Pfeillänge bei den Skythen?

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Nacanina
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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Nacanina » 29.10.2022, 22:12

Neumi hat geschrieben:
28.10.2022, 21:11
...

Die gefundenen kleinen Bogen waren übrigens Horn gebaut (bei den ukrainischen Funden).

https://www.academia.edu/resource/work/32764947

Grüße - Neumi
Danke noch mal für den Link.
Über Bögen habe ich jetzt nichts gefunden, aber die in den Toten gefundenen Pfeilspitzen sprechen eine eindeutige Sprache.
Wenn ich das richtig verstanden habe, gab es bei den Skythen vom 6.-5.Jhd. zum 4. Jhd. eine starke Bevörkerungszunahme.
Die führte dann zu verstärkten Konflikten um Wasser und Weidegründe entweder innerhalb der Clans oder innerhalb der Stämme.
Zu der Zeit waren sie also anscheinend mit sich selbst beschäftigt und lernten auf die harte Tour entweder Veteidigen/Angreifen oder Untergehen. Dazu kamen noch Konflikte mit den Eliten, die andere, griechische Weltsicht und Angewohnheiten angenommen hatte. Das ging in den rigiden Gesellschaften wohl häufig letal aus.
Interessant für unser Thema ist folgender Satz aus der o. z. Arbeit:

". The wounds inflicted by arrows were quite serious ones and evidently proved fatal in most cases.53 This testifies not merely to the considerable lethal force of bows, but also to the likelihood that the archer would shoot at his enemy when the latter was off his guard and bereft of defensive weapons at the moment of the military encounter"

Klar, die waren in Übung. Also es sind eine rel. große Anzahl der Bestatteten, auch Frauen, mit oder an Pfeilwunden gestorben.
Auf S. 123 des textes bzw. S. 27 des PDF ist übrigens 2x ein Skythe mit super kleinen Bogen zu sehen. (Fig. 7).

Grüße

Nacanina

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Nacanina
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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Nacanina » 29.10.2022, 22:52

Hieronymus hat geschrieben:
29.10.2022, 12:14
Nein gehe ich nicht.... 130 war einer der langen Bögen

... aber auch ein Bogen mit 120 und 110 oder 1m würden eher mit 22'' oder 24'' oder 26'' geschossen werden. mit 75cm NtN ist für mich eher ein Weitschußbogen oder Trainingsbögen für Knaben. Wir wissen doch alle, dass schwere Pfeile eine größere Durchschlagskraft haben...warum sollte man das Pfeilgewicht so herab setzten....warum sollte man sich so einen Aufwand betreiben einen Bogen zu bauen, die einen ruhigen Schussablauf gewähren, wenn ich mit 17'' Pfeilen( und sogar mit 4-5mm Tüllenversehen waren...siehe Durchschlagskraft) keinen reproduzierbaren Schussablauf bekommen kann, da man keinerlei Ankerpunkt hat.... warum sollte man so ein Aufwand beim Bauen hinnehmen, wenn man die Vorteile einen solchen Design nicht ausnutzt... Das sind alle Fragen die sich mir stellen, die mir keiner beantworten kann.
Deflexe Bögen brauchen einen längeren Auszug, um auf die gleiche Leistung zu kommen wie ein Bogen ohne Deflex bei gleicher Länge.
Bei den Native American, die teilweise auch sehr kurze Bögen schossen, sind trotzdem keine der Pfeile so kurz, also 17-18''.
Dann fragt euch mal, warum das so ist....


LG Markus
Schwere Pfeile braucht man v. A. wenn man gegen gerüstete Gegner kämpfen muss. Ich gehe erst mal davon aus, dass es sich bei den normalen Skythen um leichte Reiterei ohne großartig wirksamen Schutz handelt. Die Eliten hatte jedoch Lamellenpanzer und ihre Hauptwaffe war die Lanze. Also schwere Reiterei.
Ankerpunkt? Weder die Plainindianer hatten einen, noch ist das für die Skythen von Relevanz. Für mich übrigens auch nicht. Ich komme auch so ganz gut zurecht. Es ist ja gerade das Wesen eines berittenen Bogenschützen, dass er an sein Ziel heranreiten kann.
Bei den Plains Indianern wurden sehr kurze Bögen mit sehr kurzen Pfeilen geschossen (20-22").
Warum das so ist? Weil sie vor allem schnell und auf kurze Entfernung akkurat schießen mußten. Vgl. dazu: Hamilton: Native american Bows.
Kann man also schon vergleichen. Und niemand hat davon geschrieben, dass alle Pfeile der Skythen 18" haben müssen. Es sind solche gefunden worden, aber auch welche mit 23-24".

Grüße

Nacanina

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von fatz » 29.10.2022, 23:26

Schwere Pfeile brauchst du nicht nur bei Ruestungen. Ich erinnere mich grad an Sannes kleines Gambesonstueck in Kolbingen. Das bissl Zeltleinen war erstaunlich resistent gegen die dicken Duebel, die wir da draufgesemmelt haben. Sanne mit einem 70Pfuender und ich mit einem 90er. Neumis Bogen weiss ich grad nimmer, war aber staerker als meiner. Wenn du jetzt mit Schaschlikspiessen schiesst, langt ein Lederwams....

Und lass diese verdammten Vollzitate. Das traegt nicht grad zur Lesbarkeit bei
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Nacanina » 30.10.2022, 08:04

Ich übersetze für dich noch mal das Zitat von oben:

"Die durch Pfeile zugefügten Wunden waren ziemlich schwerwiegend und erwiesen sich in den meisten Fällen als tödlich. Dies zeugt nicht nur von der beträchtlichen tödlichen Kraft von Bögen, sondern auch von der Wahrscheinlichkeit, dass der Bogenschütze auf seinen Feind schoss, wenn dieser unvorbereitet war und ohne Verteidigungswaffen im Moment der militärischen Begegnung" war.

Die Toten in den Gräbern beweisen halt, dass es auch ohne lange Dübel ging, einen Menschen ins Jenseits zu befördern.

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von fatz » 30.10.2022, 08:14

Mag sein, dass eine groebere Wunde oft toedlich war (wobei da heute glaub ich viel durch die Brille der modernen Medizin gesehen wird), nur wenn deine Minipfeile keine verursachen koennen, ist das belanglos
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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Anasazi » 30.10.2022, 09:56

Das Eindringen hat viel mit der Spitze zu tun...

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von fatz » 30.10.2022, 12:15

Ach sag Sachen! Keine Angst, wir hatten da keine Scheibenspitzen drauf
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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Neumi » 30.10.2022, 19:01

Neumi hat geschrieben:
28.10.2022, 21:11
Die gefundenen kleinen Bogen waren übrigens Horn gebaut (bei den ukrainischen Funden).
Hier habe ich das OHNE vergessen. Die Bogen waren wohl OHNE Horn gebaut.
Allerdings ist vor allem bei dem mit Maßen beschriebenen Bogen Vorsicht angesagt. Zum einen wird Eiche als Bogenholz herangezogen, was ziemlich sicher falsch ist und zum anderen scheinen Teile zu fehlen. Die Wickellage um den Bogen würd ich auch eher für Rinde und nicht für Sehnen halten. Aber am Rücken scheint es eine Sehnenlage zu geben und möglicherweise war die Bauchlage doch aus Horn. Man kann natürlich nicht zu 100% ausschliessen dass dieser Bogen extra als Grabbeigabe und kleiner als üblich gebaut wurd, halte ich persönlich aber für höchst unwahrscheinlich.
fatz hat geschrieben:
29.10.2022, 23:26
Sannes kleines Gambesonstueck in Kolbingen. Das bissl Zeltleinen war erstaunlich resistent gegen die dicken Duebel...
Das war ein schwerer, sehr dicht gewebter Stoff (600 g/m²) und das mit 4 Lagen. Das schützt nach meiner Meinung deutlich besser als z.B. ein Lederwams, außer das Leder ist gehärtet.
Mein Bogen hatte übrigens nur ca. 75#@30" aber man hat schön gesehen, dass die etwas dünneren Spitzen von meinen Pfeilen tiefer im Material waren.

Pygmäen benutzen übrigens sehr kurze Flitschen mit Pfeilen 30-60 cm, allerdings auch Gift. Nur mal nebenbei erwähnt.

Die Historie der Pfeilspitzen vom 7.-4. Jahrhundert in der Ukraine zeigen eine Abnahme der Spitzengrößen und somit auch der Spitzengewichte. Warum sollte man als Steppenvolk Bogen und Pfeile kürzer und dünner machen? Damit man bei den knappen Resourcen mehr davon hat und mehr Pfeile in den Köchern unterbringen kann. Möglicherweise waren deswegen die meisten Funde ohne Federn, damit 50, 100 oder sogar 200 Pfeile in einen Köcher passen. Man kann natürlich auch sagen, das die Pfeile ohne Federn waren, weil man sich die Arbeit und die Federn für eine Grabbeigabe sparen wollte. Glaub ich nicht dran.

Grüße - Neumi
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von kra » 30.10.2022, 19:33

Nacanina hat geschrieben:
28.10.2022, 17:21
...
Finde den Fehler.
Also entweder brauchten sie viele Steinböcke für ihre Bögen, dann waren die auch stark bejagt.
Oder sie hatten andere Ressourcen.
Außerdem sind Steinböcke eben sehr gute Kletterer. Das hat schon seinen Grund.

Die vielen Bögen wurden ja anscheinend mit ins Grab gegeben, auch wenn sie in den seltensten Fällen erhalten sind.
Ich denke, das passt nur für Stämme außerhalb des originären Steppenverbreitungsgebietes, die dann auch nicht zwingend Skythen sein mussten.
Einen Fehler habe ich in meiner Argumentation leider nicht gefunden und auch du hast mich da nicht weiter gebracht...

Das originäre Verbreitungsgebiet der Skythen war (über die Jahrhunderte hinweg gesehen) von der Region des Altais (also der Westen der heutigen Mongolei) bis an die Grenze des Griechischen, also "ziemlich weit" mit sehr viel Gebirge dazwischen (s. Diercke Weltatlas). Die ausgegrabenen Kugane waren höchstwahrscheinlich den Fürsten vorbehalten, über "normale" Krieger weiß man eher aus Gräbern, die unterwegs für Verstorbene auf den Feldzügen angelegt wurden und die sich in ariden Gebieten erhalten haben. Das in beiden Fällen die Waffen beigelegt wurden versteht sich wohl von selber. Im einen Fall als Zeichen der Macht und des Reichtums, im anderen Fall als Teil der persönlichen Ausrüstung.
Ob das aber für die normalen Reiter ebenso galt? Ich zumindest habe eher Zweifel und maße mir deshalb nur Vermutungen an.
Wer zudem "DIE SKYTHEN" waren ist auch nicht sauber definiert. Imho scheint die Einordnungen auf den Zeitpunkt des Begräbnisses, die kulturelle Einordnung der Fundlage und der Grabbeigaben sowie den Schilderungen der benachbarten griechischen Völker zu beruhen. Das Ganze für einen Raum von vielen 1000 km^2, verschiedenen geographischen und klimatischen Regionen und einigen Jahrhunderten und dann die Frage nach DER Länge DER Skythischen Pfeile?

Was aber sicher ist ist das die Wilddichte damals deutlich höher war als heute, und selbst heute findet man auf sehr vielen der Ovos in der Mongolei Hörner vom Steinbock als Opfergaben, und die Verfügbarkeit von Horn wohl gegeben war.
Umgekehrt stellt sich die Frage, was denn sonst für die Bögen als Baumaterial verwendet worden wäre? Das die Bögen eher kurz waren scheint gesichert. Das in den semiariden Steppenregionen (und bei den dort herrschenden Temperaturen) gutes Bogenholz Mangelware war sollte auf der Hand liegen. Und, sehr gutes Holz wäre für kurze Bögen zwingend. Für längere Bögen wäre das Problem auch nicht viel geringer, weil man dann bogentaugliches Holz in deutlich längeren Dimensionen benötigt hätte. Zudem verstärkt die nomadische Lebensweise und der Gebrauch vom Pferd aus den Hang zu kurzen Bögen. Und kurze sehnenbelegte Holzbögen ohne Horn auf dem Bauch sind auch heute nicht mit vielen Holzarten möglich.
Somit führt kaum ein Weg an Horn/Sehne Komposits vorbei, vor allem auch da diese Bauform sich für den Einsatz in semiaridem Klima hervorragend eignet. Reine Holzbögen (abgesehen von den oben geschilderten Randbedingungen) müssen in semiaridem oder aridem Klima, zudem bei Temperaturen zwischen +40° und -40°deutlich auf Sicherheit gebaut sein.
Nächste Frage wäre, welches horntragende Wild damals zur Verfügung stand. Wasserbüffelhorn (wie wir heute verwenden) mußte über sehr weite Strecken importiert werden. Sicher geschah das auch immer wieder (auch Dels aus Seide sind überliefert), aber auch dann stellt sich das Problem der Verfügbarkeit für zehntausende von Bögen mit denen nach deinen Worten die Reiterheere ausgerüstet gewesen sein sollten. Ein anderes Tier mit Hörnern in tauglichen Dimensionen wäre das Wild-Schaf (gleiche Fragestellung zur Verfügbarkeit...) und sonst evtl. noch die Steppengazellen in den ariden Randgebieten der Gobi, aber sonst....? Und der Bau mit den Hörnern der Wildschafe wäre deutlich aufwendiger. Das einzige Tier mit verwendbarem Horn das mir als ubiquitär für die Region zwischen Altai und deem griechischen Reich einfällt ist der Steinbock.

Wenn ich mal zusammenfasse (und ich hoffe ich mache da nicht wieder einen angeblichen Fehler) bleiben für mich nur diese Schlüsse:
1. das die Reiterheere nicht "ausgerüstet" werden mußten, weil jeder Reiter seine eigenen Waffen wie auch Pferde und sonstige Ausrüstung mitbrachte. Ist auch logisch - jeder kriegstaugliche Nomade war zugleich auch für den Schutz seiner Herden zuständig und auch Jäger. Und der Bogen waren seine tägliche Fernwaffe (wenn benötigt). Eine zentrale "Ausrüstung" eines Heeres hat zu viele Randbedingungen die in der Steppenregion, der Kultur und der Zeit sich nicht abdecken ließen.
2. Es führt wenig an Horn/Sehne Kompositbögen, wenn man in der Region eine effektive und dauerhaft Fernwaffe benötigte, vorbei
3. Es wurden eben nicht alle Bögen mit dem Besitzer begraben (hey, so ein Bogen war ein enormer Wert in der Steppe!).

Was mir (u.a.) noch aufgefallen ist, ist das niemand auf die Köcher als eines der längenbestimmenden Elemente für die Pfeile hingewiesen hat... Und auch da gibt es Funde.

Aber es scheinen sich doch alle einig zu sein, das die Länge der Pfeile zwischen <18 und >>24" lag, je nach Fundstätte, Zeit, Region usw.? Längen die auch von anderen Völkern belegt sind, die mit dem Bogen vom Pferde gejagt haben.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Nacanina » 30.10.2022, 22:16

Moin Kra,

da sind wir uns ja in vielen Details schon einig.
Z. B.: dass die Pfeillänge zwischen 18 u 24" und darüber hinaus lag.
Oder, dass es durch die großen Zeiträume und weiten Räume große Variation gegeben hat.

Aber dass die Wilddichte damals höher war weißt du woher?
Im Steppengebiet des 5. und 4. Jahrhunderts gab es ja wegen Überbevölkerung starke interne und externe Konflikte. Ob da neben Weidevieh noch viel Platz für Wildtiere war, kann man auch bezweifeln.

Zu deiner Zusammenfassung:
2. natürlich. Niemand bestreitet, dass es mindestens Holz/Sehne aber vermutlich doch Sehne Holz Horn Bögen gewesen sein müssen.

1. zentral war die Ausrüstung sicher nicht organisiert. Volle Zustimmung. Aber der Bogen mußte für die viele Krieger irgendwo herkommen. Er wurde als gebaut. Und wenn wir uns große Mengen der Bögen als Kompositbögen vorstellen, dann müssen sie auch Horn zur verfügung gehabt haben. Für die Gebirgsgegenden (China) ist ja Steinbock nachgewiesen. Aber du hast bei deiner Aufzählung von Hornträgern glatt die domestizierten Hornträger vergessen. Rinder, Schafe und Ziegen haben Hörner und vielleicht (Spekulation!) könnte das auch der Grund sein, warum Bögen tw. so sehr kurz waren. Ev. hatten sie einfach kein besseres langes Horn.

3. das ist jetzt Spekulation von dir. In praktisch jedem einzelnen Grab sind Pfeilspitzen ausgegraben worden. Auch mit Goryte oder ohne aber mit Pfeilspitzen in Situ, dass man davon ausgehen kann, dass sie in einem nicht erhaltenen Köcher steckten.
Also Pfeile da, Köcher da und die wichtigste Waffe des Kriegers nicht? Kaum glaubhaft. Dass sie nicht erhalten sind liegt wohl daran, dass sie nicht aus Metall waren. Goryte sind ja auch nur dann gut erhalten, wenn sie Beschlagteile aus Metall hatten.

Über Köcher ist schon geschrieben worden. Die passen auf den Bildern gut zu den kleinen Bögen und kurzen Pfeilen.
Der große Gold Goryt aus dem Melitopol Kurgan aus dem 4. Jahrhundert hatte die Maße: 470 x 250mm. Also für kurzen Bogen und kurze Pfeile. Andere Maße habe ich jetzt auf die Schnelle nicht gefunden.

Grüße

Nacanina

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von schnabelkanne » 31.10.2022, 08:56

Servus, ich lese hier interessiert mit.
Was mich verwundert ist?
Gibt es keine Funde von ganzen Pfeilen und Bögen aus diesem großen Gebiet und Zeitraum?

Der Archäologe H. Parzinger hat doch einige in Eis konservierte Gräber der „Skythen“ geborgen, da müsste doch etwas erhalten geblieben sein und es ist doch wesentlich näher her als der Ötzi und Eis konserviert ja.

Lg Thomas
The proof of the pudding is in the eating!

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Hieronymus » 31.10.2022, 10:38

Zum Thema Holzmangel in der Steppe:

In der Steppe gibt es wenig Holz, da sind wir uns einig. Wenn ich aber einen Holzmangel habe, dann würde ich eher gutes Bogenholz importieren, als Holz zum Feuer machen was ich täglich brauche. Viele Pfeile die gefunden wurden widersprechen auch dem Holzmangel. Schaut man in die Nachbarschaft zu den Mongolen, die auch ein Steppenvolk sind, sieht man trotz Holzmangel einen längeren Kompositbogen, die dort bis heute Bögen in Bogenbauerfamilien gebaut und so denke ich, wurde es bei den Skythen auch gemacht. Nach meinem Gefühl waren an der Schwarzmeerküste die Bogenbauerfamilien ansässig und konnten dort importiertes Holz und Horn nutzen. Das kling für mich viel logischer...., zumal schon Wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass es früher einen regen Welthandel gab! Die Bogenfunde die gemacht wurden, weisen alle sehr eine ähnliche Bauweise hin, sodass ich großflächiges Selbstbauen der Einzelpersonen ausschließe .

Zum Thema Pfeile ohne Befiederung:

Ich glaube nicht, dass man Pfeile für den Krieg und Jagd ohne Befiederung genutzt hat. Vielleicht wurden sie ohne Befiederung transportiert um Platz zu sparen oder es wurden Pfeile für das Training ohne Befiederung genutzt. Warum glaube ich das, weil die gegossenen Bronzespitzen nicht gerade leicht waren. Ohne Befiederung sind die Pfeile sehr viel Kopflastiger als mit , was die Flugbahn erheblich verkürzt. Beim Krieg oder bei der Jagd geht alles sehr schnell und man achtet nicht immer auf einen sauberen Ablass, was mich auch annehmen lässt, dass die Pfeil befiedert waren.

Zum Thema Hornmangel:

Wenn die Skythen ein Mangel an Horn gehabt hätten, dann würden sie nicht noch zusätzlich Horn in dir Mitte des Holzkerns verbauen. Keiner kann dir sagen, was für einen Sinn es hatte dies zu tun und sie taten es trotzdem. Wenn ich wenig Horn zur Verfügung habe, dann spare ich mir es. Mein Skythe hat kein zusätzliches Horn im Kern und er funktioniert trotzdem sehr gut!
Auch das Horn wurde importiert und gehandelt, bzw. am Schwarzmeerregion wurden vermutlich genug Tier geschlachtet , sodass man auf das Horn zurück greifen konnte!

Zum Thema sehr kurze Pygmäen Bögen:

@Neumi die Bögen waren kurz das ist richtig, aber schau dir mal die Bilder an.... die meisten Bögen schätze ich nicht unter einem 1m ein. Die Bögen waren im Verhältnis zur Körpergröße eher lang und die Pfeile waren auch länger als benötigt. Urwaldvölker oder Völker in Afrika haben meist so 5-6 Pfeile in der Hand und nicht in einem Köcher. Einem zum Fische jagen, eine zum Vögel jagen usw. Der Vergleich hinkt also...

Zum Thema Amarican Natives:

Die hatten zum Teil sehr kurze Bögen, aber keiner der Bögen war deflex... und keiner mir bekannten Bögen war unter 1m und die Pfeile waren im Verhältnis zum Bogen eher länger als gebraucht und schwer, also keine dünnen leichten Pfeilen.... Die Standhöhe war auch geringer, als bei den Skythen...

Zum Thema Ankerpunkt:

Was ich damit meinte... wenn man einen 45cm Pfeil mit sagen wir 50-60#, was für Kriegsbogen nicht sehr viel ist, als erwachsener Mensch(auch wenn die Skythen kleiner waren) auszieht, dann ist das auf Dauer sehr unangenehm für die Muskulatur und Gelenke. Kannst du gerne mal selbst testen. Auf dem Pferd wird so eine Zug Hand, die vor dem Gesicht auf voll Auszug ist und nirgendwo angelehnt werden kann, viel unpräziser im Schuss, weil sie hin und her wackelt. Wenn du die Hand am Gesicht anlehnen kannst ist sie ruhiger und präziser....


Ich sage ja nicht das es bei den Skythen keine kurze Bögen gegeben hat und auch Pfeile mit 18'', sondern ich bezweifele das sie im Krieg oder bei der Jagd eingesetzt wurden. Man darf erkennen , dass der steife Mittelteil des Skythen Bogen, also Griff und die beiden Kurven so ca. 30-35cm betrug( sonst wird der radius zu klein) oder die Bogen lässt sich sehr schlecht greifen. Dazu kommen die Steifen Bogenenden, die auch nochmal15-20cm der Biegefähigkeit nehmen, sodass die Größe der Bögen, die zu einer erwachsenen Hand passen limitiert ist.
Man sollte sich nicht so viel auf die Archäologen hören, die Bogenfunde zwar sehr gut bergen können, aber keine Ahnung haben wie man so was baut oder schießt. Also stellen sie Theorien, auf Grund ihrer Erfahrungen, die sehr stark variieren können. Zudem werden wissenschaftliche Erkenntnisse oft nicht mehr korrigiert, wenn festgestellt wurde das sie falsch sind. Z.B. Kolumbus gilt immer noch als erster Europäer und Entdecker von Amerika, was aber schon lange durch die Wissenschaft selbst widerlegt wurde. Die Wikinger und viele andere Völker waren bereits 1000sende von Jahren vor ihm auf dem Kontinent und haben sogar Handel betrieben und trotzdem steht immer noch in den Lehrbücher unsere Kinder.... Man sollte sich selbst ein Bilder machen und alles hinterfragen, auch wenn es aus der Wissenschaft kommt.
Ich will damit auch nicht sagen, dass ich alles weiß...., sondern ich habe schon sehr viel Bögen und Bogentypen gebaut und herum experimentiert und habe sehr viele Hornkomposit Bögen gebaut und schieße selbst 100'# mit dem Daumen. Durch diese Erfahrungen kann ich schon sehr gut einschätzen was geht und was nicht. Aber wie gesagt ich kann man auch irren, man weiß nie was sie früher für Techniken hatten und vieles aus früher Zeit ist für uns heute nicht mehr erklärbar und bleibt im Dunkeln.

LG Markus
«Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, daß das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.»
Salvador Dalí

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Neumi » 31.10.2022, 13:44

Hieronymus hat geschrieben:
31.10.2022, 10:38
:die Bögen waren kurz das ist richtig, aber schau dir mal die Bilder an...
Schau dir das Bild an, der Mann ist nicht größer als 150 cm. Der Bogen ist winzig und bei der Bogenform nur mit einem kurzen Auszug benutzbar, hat höchstens 70 cm, eher noch weniger.
20221031_133731.jpg
Quelle: "Pfeile der Welt", Hendrik Wiethase
Hieronymus hat geschrieben:
31.10.2022, 10:38
Zum Thema Holzmangel in der Steppe:
Krummes Holz, maximal zum anheizen. Ansonsten wird Tierdung zum beheizen der Ofen verwendet. Für Pfeile braucht man aber einigermaßen gerades Holz. Wenn man die relativ langen Mongolischen Bogen anschaut, darf man nicht vergessen, dass die Einzelteile relativ kurz sind. D.h. man kann trotz der Bogengröße Sträucher und kleine Bäume wie Saxaul zum bauen verwenden. Außerdem gibt es zumindest heute im Süden der Mongolei große Bestände an Saxaul.
Hieronymus hat geschrieben:
31.10.2022, 10:38
Zum Thema Pfeile ohne Befiederung: weil die gegossenen Bronzespitzen nicht gerade leicht waren.
Im Gegenteil, die Spitzen waren sogar ganz besonders leicht, im Schnitt ca. 2,5 g aber auch noch leichter (auch schwerer). Federlose Pfeile ist auch eher Spekulation (die wurden zwar so gefunden, kann aber tatsächlich sein, dass es reine Transportköcher waren. Es gibt aber einen Köcherfund bei dem alle Pfeile ohne Anzeichen einer Befiederung sind, bis auf einen einzelnen Pfeil, bei dem Reste einer Wicklung sichtbar sind. Und es gibt zumindest einige Funde auf dem die Abdrücke einer Wicklung sichtbar sind).
Hieronymus hat geschrieben:
31.10.2022, 10:38
Zum Thema Amarican Natives:Die hatten zum Teil sehr kurze Bögen, aber keiner der Bögen war deflex...
Der von mir gezeigte Kompositbogen (auch wenn nicht klar ist aus welchem Material die Bauchlage bestand, ist es trotzdem ein Kompositbogen) ist im Griff nicht deflex, sondern stark reflex und erst dann kommen die leicht deflexen Wellen, gefolgt von wieder reflexen WA und stärker reflexen Enden.
Die Grundform ist fast wie bei meinem letzten Saplingbow, nur eben asymmetrisch und mit reflex gebogenen Enden. So ein Bogen hat aufgespannt eine sehr hohe Vorspannung (werd ich wohl mal so einen kurzen bauen müssen, damit man das mit kurzen Pfeilen testen kann ;D )
08.jpg
Quelle: "Scythian Archers of the 4th Century BC", Marina Daragan
Hier zum Beispiel ein Bogen der Crow mit 30 7/8" Länge
Crow Bogen.jpg
Quelle: "Encyclopedia of Native American Bows, Arrows & Quivers, Volume 2"
Grüße - Neumi
Zuletzt geändert von Neumi am 31.10.2022, 17:13, insgesamt 1-mal geändert.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von Nacanina » 31.10.2022, 16:14

Hieronymus hat geschrieben:
31.10.2022, 10:38
...
Zum Thema Amarican Natives:

Die hatten zum Teil sehr kurze Bögen, aber keiner der Bögen war deflex... und keiner mir bekannten Bögen war unter 1m und die Pfeile waren im Verhältnis zum Bogen eher länger als gebraucht und schwer, also keine dünnen leichten Pfeilen....
...
Möglicherweise fehlen dir dann ein paar Informationen.
Bei Untersuchungen an 10 Hornbogen (Museumsstücken) des amerikanischen Nationalmuseums wurde festgestellt:
1 Bogen war über 100cm lang (101,6cm)
9 Bögen lagen darunter.
2 Sioux Bögen hatten die Maße: 87,6 und 81,3 cm waren also klar Plains Indianern zuzuordnen.
1 Pajute Bogen war 76.2 cm lang
1 Pajute Bogen war aus Elk (Wapiti) Geweih und 85,1 cm lang

Schafhorn Nachbauten gibt es in der Literatur u. A. von Grayson und von Bill Holm.
Die Bögen von Grayson haben eine maximale Auszugslänge von 22".
Einer der Bögen von B. Holm wurde nach einem Museumsstück gearbeitet und hatte folgende Dimensionen:
Länge 39" = 99 cm
Länge gespannt: 35,5 " = 90 cm
55lbs bei 22" Vollauszug
Geschossen mit Plains Pfeilen (also keine Flight Pfeile) lag die Weite bei 200 y, der beste Schuß war 235 y.
Auf dem dazugehörigen Photo sieht man auch sehr schön, dass der Pfeil etwas zu lang ist und auch eine ziemlich große Spitze hatte. Außerdem schießt B. Holm mit mediterranem Ablass.

Also mit solchen Bögen konnte man schon eine ganze Menge anfangen-
obwohl sie wie Kinderbögen aussehen.

Viele Grüße

Nacanina

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Re: Pfeillänge bei den Skythen?

Beitrag von benzi » 09.11.2022, 23:39

Wow, jetzt habe ich mir doch glatt die ganze Diskussion reingezogen... Ziemlich hohes Niveau!
Obwohl ich zwei besitze und schiesse, habe ich von Komposit Bogenbau zu wenig Ahnung... aber dafür Erfahrung auf dem Pferd... ein Ankerpunkt im Gesicht ist auf dem Pferd fast unmöglich zu realisieren.. Zudem ist in Reiterkreisen die Info verbreitet, dass Skythen ohne Steigbügel geritten seien, keine Ahnung wie belegt das, ist... wenn es stimmt, dann wäre das ein weiteres Argument für einen sehr kurzen Auszug... anders lässt sich das Gleichgewicht ohne Sattel oder ohne Steigbügel in Jagd- oder Kriegssituation nicht aufrecht erhalten...
"Du hast den Verstand verloren, weißt Du das?" "Dafür hab ich ein Leben lang üben müssen"
(Peaceful Warrior, Film)

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