohren sind wir all Meister, Senseis, Lords und Ladies zugleich. :o

Was den "besonderen" Nationalstolz der Japaner angeht gebe ich dir recht - Inselmentalität halt... und mit einen sehr ausgeprägten Bedürfniss nach Sicherheit. Der Gaijin (bes. der asiatische, mehr noch als der europäische) ist den Japanern gar nicht geheuer.
Ich hatte eine gute Freundin aus Japan hier bis vor ein paar Tagen und und konnte in ihr eine sehr markante Änderung feststellen. Fast wörtlich sagte sie mir "...ich war einmal stolz auf mein Land..." Die Nuklear-Katatophe (mehr als der Tsunami) hat ihren Glauben an die gesamte japanische Nation in den Grundfesten erschüttert.
Sehr sehr traurig aber auch interessant. Die Japaner meinten wirklich sie hatten eine "überlegene" Nation, Kultur,...
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Kyujin » 14.05.2011, 21:15

shokunin hat geschrieben:Es ist doch hier keiner fähig eine andere Meinung gelten zu lassen.
Da wird z.B gleich ein "Depp" aus einer Person gemacht der den Titel Sensei gebraucht. Aaron Blackwell, 7. Dan Kyoshi - offenbar ein Depp - lässt sich von ganz USA "Sensei" nennen. Gott sei Dank haben wir Deutschland, da sehen wir schon zu dass kein anderer meint er sei uns was wert.


Ganz langsam. Genau lesen:

Als Deppen habe ich diejenigen bezeicnet, die sich selbst als sensei bezeichnen - das ist etwas ganz anderes, aber in der Kampfsportwelt nicht selten. Schon mit minimalen Sprachkenntnissen kann man wissen, daß dieser Sprachgebrauch völliges Unverständnis eben jener kulturellen Aspekte beweist, auf die solche Selbstbeweihräucherung Anspruch erhebt.

Daß der Asiate allgemein nicht schmutzt, wissen wir seit Polt. Ob das Backen von Allgemeinplätzchen dem Verständnis wirklich nützt oder auch nur die Realität abbildet, sei dahingestellt. Ich kenne jedenfalls unsere japanischen Lehrer als wirklich höfliche und (zumal im Verhältnis zur Kompetenz) geradezu bescheidene Menschen mit reflektierten Positionen und reichlich Erfahrung im interkulturellen Dialog. Dümmlicher Nationalismus findet sich nun wirklich allüberall.

So nebenbei: Ich lebe nicht in Deutschland.
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von shokunin » 14.05.2011, 23:09

Ok, verstanden.
Ich war etwas schroff - entschuldige bitte.
Ich hatte Dich wohl missverstanden.
Ich würde Dir zustimmen dass es jemandem der sich selbst "sensei" nennt an Verständnis mangelt, das hatten wir ja schon - der Titel ist beziehungs-spezifisch, nicht wie "Doktor" - man ist nicht sensei sondern jemandes Sensei...
Wortwahl wäre evtl anders ausgefallen aber ich stimme Dir da schon zu.
Ich dachte Du sprichst von Leuten die erwarten dass man sie mit dem Titel anspricht.
Da gehört z.B Blackwell Sensei, ich nenne ihn nun einfach mal so, anscheinend dazu. Er wird in USA fast ausnahmslos so genannt, Ich schliesse daraus dass er sich nicht dagegen verwehrt, es vielleich sogar erwartet. Es scheint in USA einfach Usus zu sein für alles die Jp Begriffe zu verwenden und wenn ich über Mr Blackwell spreche würde ich mich generell der gängigen Form anpassen wie in Jp auch.
Wie dem auch sei...
nichts für ungut :-[
Ich hatte Dich da in den faschen Hals bekommen.

Zum zweiten Punkt Deines Posts... naja,... ich kenne unsere japanischen Lehrer auch ein Bischen und empfinde sie auch als sehr angenehme Menschen.
Was Polt und Allgeimplätzchen angeht... mein Kommentar an Squid war ein kurzes off-topic Nebenbei. Wenn Du möchtest können wir das gerne mal ausdehnen dann kannst Du wieder die Geschichte von den "meisten Japanern" erzählen die ihre eigene kultur nicht kennen weil Du mal wen getroffen hast der den Yumi nicht kannte. Dann können wir da ja mal jedes Wort aus die Goldwaage legen.
So viel zu "Allgemeinplätzchen"....
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Kyujin » 15.05.2011, 00:16

shokunin hat geschrieben:Ok, verstanden.
Was Polt und Allgeimplätzchen angeht... mein Kommentar an Squid war ein kurzes off-topic Nebenbei. Wenn Du möchtest können wir das gerne mal ausdehnen dann kannst Du wieder die Geschichte von den "meisten Japanern" erzählen die ihre eigene kultur nicht kennen weil Du mal wen getroffen hast der den Yumi nicht kannte. Dann können wir da ja mal jedes Wort aus die Goldwaage legen.
So viel zu "Allgemeinplätzchen"....


Gerne. Kontext hilft:

Kyūdō ist eine winzige Nische der japanischen Kultur und in der Tat für die "meisten Japaner" eher fremd. Von privaten Anekdoten ganz abgesehen sagen die offiziellen Zahlen, daß etwa ein Promille der Bevölkerung kyūdō betreibt, das schließt den Schul- und Universitätssport mit seinem eher vorübergehenden Engagement ein. Nicht gerade ein Massensport also. Daß Japaner sich für diese spezielle, konservative Ecke ihrer Kultur generell nicht besonders interessieren, ist also schlichte Tatsache.

Erstaunlich ist das kaum. Welcher Deutsche (oder Europäer) spielt schon Renaissancemusik (mein Lieblingsbeispiel, weil die Heki Ryū aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammt, Zeitgenosse von Heki Danjo war zum Beispiel Adam von Fulda) - oder spielt überhaupt ein klassisches Musikinstrument? Wer hört überhaupt nur "Bach, Brahms und Beethoven"? Wer liest noch Heine, Mann oder Tucholsky, Jakob Böhme gar? Ganz ohne in elitäres oder kulturpessisimistisches Pathos zu verfallen, kann man getrost konstatieren, daß auch das Nischenkulturen darstellen, selbst wenn sie in der Außenansicht "deutsche Kultur" definieren.

WIr sind salopp gesagt die Japaner, die europäischen Volkstanz betreiben - und in dieser doppelten kulturellen Nische sollte man sich zurechtfinden können.
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Re: sensei? - japanische Titel im deutschen Kyudo

Beitrag von Markus » 15.05.2011, 08:00

Ein interessanter Disput und sehr lehrreich. In vielfacher Hinsicht ...

Bitte benehmt Euch, werft nur mit Argumenten und Tatsachen und bleibt emotional bitte auf dem Boden.
Und noch eine Bitte: versucht doch mal selbiges beim Schreiben wie beim Schießen - steigert die Effizienz der Beiträge. Knapp, sachlich, klar. Eine sehr schwierige Aufgabe, ich weiß.

Markus

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