Drehwuchs-Problematik

Hölzer, Kleber, etc.
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Spanmacher
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Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Spanmacher » 27.04.2020, 10:31

Da ich in einem anderen Thread das Thema angeschnitten hatte, dort aber nicht kapern möchte, mache ich mal einen Neuen dazu auf.

Ich habe vor vielen Jahren gelernt, dass Hasel ab 8 cm Durchmesser sehr häufig Drehwuchs aufweisen würde. Eine Begründung dazu habe ich nicht erfahren. Damals stand ich bogenbautechnisch noch derartig in der Furcht des Herrn, dass ich es einfach so hingenommen habe.
Neumi schrieb dazu, dass er dies nicht bestätigen könne. Für diese Information danke ich. Vor allem, weil sicherlich eine Menge Erfahrung seinerseits dahintersteckt.
An anderer Stelle wurde allerdings schonmal deutlich, dass bei Hasel sehr unterschiedliche Qualitäten auftreten können. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, ob das Holz auf ebenem Boden wachsen konnte oder an einer Böschung stand. Heidjer hat mal an einem sehr schönen Beispiel die Spannungen erläutert, die durch Umgebungsbedingungen in jungem Holz entstehen.

Die Drehwuchstheorie bei Hasel scheint mir allerdings nicht nur an den Haaren herbeigezogen. Es gibt durchaus Hölzer, die ab einem bestimmten Alter fast immer Drehwuchs aufweisen. Birne ist dafür ein gutes Beispiel, was man unschwer in der Realität beobachten kann.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mal eure Erfahrungen zum Thema "Drehwuchs" hier einbringen könntet.
Vielleicht trägt es dazu bei, dass der Eine oder Andere von uns ein Holz stehen lässt, dass fast sicher nicht taugt, obwohl es schön anzusehen ist.
Das würde dem Bogenbauer unangehenme Erfahrungen ersparen und wäre der Natur dienlich.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Holzmann » 27.04.2020, 11:30

Das würde mich ebenfalls sehr interessieren.

Wie in einem anderen Thread schon beschrieben habe ich komplett unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Zwar nicht so viel um eine gültige Aussage zu machen, aber doch soviel das ich auch den 10ner Stamm nicht stehenlassen würde.

Doch wäre es in der Tat gut den einen oder anderen sofort 100%ig ausschliessen zu können um nicht unnötig in die Natur einzugreifen...

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von fatz » 27.04.2020, 12:55

Also wenn dann waere es so, dass die aeusseren Jahringe bei Hasel dann drehwuechsig wuerden, weil was innen ist aendert sich diesbezueglich nimmer. Das kann ich eigentlich nicht bestaetigen. Wenn dann war der Drehwuchs schoen gleichmaessig.

Bei Hartriegel hab ich nie einen Zusammenhang gefunden. Einer dreht rechts, einer links, einer gar ned und alle steh beiander. Wenn er genug Aeste hat um nicht gescheit fuer einen Bogen zu taugen sieht man's allerdings. Die sind naemlich wechselstaendig und jeder 2. Satz ist genau drueber, oder eben verdreht.
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Holzmann » 27.04.2020, 13:05

Du meinst bestimmt gegenständig. Ein Knospenpaar steht sich immer gegenüber.
Nächstes paar ein nodium weiter... So auch bei Cornus, Acer, Esche...
Doch die meisten Gehölze sind Wechselständig.

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Roby-Nie » 27.04.2020, 13:18

Ich hatte zwei Hasel über 8cm und beide ohne Drehwuchs.
Die standen alle sehr feucht, schattig und eher windgeschützt.
Und ich hatte schon zwei von sechs Haseln unter 6cm mit Drehwuchs.

Ich kann mir allerdings nicht so recht vorstellen, dass Drehwuchs erst mit späterem Alter des Hasel einsetzt.
Wenn der Ast mit 5cm noch keinen Drehwuchs hatte, wie soll er sich dann mit zwei oder drei Jahresringen mehr so verdrehen?
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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Roby-Nie » 27.04.2020, 13:22

Holzmann hat geschrieben:
27.04.2020, 13:05
Du meinst bestimmt gegenständig.
Nee, er meint, dass die Paare immer 90°versetzt zueinader stehen und man Drehwuchs dadurch sofort erkennen kann.
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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Holzmann » 27.04.2020, 14:22

Das daran zu erkennen wäre bestimmt eine Möglichkeit...
Nur müsste mann dann wissen wie das Gehölz normalerweise wächst.
Es gibt gegenständig, kreuzgegenständig(90grad verdreht) und wechselständig. Wobei es bei den Wechselständigen auch noch Unterschiede gibt.
Bei den ersten beiden könnte mann den Drehwuchs gut erahnen...
Bei ner Buche, Hasel oder gar Eiche, die alle wechselständig sind wird es schon schwieriger...

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Dongelong » 27.04.2020, 15:00

Ich bin ganz bei Roby-Nie, denke dass ein Holz/Ast verdreht wächst oder eben nicht. Ein Drehwuchs der erst mit zunehmendem Durchmesser einsetzt kann ich mir nicht vorstellen.
Ist aber kein "Wissen" und darf gerne wiederlegt werden.

Gruß
Dongelong
.... jeder nur ein Kreuz. (Monty Phyton)

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Neumi » 27.04.2020, 16:00

Das Wirkungsprinzip des Drehwuchs besteht ja darin einseitige Lasten (Wind, Schnee), bzw. deren Schubkräfte besser auf den Stamm zu verteilen. Ein gedrehter Stamm hat eine höhere Biegesteifigkeit, Druck- und Torsionsstabilität.
Es gibt linken, rechten und wechselnden Drehwuchs (ich erinnere mich sogar mal ein Diagramm zu Ulmen gesehen zu haben, die Parallel- und Wechseldrehwuchs hatten und immer wieder abwechselten - finde das aber nicht mehr und lasse somit offen, ob es das tatsächlich gibt).
In der Regel ist es so, dass die Holzdichte mit dem Alter zunimmt, der Baum also weniger flexibel auf Belastungen reagieren kann.
Es ist also tatsächlich möglich, dass ein Baum im Alter anfängt einen Drehwuchs auszubilden (der natürlich nur die zusätzlich wachsenden Jahrringe betrifft) oder den Drehwuchs zu verstärken.
Aber solche Dinge an einem Alter X festzumachen, ist meiner Meinung nach Jägerlatein. Dafür ist der Wuchs von Bäume von zuvielen Faktoren abhängig.
Warum ich am liebsten ältere Haselstämme benutze, liegt einfach an der Tatsache, dass die Dichte im Lauf der Jahre regelmäßig zunimmt. Nicht nur bei Hasel.
Grüße - Neumi
Zuletzt geändert von Neumi am 27.04.2020, 16:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von fatz » 27.04.2020, 16:17

Roby-Nie hat geschrieben:
27.04.2020, 13:22
Nee, er meint, dass die Paare immer 90°versetzt zueinader stehen und man Drehwuchs dadurch sofort erkennen kann.
Genau das. Paarweise wechselstaendig?

Wurscht, wenn der Staengel genug Aeste hat, dass man's sieht, taugt er ned als Bogen.... >:(
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Holzmann » 27.04.2020, 17:50

fatz hat geschrieben:
27.04.2020, 16:17
Genau das. Paarweise wechselstaendig?
Was du meinst nennt sich kreuzgegenständig...
Phyllotaxis1.jpg
Wenn man das wirklich auf diesem Weg beurteilen kann dann wird es bei den normal Gegenständigen am einfachsten sein.

Bei den Kreuzgegenständigen wird es schon schwieriger ne abweichung auszumachen.
Sie sind ja nicht immer genau 90° versetzt. Aber halt: vielleicht sind sie es ja nur nicht weil das entsprechende Gehölz Drehwuchs hat.
Wäre einen Test wert...

Bei den Wechselständigen ist es meiner Meinung nach unmöglich. Sie sind nicht in einer Linie und wachsen oft Spiralförmig am Ast.

LG Matze

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Roby-Nie » 27.04.2020, 19:58

Holzmann hat geschrieben:
27.04.2020, 17:50
Bei den Wechselständigen ist es meiner Meinung nach unmöglich. Sie sind nicht in einer Linie und wachsen oft Spiralförmig am Ast.
LG Matze
Hi Matze,
warum so pessimistisch?
Ich habe noch kein Bogenholz geerntet, bei dem ich nicht an der Rinde schon erkennen konnte, wieviel Drehwuchs auf mich zukommt.
Einfach die Rinde etwas genauer anschauen und du wirst nur ganz selten eine Überraschung erleben.
Versuch macht kluch ;)
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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Holzmann » 27.04.2020, 20:53

Bin ich nicht..

Ging lediglich darum ob man Drehwuchs an der Position der Knospen/Äste erkennen kann...

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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Kemoauc » 29.04.2020, 22:29

Hi,hab dazu ne alte Freundin gefragt,sie ist Gärtnerin schon seit ca 40 Jahren.
-Erst mal festmachen,was ein Busch ist: Ein Baum mit Stammhöhe Null,also eine Baumkrone.
- Der Erste Trieb muss sich durch konkurrierendes Blattwerk anderer Mitwüchslinge aus anderer Herkunft kämpfen, also dreht er sich um genügend Sonnenlicht zu bekommen.Der erste Trieb hat also seinen Drehwuchs von Anfang an .Und wenn er dann halt dicḱer wird,bleibt ihm das.
- Ist der Busch erst einmal groß genug, besteht kein Bedarf mehr an allzu großem Drehwuchs,da sich der Busch nicht selbst bekämpft.
- mit jeder Generation neuer Triebe lässt der Drehwuchs nach
D.h. aber auch,da selten jemand nen Hasel auf 10-15m ( macht Spaß,in denen zu Klettern,wenn man sie mal findet ;D )wachsen lässt, sind die annähernd drehwuchsfreien Hasel eher selten gesät. :D
Kann ich logisch nachvollziehen.
Was den Blick auf die Rinde angeht,bin ich bei Roby-Nie, einmal etwas genauer gucken ... :D
Grüßle,
Kemoauc
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Re: Drehwuchs-Problematik

Beitrag von Ravenheart » 30.04.2020, 10:27

Warum entsteht Drehwuchs?

Darüber gibt es ne Menge verschiedener Aussagen.

Beim Esotheriker sind es Erdstrahlen, Wasseraderkreuzungen und Co.,
beim Physiker sind es Windkräfte etc, also versteifende Reaktionen auf Krafteinwirkung,
beim Gärtner sind es Lichtverhältnisse bzw. Sonnenwanderung,
beim Biologen genetische Ursache (Vererbung).

Fakten:
1. es gibt Einzelexemplare mit Drehwuchs innerhalb von dichten Gruppenbeständen.
2. es gibt Einzelexemplare mit Drehwuchs innerhalb von Alleen mit gleicher Belastung
3. es gibt Einzelexemplare mit Drehwuchs innerhalb von Gruppen gleicher Belichtungsverhältnisse
4. es gibt Arten, die drehen fast immer, viele andere, die drehen vereinzelt, und einige, die drehen fast nie.
5. ein WENIG Drehwuchs ist häufiger anzutreffen als GAR KEINER
6. es gibt Studien, die belegen, dass die Wahrscheinlichkeit von Drehwuchs bei gedrehten Elternpflanzen bei 70% liegt.
(70% entspricht fast den Mendel-Gesetzen!)

Mein Fazit:
Durch dauerhafte, einseitige Belastung kann es zu Wuchsreaktionen kommen, die zu einer gewissen Verdrehung führen. Das ist aber eher eine seltene Sondersituation und erklärt NICHT die hohe Zahl zumindest ETWAS gedrehten Wuchses bei sehr vielen Arten.
Schon gar nicht erklärt es Fälle 1 und 2.

Da es keine "Wasseradern" gibt und punktuelle "Erdstrahlen" Unsinn sind, schließe ich derartige Ursachen ebenfalls aus.

Gleiches gilt für Belichtung. Meine Erfahrung ist eher, dass eine Pflanze schief wächst, wenn das Licht einseitig kommt. Drehen macht da wenig Sinn.

Punkte 4 - 6 legen nahe, dass es genetische Ursachen hat. Ein begrenzter Drehwuchs ist vmtl. der "Normalzustand", und resultiert daraus, dass Zellen nun mal nicht in perfekter geometrischer Form und Raster wachsen. Und ist jede neue Zelle links einfach einen Mikrometer dicker als rechts, (genau wie es keinen Menschen mit zwei EXAKT gleich langen Beinen gibt!), multipliziert sich schon der minimalste Wuchsfehler zu Drehwuchs.

Durch genetisch vererbte Kombination kann sich der Effekt dann vereinzelt verstärken, weshalb es auch bei generell wenig drehenden Arten immer wieder mal Einzelexemplare mit besonders starker Drehung gibt, wohingegen manche Arten aber eben auch weit verbreitet drehen, weil es sich in der Art eben SO erblich durchgesetzt hat, so dass DA dann der gerade Wuchs die "Abweichung" darstellt.

Und PS: zur verbesserten Steifigkeit:
Ist das wirklich sinnvoll? Ein biegsamer Baum krümmt sich bei einer Sturmböe und richtet sich wieder auf!
Ein steifer wird entwurzelt!

Bleibt die Frage, wie es sein kann, dass ein und die selbe Pflanze
a) sowohl gedrehte als auch gerade Triebe hat, oder
b) als Jungpflanze wenig dreht, im Alter aber mehr...

Ich beginne mal mit b)…
Als ich Jung war, hatte ich keine Haare auf den Ohren, jetzt muss ich da dauernd zupfen...
Will sagen: Die schon angesprochenen Asymmetrien im Wuchs der einzelnen Zelle können sich natürlich auch bei Bäumen im Alter verstärken.

Und a)?
Nun, Wassertriebe wachsen ja besonders schnell und besonders senkrecht. Offensichtlich ist da im Zellwachstum irgendwas anders. … q.e.d.

Rabe

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