Sehne als Seil drehen

Themen zum Bogenbau
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Zunder
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Sehne als Seil drehen

Beitrag von Zunder » 03.03.2008, 19:01

Hallo zusammen,

bin neu hier im Forum und dies ist mein erster Beitrag. Habe keine Rubrik gefunden, um mich vorzustellen. Wenn es so etwas gibt, sagt es mir bitte.

Zu meiner Frage: Habe soeben meinen ersten Bogen gebaut und beschäftige mich mit der Sehne.

Gibt es einen Grund, warum die Sehne nicht als Seil geschlagen wird (aus Fäden Kardeelen schlagen und aus Kardeelen ein Seil schlagen)?

Markus

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mbf
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von mbf » 03.03.2008, 19:50

Meist Du die Machart "Flämisch gespleißt"? Wird genau so gemacht. So ca. 5-8 Fäden (abhängig von der Anzahl der Kardeele, Dicke der Fäden, Dicke der zukünftigen Sehne und so weiter) werden zu einer Kardeele und aus 2-3 Kardeelen (typisch: 2) wird dann die Sehne.
Der Pfeil fliegt hoch, der Pfeil fliegt weit.
Warum nicht - er hat ja Zeit!
-- Modifiziert nach einer Vorlage von Heinz Erhardt

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Zunder
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Zunder » 03.03.2008, 20:39

mbf hat geschrieben:Meist Du die Machart "Flämisch gespleißt"? Wird genau so gemacht. So ca. 5-8 Fäden (abhängig von der Anzahl der Kardeele, Dicke der Fäden, Dicke der zukünftigen Sehne und so weiter) werden zu einer Kardeele und aus 2-3 Kardeelen (typisch: 2) wird dann die Sehne.


Hallo mbf,

Danke für Deine Antwort. Ich dachte an ein "Seil", welches von "oben" bis "unten" geschlagen ist. Unabhängig von den Ohren für die Sehnen.

Also nicht nur ein paar Umdrehungen eingedreht (im Extremfall nahezu parallele Garnfäden), sondern ein richtiges "Seil".

Markus

gervase
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von gervase » 03.03.2008, 21:06

Markus,
das geht schon. Hab ich einmal gemacht, war mir aber zu viel Arbeit.
Ausserdem brauchst du mehr Sehnengarn und die Sehne wird schwerer.
Die Frage ist doch, wozu das gut sein soll bzw. wo der Vorteil dieser Machart liegt.
Verstehen kann man das Leben nur rueckw?aerts, aber leben muss man es vorwaerts....

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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Lumpi » 03.03.2008, 22:29

Hallo,
meiner Meinung nach würde eine Sehne im Seilformat eine verminderte Wurfleistung bringen, da sie elastisch wie ein Gummiband und zu schwer werden würde.
Eine normale Sehne dreht man ja auch keine hunterte Umdrehungen ein, da das zu diesem Effekt führen würde. Je gerader die Stränge liegen, um so wehniger dynamische Dehnung entsteht.

Gruß
Thomas
Zuletzt geändert von Lumpi am 03.03.2008, 22:31, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von walta » 03.03.2008, 22:45

mich würde interessieren was du dir davon versprichst? niemand macht sich eine extraarbeit wenn er sich nicht was bestimmtes erwarten würden.

grüsse
walta
-----------
man darf gespannt sein :-)

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Ravenheart
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Ravenheart » 03.03.2008, 23:45

Nachsicht, Leute er fragt doch nur, warum!

@Zunder: Erst mal: Willkommen in der FC!  :)

Eine Sehne muss mehreren Anforderungen genügen:

1. Sie soll halten
<>
2. Sie soll möglichst wenig Energie für die eigene Bewegung verbrauchen

und

3. Sie soll von der Wurfarm-Energie möglichst viel auf den Pfeil übertragen,
<>
4. Sie soll NACHDEM der Pfeil weg ist, die Wurfarme sanft abbremsen.

Sowohl 1 und 2, wie auch 3 und 4 widersprechen sich!
Für 1 müsste sie dicker sein, für 2 dünner (leichter),
für 3 müsste sie dehnungsarm sein, für 4 elastisch federn.

Fastflight (FF), dünn, leicht und wenig elastisch, erfüllt 1, 2 und 3,
aber 4 so wenig, dass ein Bogen dafür zugelassen sein muss, sonst kann der Schock ihn zerlegen.

Dacron erfüllt 1 und 4, ist aber relativ zu FF dick und schwer.

Nun zur Sehnenform:

Je gestreckter die Sehnenstränge verlaufen, desto weniger federn sie (Darum sind Spiralfedern ja gewunden!!).

Bei Dacron als Sehnenmaterial ist es also von Vorteil, die Stränge eher gestreckt zu lassen. Dadurch wird 3. begünstigt, und 4. noch gut erfüllt, weils elastischer ist.

Bei FF kann eine gedrehte Ausführung 4. verbessern.

Aber noch etwas ist zu beachten:

Die Querschnitt-Form!

Legst Du 14 Sehnenstränge parallel nebeneinander und drehst sie dann ein paar mal spiralig zusammen, hat das Ergebnis so eine Form: O

Verdrehst Du vorher je die Hälfte zu einer Kardeele, und dann beide umeinander, haben sie im Querschnitt so eine Form: 8


Das ist sowohl optisch wie auch im Gebrauch unschöner, denn selbst unter einer Mittelwicklung sieht so eine Sehne aus wie Spirale, aber nicht rund!
Und das fühlt man auch!

Fazit: Beim meist verwendeten Dacron als Sehnenmaterial ist ein eher gestreckter Verlauf der Stränge und eine runde Form vorzuziehen.

Bei FF kann auch eine spiralige Form besser sein, um den Bogen zu schonen, aber WENN der eh für FF zugelassen ist, verschenkt man damit nur Leistung.

Und optisch wie taktil (=Greifgefühl) ist die runde Form besser.

Daher macht eine als Seil gedrehte Sehne in den meisten Fällen keinen Sinn!

Rabe

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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Squid (✝) » 04.03.2008, 00:39

Demnach wäre für Natursehnen aus Leinen, Darm, Nessel (oder wer weiss was für Fasern) die optimale - weil runde Form - eine Sehne aus 7 dünnen gedrehten Einzelsträngen, die als Gesamtheit der Zugstärke des Bogens entsprechen und wie folgt aneinander liegen?
Denn 7 gleichstarke Zylinder aneinander ergeben ja - hinsichtlich des kleinsten Gesamtumfanges - immer diese Struktur:

                    OO
                   OOO
                    OO


Wenn man zu schwache Einzelstränge für 7 hat, wäre dann eine 13-strang-sehne optimal, bei der in den 6 Kontaktpunkten der äusseren Stränge in der 7er-Gruppe jeweils ein weiterer Strang verläuft.

Um mich aber auch noch mal zur Grundfrage zu äussern: Eine klassisches Seil soll ja eine gewisse Dehnbarkeit aufweisen, ohne an Festigkeit zu verlieren. Im Extrem sieht man das z.B. bei Schiffstrossen von Schleppern. Wenn diese Seile nicht beim Anziehen nachgeben würden, würden sie dauernd reissen, bevor sich der 300.000 t Tanker in Bewegung setzt. 

Beim Bogenschiessen soll die Federung bzw. Federkraft aber - zum Großteil - aus dem Bogen, nicht aus der Sehne kommen.

Daher sind hier Seile - Sehnen - erwünscht, die kaum nachgiebig sind und dem Pfeil die Schnellkraft des Holzes ohne "eigene Meinung" weitergeben. Federung in der Sehne - im Extremfall ein Gummiband - ist nicht erwünscht.

Natürlich geht das nicht ohne Kompromisse, weil man sonst unter Umständen den Bogen beschädigt.

Zu diesen Details siehe aber den Post des Raben ;-)
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 04.03.2008, 01:37, insgesamt 1-mal geändert.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

Boettger
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Boettger » 04.03.2008, 09:46

Meine erste Sehne war aus Leinengarn. Zwei Kardeele wurden daraus gefertigt und die Sehne vom Öhrchen bis zum Bogenbauerknoten "durchgeschlagen". Der Querschnitt war zwar nicht ganz rund, das hat mich aber nicht wirklich gestört. Sah eigentlich ganz gut aus und funktionierte gut.

Später habe ich Sehnen (aus 3x4 Kardeelen Dacron) gebaut, die ebenfalls durchgeschlagen waren, allerdings aus drei Kardeelen gefertigt waren. Der Querschnitt der Sehne wird dadurch fast ideal rund und es sieht auch gut aus.
Der Bogen ließ sich weich schießen uns sah mit durchgeschlagener Sehne auch "authentischer" aus wie ich finde. Allerdings muss man mit abfälligen und kritischen Bemerkungen anderer Bogner leben können. 

Wir gehen heute fast automatisch von Dacron-Sehnen - also Kunststoffsehnen aus.
Die Dacron-Fäden sind unendlich lang und ermöglichen so leichtere Sehnen mit guten Eigenschaften bzw. den von ravenheart dargestellten Vorteilen.

Meine Meinung ist, dass das bei Sehnen aus echten Naturfasern ganz anders aussieht.
Ich kann mir vorstellen, dass man aus Darm und evtl. noch Hanf Fasern gewinnen kann, die lang genug sind, um Sehnen herzustellen, die nicht durchgeschlagen werden müssen und so verlässlich sind. In der TBB sind ja glaube ich auch Bilder von solchen Sehnen aus Tierdarm zu sehen.

Aber eigentlich alle anderen Materialien (Tiersehne, Brennesselartige, Leinen etc.) müssen doch gesponnen werden, bzw. werden die Kardeele aus einzelnen relativ kurzen Strängen gedreht.
Solcherart hergestellte Kardeele würde ich immer "durchschlagen" (ich sage eher "durchwuzeln"), weil sie mir nur lose eingedreht - wie bei den modernen Sehnen üblich - nicht sicher genug wären.

Hier würde ich der Sicherheit der Sehne also deutlich den Vorrang vor einer im praktischen Wert (z.B. der Jagd) ja relativen "Pfeilgeschwindigkeit" geben.
Und ich vermute stark, dass die Bogner früherer Zeiten das ebenfalls genau so gemacht haben und die gewünschte Pfeilgeschwindigkeit eher über die Stärke des Bogens als über das Gewicht der Sehne zu erreichen suchten.

Und übrigends: So viel Arbeit ist das durchschlagen ja nun auch wieder nicht.

mfG

gian-luca
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von gian-luca » 04.03.2008, 12:08

ich schliesse mich boettger an, meine erfahrungen mit leinensehnen haben ergeben, dass eine voll durchgeschlagene sehne wesentlich sicherer ist. zudem ist leinen nicht sehr elastisch und wäre bei den kunstoffen wohl eher bei fastflight als bei dacron einzuordnen. ein grund mehr, leinensehnen ganz zu 'kardeelen'.
übrigens braucht der pip bickerstaffe fastflight für seine (laminierten) holz-langbögen. er macht seine sehnen recht dünn, nach flämischer art  und spleisst noch etwas zusatzmaterial in die öhrchen (zum federn sagt er). natürlich ermöglichen das auch noch die klassischen hornnocken.

gruss,
gian-luca

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walta
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von walta » 04.03.2008, 13:27

na also - es gibt also gründe für das seilewuzeln (darf man das so nennen oder ist das ein fauxpass :-)

jetzt möchte - neugierig wie ich halt bin - doch wissen was sich Zunder davon verspricht. man kann aus allem lernen - auch wenns noch so komisch klingen mag.

grüsse
walta
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wer frägt kriegt antworten :-)

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Ravenheart
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Ravenheart » 04.03.2008, 15:30

Fragen wir uns doch erst mal:

WARUM sind unsere Altvorderen überhaupt auf die Idee gekommen, Seile aus gedrehten Kardeelen herzustellen??

Nun, die Antwort ist leicht - jeder kann das im Spätsommer mit ein paar trockenen, langen Grashalmen ausprobieren:

Liegen die Fasern (Halme) parallel nebeneinander und werden auf Zug belastet, passiert "in Zeitlupe" das:
Bei einer Zugkraft X reißt die schwächste Faser. Dadurch sinkt die Gesamt-festigkeit des Bündels, außerdem ergibt es einen Ruck. Dadurch reißt die nächste, 2.-schwächste Faser, u.s.w....

Dreht man hingegen das Bündel zu einer Kardeele, entsteht zwischen den einzelnen Fasern Reibung, die erst überwunden werden muss, damit eine Faser reißen kann.

Dadurch wird die Zugfestigkeit jeder einzelnen Faser, auch der o.g. schwächsten, erhöht! Und somit erhöht sich die Gesamt-Zugfestigkeit!

Dieser Effekt ist auch dei Grundlage des Faden-Spinnens an sich...

Naturfasern bestehen in der Regel NICHT aus endlosen Fäden (eine Fast-Ausnahme ist Seide!). Aus kurzen Fasern gesponnene Fäden haben aber immer wieder mal Schwachstellen, nämlich da, wo zufällig mehr als 1 Faser gleichzeitig endet.

Durch Eindrehen werden die Schwachstellen über die Reibung weitgehend ausgeglichen, oder zumindest stark verbessert, zumal Naturfasern eher rau an der Oberfläche sind.

Daher macht da das Arbeiten in durchgehenden Kardeelen Sinn!

Kunstfasern wie Dacron sind aber quasi endlos, und zudem weitgehend fehlerfrei!

Zwar steigert auch dort das Eindrehen zusätzlich die Zugfestigkeit, aber nun ist es weniger NÖTIG, so dass der Vorteil mit den o.a. Nachteilen abgewogen werden kann/muss!

Rabe

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walta
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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von walta » 04.03.2008, 18:42

dankeschön
irgendwann werd ich das mit den natursehnen mal ausprobieren (brennessel wachsen bei mir meistens besser als der salat :-)
leider ist das herstellen von fäden aus brennessel in vergessenheit geraten :-(

grüsse
walta
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für jeden blödsinn zu haben.  :-)

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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Zunder » 04.03.2008, 21:50

walta hat geschrieben:jetzt möchte - neugierig wie ich halt bin - doch wissen was sich Zunder davon verspricht.
grüsse
walta
-----------------
wer frägt kriegt antworten :-)


Da möchte ich die Antwort natürlich nicht schuldig bleiben! Aber zunächst vielen Dank für Eure ausführlichen Antworten.

"Boettger" hat meine Intention ziemlich getroffen. Da mein erster Bogen in Anlehnung an den jungsteinzeitlichen Bogen vom Typ "Bodman" gebaut wurde, bin ich auch an einer Sehne mit authentischem Erscheinungsbild interessiert. Ob die Sehne die volle Leistung bringt (oder nicht) ist mir dabei nicht so wichtig.

Und mit diesem Maschinchen ( http://www.schiffsmodell.net/viewtopic.php?t=4717&nbsp; ) scheint der Aufwand auch nicht besonders groß zu sein  ;).

Viele Grüße,

Markus

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Re: Sehne als Seil drehen

Beitrag von Dustybaer » 05.03.2008, 09:50

klasse die reepmaschine. 

meine erste sehne hatte ich durchgeschlagen.  bei einer laenge von 2 metern hab ich fast eine stunde daran gesessen und anschliessend gedacht die daumen fallen mir ab  ;D
Bis bald

Marius


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