Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

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Galighenna
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Galighenna » 29.04.2015, 13:45

Beide Seiten arbeiten, das ist wohl jedem Klar.
Der Verhältnis der Moduln gibt dabei das Verhältnis der Längenänderung von Bauch und Rücken zueinander an, sowie die Lage der "neutralen Ebene"
Wenn ein E-Modul niedriger ist als das andere, überschreitet halt eine Seite eher die kritische Bruchdehnung oder -kompression, so das entweder der Rücken reißt, oder der Bauch kollabiert.
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MartinK.
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 29.04.2015, 14:35

Also ich finde immer nur einen Wert für den E-Modul der verschiedenen Holzsorten. Eine Quelle in der zwischen Zug-E-Modul und Druck-E-Modul unterschieden wird, ist mir nicht bekannt. Im für den Bogenbau relevanten elastischen Bereich bleibt somit die neutrale Faser wo sie ist. Im Schwerpunkt des Biegequerschnitts, also bei einem Rechteck in der Mitte.

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Wilfrid (✝) » 29.04.2015, 14:55

ganz einfach, bau nen Bogen aus Hasel oder Esche und miß nach ...
Du kannst auch jedes andere Holz nehmen, das zu viel Set neigt

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Heidjer
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Heidjer » 29.04.2015, 15:48

Ja, natürlich arbeiten sowohl die Zugseite als auch die Druckseite, ich vermute mal ungefähr umgekehrt Proportional zur Zug- und Druckfestigkeit.
Da die Festigkeitswerte aber immer bis zum Bruch ermittelt werden, weiß ich nicht, ob sich die Länge mit der Festigkeit lineal verhält, dürfte aber Näherungsweise so sein.
Demnach würde die Neutrale Zone bei einen Bogen der aus doppelt so Zugfesten wie Druckfesten Holz gebaut wurde, etwa bei einen Drittel der Dicke vom Bogenrücken aus sein. Oder anders ausgedrückt, die Längenänderungen verteilen sich so, dass der Bogenrücken um 1/3 der Längenänderung länger wird und der Bogenbauch um 2/3 der Längenänderung kürzer wird. ;)


Gruß Dirk
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 30.04.2015, 10:54

Entschuldige, dass ich so hartnäckig widerspreche, aber dieses Thema gehört halt zu meinem täglich Brot, da muss ich einfach ein bisschen klugscheißen ;-)
Die Festigkeit und der E-Modul (sozusagen die Steifigkeit) eines Werkstoffes haben nicht direkt etwas miteinander zu tun.

Ein Beispiel aus der Welt der Metalle:
Vergütungsstahl C35E, Zugfestigkeit 600-750 N/mm², E-Modul 210 kN/mm²
Titanlegierung 3.7175 Zugfestigkeit über 1070 N/mm², E-Modul 108 kN/mm²

Das gleiche gibt’s auch bei Holz, natürlich nicht ganz so ausgeprägt:
Erle, Zugfestigkeit 94 N/mm², E-Modul 11,7 kN/mm²
Edelkastanie, Zugfestigkeit 135 N/mm², E-Modul 9 kN/mm²

Wenn man jetzt ein Sandwich aus diesen beiden Werkstoffen macht und zu biegen anfängt, würde die Titan(bzw. Kastanien)seite, obwohl sie die höhere Festigkeit hat, aufgrund ihres niedrigeren E-Moduls mehr gedehnt bzw. gestaucht werden.

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von tomtux » 30.04.2015, 16:52

mich würde auch interessieren, wo die hartnäckige vorstellung unterschiedlicher e-module für zug und druck (nicht nur bei holz) herkommt. mir ist keine einzige messung die darauf schliessen lässt bekannt. wenn so etwas irgendwo dokumentiert ist bitte ich um eine quellenangabe, das würde ich mir gerne zu gemüte führen.

sonst gilt halt die normale spannungsverteilung, und da ist beim rechteck die neutrale ebene in der mitte.

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Galighenna » 30.04.2015, 16:57

Okay, ich bin zugegebenermaßen jetzt ein wenig unsicher was die Begriffe Zugfestigkeit/Druckfestigkeit und E-Modul angeht.

E-Modul ist die Biegesteifigkeit, das bedeutet, es ist ein Wert, der angibt, wie sehr sich ein Werkstoff einer Biegung widersetzt.

Was ist Druckfestigkeit? Bedeutet dies: eine Längenänderung durch Druck von x benötigt eine Kraft von xN ? Bzw. wenn ich xN Kraft aufwende, ändert sich die Länge um x Millimeter? Für Zugfestigkeit ebenso...

Wenn das so stimmt, dann stehen E-Modul und Druck-/Zugfestigkeit kompliziert miteinander in Beziehung, denn die Kraft die zum Verbiegen aufgewand werden muss hängt vom Querschnitt, von der Form uvm. und davon ab wie sehr sich Bauch und Rück komprimieren und dehnen lassen.
Das die Werte nicht gleich sind ist klar, denn bei der Biegung haben wir ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren über eine Funktion, während bei der Druck-/Zugfestigkeit allein die Querschnittsfläche und die Kraft eine Rolle spielen.

Das hat zur Folge, mal angenommen mein Verständnis davon sei korrekt, das wir zur Bestimmung der Lage der neutralen Ebene nicht die Moduln, sondern die Festigkeiten vergleichen müssen.
Mit anderen Worten: Hat ein Holz die gleiche Zugfestigkeit wie Druckfestigkeit (was fast nie der Fall ist) liegt die neutrale Ebene in der Mitte. Unterscheiden sie sich, hängt es davon ab wo sich die neutrale Ebene befindet, und welche der beiden Seiten dadurch zuerst ihre Bruchdehnungs oder Stauchungsgrenze überschreitet.

Ein Extrem: Ein Bogen mit einem sehr zugfesten, aber wenig druckfestem Holz. Bei der Biegung wird der Rücken kaum gedehnt, der Bauch muss die gesamte Längenänderung ertragen. Ist die Bruchkompression etwa gleich dem Rücken, dann überschreitet der Bauch seine Grenze eher als der Rücken weil er wegen seiner geringeren Festigkeit stärker komprimiert wird.
Wenn der Rücken aber sehr sehr spröde ist, also eine hohe Festigkeit aber geringe Bruchdehnung hat, wie z.B. stark gerösteter Bambus, kann es dennoch sein, das es den Rücken zerreißt, obwohl der Bauch sehr stark komprimiert wurde, einfach weil schon die geringe Dehnung des Rückens (und eine Dehnung tritt IMMER auf wenn eine Kraft wirkt) seine Bruchdehnungsgrenze überschritten hat.
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 30.04.2015, 17:01

Was ich unbedingt auch noch anmerken wollte:

Mein allerhöchstes Lob für diese exzellente Abstraktion des biegenden Bogens!
Sehr beeindruckend auf die geometrische Grundessenz eingedampft!
Genial einfach und genau deshalb genial!


Gruß, Martin

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Heidjer » 30.04.2015, 17:34

Danke für das Lob aus berufenen Munde, sowas tut manchmal gut. ;)

Mal sehen, wenn ich die nächsten Tage vor Langeweile nichts zu tun weiß, werde ich mal so einen Bogen bauen, sollte keine Stunde dauern. ;D
Natürlich nicht 15mm stark, dafür würde ich gutes Hickory brauchen, aber in 9 oder 10mm Dicke aus Fichte oder Kiefer sollte auch gehen. Den werde ich dann nachmessen, der müßte dann ja eine Längenänderung von ungefähr 2cm mitmachen und das werde ich dann ja wohl auf +- 1mm genau messen können. ;)

Hat jemand zufällig die Festigkeitswerte und E-Modul von Fichte und Kiefer zu Hand und könnte sie hier posten?


Gruß Dirk
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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 30.04.2015, 17:50

@Galighenna

Zur Begriffsklärung:
Zugfestigkeit: Kraft pro Fläche, bei der ein auf Zug belasteter Werkstoff bricht (geschädigt wird er in der Regel schon früher), Einheit z.B. N/mm²
Druckfestigkeit: Kraft pro Fläche, bei der ein auf Druck belasteter Werkstoff bricht (geschädigt wird er in der Regel schon früher), Einheit z.B. N/mm²
E-Modul: Quasi die Federkonstante eines Werkstoffs im elastischen Bereich, also bevor eine irreversible Verformung ("Set") eintritt, Einheit ebenfalls z.B. N/mm² (eigentlich Kraft pro Längenänderung und Querschnittsfläche mal Bauteillänge, also (N/(mm x mm²)) x mm ; aber eben ein Werkstoffkennwert und damit unabhängig von den Bauteilabmessungen)

Beispiele:
Fiktiver Werkstoff: Zugfestigkeit 100 N/mm², Druckfestigkeit 50 N/mm², E-Modul 10.000 N/mm²
Wenn ich an einem quadratischen Stab aus diesem Werkstoff mit 1 mm Kantenlänge (Querschnittsfläche 1 mm²) und 1000 mm Länge mit einer Kraft von 40 N ziehe, wird sich der Stab um (40 N/1 mm²) / (10.000 N/mm²) x 1000 mm = 4 mm dehnen
Wenn ich einen quadratischen Stab aus diesem Werkstoff mit 1 mm Kantenlänge (Querschnittsfläche 1 mm²) und 1000 mm Länge mit einer Kraft von 40 N zusammendrücke *, wird der Stab um (40 N/1 mm²) / (10.000 N/mm²) x 1000 mm = 4 mm gestaucht
Also: gleiche Längenänderung trotz unterschiedlicher Festigkeiten
Wenn ich einen quadratischen Stab aus diesem Werkstoff mit 1 mm Kantenlänge (Querschnittsfläche 1 mm²) und 1000 mm Länge mit einer Kraft von 80 N zusammendrücke *, wird der Stab bei 50 N brechen
Hier liegt also der Unterschied.

*geht natürlich nicht, denn der Stab würde wegknicken, aber mal hypothetisch.

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 30.04.2015, 17:52


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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 30.04.2015, 18:10

Wenn Du eine 4-Punkt-Biegung realisieren kannst, ähnlich wie auf der Skizze dargestelt, erhältst du zwischen den beiden Auflagern ein konstantes Moment und somit bei einem konstanten Querschnitt (z.B. Rechteck) auch eine konstante Krümmung = Kreisbogen, wo du messen kannst.
Dateianhänge
4-Punkt-Biegung.JPG

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von Heidjer » 30.04.2015, 18:28

Danke, machbar ist vieles und 2 Nägel bekomme ich auch in ein Brett. ;)
Müßten die Auflagepunkte nicht genau bei 1/4 und 3/4 der Länge sein?

Ansonsten habe ich genügend E-Sägen rum stehen und eine Leiste von der Mitte her exakt im pyramidalen Zuschnitt, müßte auch einen Kreistiller ergeben. Vielleicht mache sogar beides, erst als Rechteckleiste und 4-Punkten dann nach dem Zuschnitt mit 3-Punkten wie bei einen richtigen Bogen, mal sehen bei welcher Technik sich der bessere Tiller allein durch die Geometrie einstellt. ;D

Wenn, dann komme ich aber erst Samstag oder Sonntag dazu und ich werde dann natürlich auch reichlich Bilder machen, ein paar Ideen spuken dazu schon in meinen Kopf. ;)

Zusätzlich noch Danke für den Link, ich wußte nicht, dass die Werte als Tabelle in Wikipedia stehen.
In jedem Fall sind die Werte von Fichte und Kiefer Holztypisch mit doppelter Zugfestigkeit gegenüber der Druckfestigkeit.


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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von acker » 30.04.2015, 19:28

Ich lese interessiert mit, also macht weiter !
Schöner thread Dirk :)
Tomtux, schön mal wieder etwas von Dir zu lesen.
Der junge Mensch lernt, was die Erwachsenen wissen und verlernt was er als Kind gewusst hat.

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Re: Bogenphysik, Längenänderung eines Bogen

Beitrag von MartinK. » 01.05.2015, 15:17

Zur 4-Punkt-Biegung:
Der Abstand der 4 Lager- bzw. Krafteinleitepunkte ist eigentlich egal. Wichtig ist, dass Du auf beiden Seiten je ein Kräftepaar hast das sich in Betrag und Richtung aufhebt, denn nur dann bleibt zwischen den beiden inneren Auflagern lediglich das Biegemoment übrig, das dann über den gesamten inneren Bereich konstant ist. Ungefähr so wie im Anhang dargestellt, schaut das normal aus.

Schwierig wird die Sache (deshalb "realisieren kannst"), weil sich der Bogen biegt und dann das mit der Kraftrichtung so eine Sache wird. Bei diesen TM*-Standardfällen wird immer von "kleinen" Verformungen ausgegangen, aber bei kleinen Verformungen gibt's halt entsprechend wenig zu messen (beim pyramidalen Zuschnitt tritt das Problem mit den kleinen Verformungen aber auch auf)
*technische Mechanik

Eine Längung des Bogenrückens sollte sich aber in jedem Fall nachweisen lassen (hoffe ich :-\ )
Dateianhänge
4-P-Biegung.PNG
So sieht der TM-Standardfall aus

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