Dichtungshanf für Bogenbau geeignet?

Hölzer, Kleber, etc.
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Ravenheart
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Re: Dichtungshanf für Bogenbau geeignet?

Beitrag von Ravenheart » 11.07.2016, 13:15

Aaallsooo... (*brillezurechtrück*)


Einführung:

Beim gekrümmten Stab wird die Außenseite (Rücken) gedehnt, die Innenseite (Bauch) gestaucht.
Der Rücken wird länger, der Bauch kürzer.

Die SUMME beider Längenänderungen ist bei gleicher Krümmung immer gleich!
AUCH dann, wenn Rücken (oder Bauch?) durch additive Maßnahmen NICHT oder nur noch TEILWEISE mitmachen!!!

a) Schussleistung:

Beim Schuss zieht der Rücken sich zusammen, der Bauch streckt sich.
Aus BEIDEN dabei freigesetzten Kräften ADDIERT sich die Schussleistung.

Nun gibt es Hölzer, die dehnen/stauchen sich besonders elastisch,
gehen also schnell und weitgehend vollständig wieder in die Ausgangslänge zurück,
andere tun das NICHT SO SCHNELL oder UNVOLLSTÄNDIGER.

Das ideale Bogenholz tut BEIDES schnell und weitgehend vollständig.

b) Leistungsverluste und Schäden:

Sowohl Dehnen als auch Stauchen können im Holz bleibende Beanspruchung oder gar Schäden verursachen.
Überdehnung bis zum Reißen der Fasern,
Überstauchung bis zum Kompressionsbruch.

Die Folgen von Überbeanspruchung sind Set, Leistungsverlust oder Bruch.

c) Unterschiede:

Bei vielen Hölzern gibt es Unterschiede zwischen Rücken und Bauch bzw. im Vertragen von Dehnung und Stauchung. Manche neigen zum Überdehnen/Reißen, andere zum Überstauchen/Knittern.

d) Backing:

Ein Backing kann dem Überdehnen / Reißen der Rückenfasern entgegenwirken.

Ein WENIG elastisches Backing kann aber auch das VERTRÄGLICHE Dehnen der Rückenfasern BEHINDERN! Folge: Die Leistungsfähigkeit des Holzes wird gar nicht mehr ausgenutzt!

Ein WENIG elastisches Backing verlagert aber AUCH die Längenänderung (sh. oben, Einführung) in Richtung Bauch. Der Bauch MUSS sich genau um das Maß MEHR stauchen, um das der Rücken sich WENIGER dehnt!

Die Frage muss also immer sein: Ist das sinnvoll?
Die Antwort lautet nämlich "NEIN", wenn
1. Das Holz seine Leistung v.a. aus der Rückendehnung bezieht
2. Das Bauchholz eher träge in der Rück-Streckung ist
3. Das Bauchholz schon OHNE Rücken-Backing in der Stauchung am Limit war
4. Das Bauchholz durch Rücken-Backing über sein Limit geführt wird

Fazit:

Ein Hanf-Backing kann einen Bogen verschlechtern oder sogar zerstören.
Es schützt zwar den Rücken, behindert ihn aber auch, und kann den Bauch überlasten.
SINNVOLL ist es nur bei Hölzern, die am Bauch viel Kompression VERTRAGEN und auf Kompression mir SCHNELLER STRECKUNG reagieren.
Hautleimkleber und KURZE, versetzte Hanffasern sind verträglicher, weil sich die Fasern "im Leim" zueinander verschieben können und das Ganze so elastischer bleibt.
Holzleim-geklebte Hanffasern/Matten dehnen sich kaum und sollten nur mit Vorsicht und sehr überlegt angewendet werden.
Ein flacher Bogenbauch und ein dünner Querschnitt sind dabei toleranter als schmale, hohe Profile.

Rabe

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ralfmcghee
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Re: Dichtungshanf für Bogenbau geeignet?

Beitrag von ralfmcghee » 11.07.2016, 13:42

Leute, Ihr seid wieder einmal fabelhaft! Ich habe so viele interessante Meinungen und Informationen bekommen, dass ich nun ausgiebig überlegen kann, ob, wann und bei welchem Projekt ich ein Hanfbacking ausprobiere. Ich neige dazu, es bei einem Stave von ausgesprochenem ****-Holz auszuprobieren. Mehr als dass es diesen Stave zerlegt kann ja nicht passieren (wäre auch nicht das erste Mal... ;D )

Euch allen wieder ganz herzlichen Dank für Euren Input. Special Thanks to you, Rabe für die Mühe, die Du Dir mit Deinem fundierten und ausgesprochen strukturierten Beitrag gemacht hast. Aber natürlich auch ganz heißen Dank an Euch alle für Eure Sichtweisen!

LG
Ralf
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.
Der Student geht zur Mensa bis er bricht.
Mein Bogen geht auf den Tillerstock bis er bricht.

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SchmidBogen
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Re: Dichtungshanf für Bogenbau geeignet?

Beitrag von SchmidBogen » 11.07.2016, 21:40

Gerne Ralf und ich erfreue mich jetzt schon deiner Resultate und Erfahrungen. :)
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