Bogenphysik bei asymmetrischen Bögen

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lonbow
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Bogenphysik bei asymmetrischen Bögen

Beitrag von lonbow » 25.01.2014, 19:57

Hallo zusammen,

ich habe schon sehr folgende Begründung für einen steiferen unteren Wurfarm bei assymetrischen Bögen gelesen:

"Dadurch, dass der untere Wurfarm sich schwerer biegen lässt, speichert er mehr Energie und beschleunigt deshalb schneller. Der Pfeil wird somit leicht angehoben."


Diese Begründung stelle ich aber in Frage! Ich denke, dass hier der Kraft und Energiebegriff verwechselt werden.
Tatsächlich müssten sich beide Wurfarme egal wie weit aufgespannt im exakten Kräftegleichgewicht befinden - was nichts mit Energiegleichgewicht zu tun haben müsste. In der Physik ist gespeicherte Energie Kraft mal Weg. Die Kraft ist bei beiden Wurfarmen gleich groß, aber der Weg, den der obere Wurfarm zurücklegt ist größer, somit müsste der obere Wurfarm mehr Energie speichern und sich auch schneller bewegen, als der untere Wurfarm.
(analoges Beispiel: ein Bogen mit 50 lbs bei 32" Auszug bringt mehr Leistung als ein Bogen mit 50 lbs bei 24" Auszug)

Ich denke die einzige Möglichkeit, den unteren Wurfarm schneller zu machen, stellen die Wurfarmmassen dar. Wenn der obere Wurfarm etwas breiter und schwerer als der der untere Wurfarm ist, müsste sich der untere Wurfarm tatsächlich schneller bewegen. Vielleicht ist deshalb die obere Hornnocke bei Langbögen meistens größer und schwerer gestaltet, als die untere Hornnocke. Bei Heidjers Maßen zum Burgunderbogen im bayerischen Jagdmuseum München ist mir aufgefallen, dass der obere Wurfarm am Ende breiter, als der untere Wurfarm ist. Das gleiche trifft beim Hohenaschaubogen zu.
Die einzige plausible Erklärung für einen steiferen unteren Wurfarm ist meiner Meinung nach Holzentlastung, da der Biegeradius größer ist.

Was haltet ihr von meiner Theorie?

Grüße,
David
Zuletzt geändert von lonbow am 25.01.2014, 20:06, insgesamt 2-mal geändert.

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tigama
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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von tigama » 25.01.2014, 20:01

lonbow hat geschrieben:Hallo zusammen,

ich habe schon sehr folgende Begründung für einen steiferen unteren Wurfarm bei assymetrischen Bögen gelesen:

"Dadurch, dass der untere Wurfarm sich schwerer biegen lässt, speichert er mehr Energie und beschleunigt deshalb schneller. Der Pfeil wird somit leicht angehoben."


Diese Begründung stelle ich aber in Frage! Ich denke, dass hier der Kraft und Energiebegriff verwechselt werden.
Tatsächlich müssten sich beide Wurfarme egal wie weit aufgespannt im exakten Kräftegleichgewicht befinden - was nichts mit Energiegleichgewicht zu tun haben müsste. In der Physik ist gespeicherte Energie Kraft mal Weg. Die Kraft ist bei beiden Wurfarmen gleich groß, aber der Weg, den der obere Wurfarm zurücklegt ist größer, somit müsste der obere Wurfarm mehr Energie speichern und sich auch schneller bewegen, als der obere Wurfarm.
(analoges Beispiel: ein Bogen mit 50 lbs bei 32" Auszug bringt mehr Leistung als ein Bogen mit 50 lbs bei 24" Auszug)

Ich denke die einzige Möglichkeit, den unteren Wurfarm schneller zu machen, stellen die Wurfarmmassen dar. Wenn der obere Wurfarm etwas breiter und schwerer als der der untere Wurfarm ist, müsste sich der untere Wurfarm tatsächlich schneller bewegen. Vielleicht ist deshalb die obere Hornnocke bei Langbögen meistens größer und schwerer gestaltet, als die untere Hornnocke. Bei Heidjers Maßen zum Burgunderbogen im bayerischen Jagdmuseum München ist mir aufgefallen, dass der obere Wurfarm am Ende breiter, als der untere Wurfarm ist. Das gleiche trifft beim Hohenaschaubogen zu.

Was haltet ihr von meiner Theorie?

Grüße,
David



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lonbow
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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von lonbow » 25.01.2014, 20:06

Habs geändert ;)

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Ravenheart » 27.01.2014, 18:52

Hihi, gratuliere, Du bist der 1000. User, der die Frage anspricht! :D

Nee, im Ernst:

Wenn Du mal einen Bogen geschossen hast, bei dem der untere WA NICHT schneller ist, klärt sich das.
Richtig ist: Der einfachste Weg ist, ihn kürzer zu machen. Damit wird er automatisch stärker und leichter.

Aber es gibt auch Bogen mit gleich langen WA. Die funzen auch, aber nur, wenn man den unteren WA stärker lässt!
Warum? Nun, Du hast den WEG vergessen!

Richtig ist: Beim Auszug liegt an beiden WA die gleiche Kraft an.
Ist der obere WA aber einen Tick schwächer, muss er sich dafür MEHR krümmen!

Und das bedeutet, er muss einen weiteren WEG zurücklegen.
Also hat der Untere immer die Nase vorn.
That's it!

Rabe

Albert
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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Albert » 27.01.2014, 19:54

Hallo Rabe, sorry, dass ich User 1001 bin...

Die Sache wird für mich immer verwierrender.

Ravenheart hat geschrieben:Aber es gibt auch Bogen mit gleich langen WA. Die funzen auch, aber nur, wenn man den unteren WA stärker lässt!
Warum? Nun, Du hast den WEG vergessen!

Richtig ist: Beim Auszug liegt an beiden WA die gleiche Kraft an.
Ist der obere WA aber einen Tick schwächer, muss er sich dafür MEHR krümmen!


Wie passt dieses "MEHR krümmen" zu einem Tiller, bei dem beide Nocken die gleiche Höhe erreichen sollten? Mir leuchtet ein, dass - obwohl die Krümmung beider WA gleich ist - einer der WA schwerer sein kann (durch geeignete Auswahl von Breite und Dicke des WA). Ich hatte es aber so verstanden, dass die Krümmung beider WA gleich sein sollte.

Mein Verständnis der Physik sagt mir: wenn der oWA mehr Masse hat (wohlgemerkt: Krümmung oWA und uWA ist gleich), bewegt er sich langsamer als der uWA, womit der erwünschte Effekt eintritt.

Die Verhältnisse bei asymmetrischen Bögen sind möglicherweise total anders.

Spannend auf jeden Fall...!!!

Grüße - Albert

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 27.01.2014, 20:03

Wenn Bogebau so einfach wäre, bräuchten die Olympic-Recurves keine Ausgleichsgewichte, sondern die Glaspabscher könnten gleich vernünftige Bögen bauen ;-)....
An beiden Tips wirken nur dann gleiche Kräfte, wenn Mitte Sehne gezogen und Mitte Bogen gedrückt würde. Leider geht das nicht, sodas nur gleiche Momente um den Druckpunkt aufgebaut werden. Der Bogen kippt solange in der Hand , bis passt.
Für die Beschleunigung zuständig sind aber Kräfte, also muß ich durch die Geometrie und Festigkeiten dafür sorgen, das das untere Ende der Sehne etwas schneller in 0 Lage ist als das obere.
Das geht über kleinere Beharrungskräfte, kürzeren Wa und stärkeren Wa unten als oben. An vielen Bögen, auch an den Burgunderbögen werden einfach alle 3 möglichkeiten auf einmal genutzt.
Naja, die Krümmung ist eben nicht genau gleich

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Ravenheart » 28.01.2014, 14:37

@Albert: Ich hab nix von "Nocken die gleiche Höhe erreichen" geschrieben! Der -schwächere- obere WA krümmt sich dann natürlich mehr.

wenn der oWA mehr Masse hat (wohlgemerkt: Krümmung oWA und uWA ist gleich), bewegt er sich langsamer als der uWA, womit der erwünschte Effekt eintritt

Na klar, nur dass man ohne zusätzliche "Gewichte" nicht mehr Masse (bei gleichzeitig geringerem Zuggewicht) HIN BEKOMMT! Lässt man ihn dicker, wird er steifer. Und "Keulen" am Ende wird nun keiner ernsthaft vorschlagen, nur um den Pfeil sauber über die Hand zu kriegen - wo es doch viel einfacher und eleganter GEHT!

Rabe

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 28.01.2014, 14:48

Rabe, einer hasts mal gemacht, der eine Fundbogen aus Haithabu hat tatsächlich oben ne Keule dran ;-)
Was das "einfacher und eleganter geht" , vergleich mal den Schlosserladen einiger Olympic Recurve mit einigen Selfbows/Laminierten hier.
Und machst du den oWa breiter und dünner , hat er bei gleichem Zuggewicht mehr Masse. Aber das reicht nicht, um den Pfeil senkrecht einzunocken und ihn abheben zu lassen.
Auch die einseitigen Nocken aus Stahl oder Geweih bei den Nydambögen dürften den Effekt gehabt haben. Also, da , wo wir gerade schnüffeln, ist der Mist anderer Leute schon lange versteinert, nicht nur Kompost.

Albert
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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Albert » 28.01.2014, 15:48

@ Rabe, Wilfried

Es ist mir klar, dass die komplizierten Zusammenhänge beim Schießen nicht mit einfachen Formeln zu erklären sind. Und dass der gewünschte Effekt des "sauberen Anhebens des Pfeils" auf verschiedene Wege zu erreichen ist.

Ich selber - als Anfänger - bin nicht einmal in der Lage, zu merken, ob der Pfeil sauber anhebt oder nicht... Nebenbei: ich hatte mir überlegt, dass ich den hinteren Teil des Schaftes mit Farbe o.Ä. bestreichen könnte, um zu sehen, ob Spuren davon am Handschuh oder am Bogengriff (Archer's Paradox) haften bleiben... ;)

Kollegen wie Ihr, mit viel Erfahrung, könnten jedoch erzählen, wie ihre persönliche Lösung des Problems aussieht, d.h. Entscheidung für z.B stärkere, kürzere, schwerere WA, und was für ein Tiller jeweils geeignet ist. Fotos wären nicht schlecht... Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht nur "Hard-" sondern auch "Software-Lösungen" gibt (damit meine ich die Handhabung des Bogens während des Schießens).

Grüße - Albert

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 28.01.2014, 16:36

Naja, das macht man so beim Tillern intuitiv und meistens klappt sogar. Da ist dann der uWa eben einen hauch kürzer, etwas stärker und auch so ne kleinigkeit leichter. Und dann ist ja noch die Verschiebung des Nockpunkts nach oben, falls der Pfeil eben nicht sauber rauskommt. Ein einfacher Trick ist das Schießen ohne Handschuh. Tuts weh, titscht er auf, reitet er, zu hoch.
Ein Erfolgserlebnis ist aber immer wieder, wenn der erste Pfeil gleich sauber rauskommt.
Da ich ja nun konsequent asymmetrisch baue, bin ich sowieso außen vor. Aber auch die "symmetrisch " gebauten Bögen werden ja nach Augenmaß gebaut, und da hat man das sozusagen "im Urin". Es geht dabei ja eigentlich um wenige Millimeter. Also einen Hauch kürzer, einen Hauch dicker und eben einen Hauch stärker.

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Albert » 28.01.2014, 17:14

Tja, die Erfahrung... Einen Hauch kürzer war bei mir ca. 8 cm !! Kein Wunder, dass der uWA ohne Vergewaltigung nicht weiter nach unten kommen wollte...

Gruß - Albert

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 28.01.2014, 17:29

was ist daran schlimm? Bei nem echten Flitzebogen sinds schon mal 18 cm bei 2 m Länge ...
Hauptsache, der Bogen biegt sich "gleichmäßig", also keine abrupten Radienänderungen von Gerade, biegt sich gerade. Wenn das Teil "rund" aussieht, passt das.

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von benzi » 28.01.2014, 18:39

vllt hilft es, vllt nicht.... ein Bild von meinem Sapturnier Bogen... wenn ich einen Druckpunkt im Griff deffiniere, dann gibt es einen Punkt auf der Sehne, bei der dann im Auszug die Enden auf einer Höhe sind.... vllt hilft die Extreme zu verstehen....
tiller1.jpg

Grüße benzi
"Du hast den Verstand verloren, weißt Du das?" "Dafür hab ich ein Leben lang üben müssen"
(Peaceful Warrior, Film)

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von lonbow » 28.01.2014, 20:48

Stimmt, der obere WA legt beim Ausziehen einen längeren Weg zurück, wodurch er erst später die Standhöhe erreicht.

Nun zur nächsten (Wahn)Idee ;) :
Ich glaube nämlich immer noch nicht, dass der untere WA beim Schuss früher zum Stillstand kommt, als der obere.
Dadurch, dass die Standhöhe oben erst später erreicht wird, streckt sich der untere WA über die Standhöhe hinaus, bis schließlich die Sehne nicht mehr angewinkelt ist. Beide Wurfarme stoppen dann gleichzeitig. Wegen der Streckung des unteren Wurfarms bewegt sich der Nockpunkt ein bisschen nach unten und zieht die Nocke des Pfeils ebenfalls nach unten. Da die Masse des Pfeils träge ist dreht sich der Pfeil ein bisschen um den eigenen Schwerpunkt. Die Spitze ist jetzt also höher, als die Nocke und der Pfeil wird leicht angehoben. Nachdem der Pfeil den Bogen verlassen hat, wird der untere Wurfarm durch den jetzt gestrekten oberen Wurfarm wieder in die Ausgangsposition gebracht. Die beiden Wurfarme schwingen so noch etwas nach.

Diese Idee würde auch erklären, weshalb man den Pfeil immer etwas höher als im 90-Grad-Winkel einnocken muss. Denn sonst würde der sich absenkende hintere Pfeilbereich gegen die Bogenhand schrammen.

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Re: Bogenphysik bei assymetrischen Bögen

Beitrag von SilkyJoe » 28.01.2014, 20:57

Ein Königreich für eine High Speed Kamera!

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