Stahl für Ziehmesser brauchbar?

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Holzbieger
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Holzbieger » 25.02.2014, 22:21

Gehärteter Stahl ist hart aber auch spröde. Diese Sprödigkeit kann dazu führen dass die Klinge ausbricht/bricht.
Um dies zu verhindern macht man nach dem härten einen weiteren Wärmebehandlungsschritt, das Anlassen. Dadurch bildet sich auf der Oberfläche eine Oxydschicht. Die Dicke dieser Schicht ist abhängig von der Temperatur (und auch der Dauer), dadurch ändert sich die Lichtbrechung an der Oberfläche und somit die Farbe. Kurz gesagt kann man anhand der Farbe die Anlasstemperatur abschätzen (mit entsprechender Erfahrung mehr oder weniger gut)

Nehmen wir jetzt mal an der Stahl ist 1.2235, Härtetemperatur 820 oC, empfohlene Anlasstemperatur 200 oC und das ist im Bereich Gelb, Blau wäre schon wieder zu hoch.

Google mal Anlassfarben und Wärmebehandlung von 1.2235

Übrigens könnte es besser sein 2 x 1 Stunde bei 200 oC anzulassen als 1 x 2 Stunden.

Gruß

Roland
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Neugier
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Neugier » 25.02.2014, 22:33

Was hat das für eine Bewandtnis mit dem 2mal anlassen?

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Holzbieger
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Holzbieger » 25.02.2014, 23:15

Einige Hersteller empfehlen 2-maliges Anlassen (bei 1.2235). Theorie dahinter muss ich mal nachlesen, hat grob was mit der Restaustenitumwandlung zu tun wenn ich mich richtig erinnere.
Gruß
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killerkarpfen
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von killerkarpfen » 25.02.2014, 23:16

Ich hatte einmal Mühe einen Kohlenstofstahl zu härten.
Dann habe ich einen Trick gelesen: den Stahl so weit glühen bis er nicht mehr magnetisch ist, und erst dann in warmem Wasser oder Oel abschrecken. Ich musste dazu den Stahl aber gelbrot erwärmen.
Hat funktioniert.

Ps
Kann man das verallgemeinern?

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shokunin
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von shokunin » 26.02.2014, 06:54

Der Punkt wo Materialien ihren Magnetismus verlieren nennt sich Curie-Temperatur.
Die ist bei Kohlenstoffstahl etwa bei 760 C.
Der Curie Punkt ist nicht immer exakt gleich der Härtetemperatur, manche Stähle härten bei erheblich höheren Temperaturen.
Er ist aber ein sehr guter Anhaltspunkt für das Härten simpler Carbonstähle. Die Härtetemperatur liegt da nur knapp überhalb der Curie-Temperatur und zu wissen: "hier ist 760 C" ist schon sehr viel wert...

Gruss,
Mark
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Bognhansl » 26.02.2014, 07:24

JuergenM hat geschrieben:Das mit der Farbe verstehe ich nicht?? ???

Wenn Du blank und fettfrei gemachten Stahl erwärmst, kriegt er von der Temperatur abhängige farbige Oxidschichten. Die untenstehende Tabelle gilt für un- und niedriglegierten Stahl:
http://www.hertsch.ch/-jpg/glueh_anlassfarben.jpg

Gruß
Hansl

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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Gornarak » 27.02.2014, 09:14

ZUm Anlassen einfach im Grill liegenlassen, bis der ausgegrillt ist funktioniert vermutlich nicht, richtig?

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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Phalax » 27.02.2014, 09:22

Dient das Anlssen nicht zur Entspannung der Oberfläche nach dem härten des Stahls? So erreicht man doch einen harten Kern mit einer "weichen" Oberfläche. Ich glaube mich zu erinnern das Ich das so oder so ähnlich in der Fachoberschule gelernt habe.
Das Gegenteil von anders... nur umgekehrt.
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Bognhansl » 27.02.2014, 09:44

Gornarak hat geschrieben:ZUm Anlassen einfach im Grill liegenlassen, bis der ausgegrillt ist funktioniert vermutlich nicht, richtig?

Nein, dann hast Du den Stahl vermutlich wieder schön weichgeglüht...
Auf der Herdplatte gehts recht schön. Blankgemachte Klinge mit dem Rücken auf die Herdplatte stellen und auf "viertel-" bis "halbgas" einstellen. Gut im Auge behalten, wann die Klinge, ausgehend von den Auflagepunkten, Farbe bekommt. Das kann schon so 20min oder länger dauern, geht dann aber recht flott. Wenn sie gelblich bis hellbräunlich ist, auf die kalte Herplatte übersiedeln, und abkühlen lassen.

wiegert87 hat geschrieben:Dient das Anlssen nicht zur Entspannung der Oberfläche nach dem härten des Stahls? So erreicht man doch einen harten Kern mit einer "weichen" Oberfläche.

Nicht richtig. Du reduzierst die unmittelbar nach dem Härten entstandene "Glashärte" auf eine Gebrauchshärte. Das erstreckt sich über den gesamten Werkstückquerschnitt.

Gruß
Hans

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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Firestormmd » 27.02.2014, 11:10

Ich hatte vor einer Woche einen Werkstoffkunde-Lehrgang im Bereich Edelstahl. Das wurde auch gesagt, dass man sich die Datenblätter des Stahls unbedingt anschauen soll und sich an die Diagramme halten soll. Also nicht einfsach in die Glut legen und irgendwie abschrecken, sondern die Temperaturen beim Härten und auch die Anlasstemperaturen und Zeiten genau einhalten soll. Edelstahl wird teilweise 5 Mal angelassen. 3 Mal ist wohl normal. Nur so bekommt man ein Ergebnis, bei dem sich der spezielle Stahl wirklich bezahlt macht. D.h. es geht sicher auch alles Pi-mal-Daumen, dann kann man aber auch gleich auf den Messerstahl verzichten und irgendeinen Standardstahl hernehmen.

Es ist tatschlich so, wie Hans es schreibt, beim Härten wird der Stahl glashart und entsprechend spröde. Mit dem Anlassen wird dann schlussendlich die gewünschte Endhärte eingestellt. Man muss für seinen Einsatzzwech später die gewünschte Härte festlegen. Je härter, desto spröder ist der Stahl und je zäher, deso weicher. Wenn man nur schneiden will und eine große Standzeit wünscht, dann ist mehr Härte notwendig. Wenn man aber auch mal Pfeilspitzen aus einem Stamm hebeln will, wäre etwas weniger Härte und dafür etwas mehr Zähigkeit wünschenswert. Mit dem Einsatzzweck legt man eigentlich schon den Stahl und die Endhärte fest.

Grüße, Marc
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von JuergenM » 28.02.2014, 19:33

So, hab ausprobiert und es funzt !!! ;D

Hab mit eine kleine Esse für Arme gebaut und mit einfacher Holzkohle befeuert (mit HLP Unterstützung).
Ging recht schnell, habe dann die Klinge in 60 Grad warmen Wasser gekühlt und anschl. 1 Stunde bei 200 Grad angelassen.
Die Klinge ist jetzt deutlich härter als vorher. Blöd ist nur, dass sie gerissen ist und sich verzogen hat. Macht aber nichts, morgen kommen Griffe dran und dann wird ausprobiert.
Bei nächsten Ziehmesser nehme ich Öl zum Härten.
Esse 1.jpg
Esse für Arme
Esse2.jpg
und befeuert mit Klinge
Klinge 3.jpg
Klinge gebogen
Klinge 4.jpg
Risse in der Klinge
Woran es jetzt genau gelegen hat, dass sich die Klinge verzogen hat und gerissen ist weiß ich nicht genau, kann vieleicht daran liegen, dass ich sie nicht gleichmäßig oder nicht genug erhitzt habe oder am Wasser?? ???
Mal sehen, vieleicht klappt es beim nächsten Mal besser. Auf jeden Fall weiß ich jetzt, dass ich den Stahl verwenden kann, ist ja auch was.
Nochmal vielen Dank für die Tipps und Hinweise.
Gruß
Jürgen

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killerkarpfen
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von killerkarpfen » 28.02.2014, 19:40

Firestormmd hat geschrieben:Ich hatte vor einer Woche einen Werkstoffkunde-Lehrgang im Bereich Edelstahl. Das wurde auch gesagt, dass man sich die Datenblätter des Stahls unbedingt anschauen soll und sich an die Diagramme halten soll.


Schön und gut! :-[
Aber wenn ich Dir ein Sägeblatt schenke und Du das weiterverarbeiten willst, habe ich dann Lust für Dich noch einem Datenblatt hinterher zu rennen. ???
Also wenn ich dich anspreche bist natürlich nicht DU persönlich gemeint! ;)

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Holzbieger
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von Holzbieger » 28.02.2014, 20:05

@ Firestormmd

Das stimmt schon alles was Du sagst, nur wenn Du den Stahl nicht kennst weil von einer unbekannten Quelle, dann kannst Du kein Datenblatt lesen.

@ JürgenM

Nehmen wir mal wider an der Stahl ist 1.2235, das ist eindeutig ein Ölhärter. Da ist dann auch 60°C warmes Wasser zu aggressiv. Daher kommen die Risse. Da ist jetzt auch nichts mehr zu machen.

Den Verzug kannst Du dich die Art und Weise wie Du ins Abkülmedium eintauchst beeinflussen.
Direkt nach dem härten (vor dem anlassen), so innerhalb der ersten 1 bis 2 Minuten ist die Martensitbildung noch nicht vollständig abgeschlossen. In diesem Zeitraum kannst Du den Verzug noch mit dem Hammer am Amboß (oder vorsichtig am Schraubstock) richten. Danach und nach dem Anlassen ist das nur noch bedingt möglich. Entweder mit einem Kerb- oder Kugelhammer die konkave Seite dengeln. Hier streckt sich der Stahl und die Klinge wird gerade(r). Auch hier ist das Risiko immer vorhanden dass Die die Klinge bricht. Ob sich Verzug wie bei Deiner Klinge damit richten lässt? schwer zu sagen. eher nicht.

Gruß

Roland
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von JuergenM » 28.02.2014, 20:18

@Holzbieger
An diesem Ziehmesser werde ich nicht mehr versuchen etwas zu ändern, ich werde es so wie es ist verwenden. Beim Nächsten werde ich dann Öl nehmen und hoffen, dass es besser klappt.
Gruß Jürgen

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shokunin
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Re: Stahl für Ziehmesser brauchbar?

Beitrag von shokunin » 28.02.2014, 20:25

Ja, Öl ist immer sicherer... gerade wenn man nicht weiss was man härtet.

Beim Verzug ist folgendes evtl interessant: Stahl dehnt sich im Härten aus...

Das sieht man ganz toll z.B. bei japanischen Schwertern. Nicht selten werden die erst im Wasser krumm wenn man sie abschreckt.
Eine Klinge mit der Flachseite voraus abgeschreckt wird sich immer biegen - die Seite die zuerst im Wasser ist dehnt sich aus und die Klinge biegt sich in die andere Richtung. Das führt dann gern auch gleich zu Rissen wenn die Schneidkante schon kalt ist und im gehärteten Zustand eine nachträgliche Biegung erfährt.

Härten Schneide voraus oder Spitze voraus ist da besser.

Ich würde raten hier wurde evtl flach oder halbschräg eingetaucht...

Gruss,
Mark
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