Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Hier kommt alles rein, was in irgendeiner Form mit der Herstellung von Messern zu tun hat.
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Rizzar
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von Rizzar » 04.03.2014, 18:21

Ich weiß schon warum ich mich dazu entschlossen habe demnächst einen Härteofen zu bauen.

Bis dahin geht noch Alles mit Esse und Backofen ^^

Ob jetzt eine Friteuse geschlossen in der Ecke steht, oder der Topf "Giftmüll"...

Was ist denn nun der passende Temperaturpunkt??? Was willst Du so hoch anlassen, was nicht auch durch eine längere Anlassdauer kompensiert werden kann?

Du erwähntest grob eine Klinge im Jahr zu machen, aber wegen dem Energieverbrauch nicht an den Backofen gehen zu wollen??

Salze kosten übrigens auch Geld (auch das Erhitzen), bis du die im Vergleich zum Backofen "gesparte" Energie raushast vergehen da mal Jahre.
Der Behälter, den man vermutlich nur noch dafür benutzen kann, hat vermutlich auch irgendeinen materiellen Gegenwert.

Rizzar

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shokunin
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von shokunin » 04.03.2014, 19:31

Gross giftig oder bedenklich ist Salpeter nun nicht, denke ich.

Das Hauptproblem mit Salzbädern allgemein ist, dass man Salze gut über den Schmelzpunkt erhitzen kann, und dass der eigentlich immer eh schon über der normalen Anlasstemperatur für Klingen liegt.
Wir nehmen KNO3/NaNO3 auch zum Reinigen von Edelmetall-Schmelzgut weil es unedle Verunreinigungen verbrennt. Man sieht beim Schmelzen am Salz keinen Unterschied zwischen 310C, 350, 400,...
Also auch nicht wirklich "punktgenau" ohne regelbare Temperatur...
Und es ist halt eigentlich immer zu warm wenn man nur 220 Grad braucht.

Ich denke wenn man keinen Ofen hat und sonst nicht gross irgendwas kaufen will und eh nur eine oder zwei Klingen im Jahr herstellt, dann ist Anlassen "optisch" mit Feuer oder heisser Herdplatte am Besten. Das kann man ja auch mehrfach machen um dem Effekt des Haltens auf Anlasstemperatur wenigstens nahe zu kommen.

Und mal offen gesagt, was machen wir denn mit den Messern gross...? So genau geht es doch auch nicht. Wir sind ja nicht Rambo, der mit dem Messer unter Tags ganze Armeen nieder machen muss und sich immer noch am nächsten Morgen damit rasieren ::)
Und es haben ja eh die wenigsten von uns überhaupt die Möglichkeit "punktgenau" zu härten, da wird das Anlassen auch nicht das Problem sein...


Gruss,
Mark
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Galighenna
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von Galighenna » 04.03.2014, 19:43

Also ein Speiseöl das explizit zum Braten genutzt werden kann, kann ohne zu qualmen auf 250-260°C erhitzt werden. Das habe ich in einer Pfanne mal selbst ausgemessen.
Deshalb ist folgender Aufbau wahrscheinlich am besten:

Friteusen-Fett besorgen, Friteuse damit füllen, auf Temperatur schalten, kontrollieren ob und wie genau die Temperatur gehalten wird, und dann die Klinge hinein geben. Gewünschte Zeit abwarten, Klinge entfernen, Fett fest werden lassen, alles ohne Kleckergefahr weg stellen und fertig ist die Laube.
Das ist
A recht ungiftig
B relativ feuer-ungefährlich
C kostengünstig (-er als spezial Flüssigkeiten)
D Je nach Thermostat in der Friteuse ziemlich genau

Das wäre echt mein Mittel der Wahl...
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Bognhansl
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von Bognhansl » 05.03.2014, 09:03

Nochmal meine Frage: Wofür brauchst Du 370° Anlasstemperatur?

Meine Tipps zum IR-Thermometer:
1.) Kaufe nie bei Conrad, sonst kaufst Du zweimal.
2.) Fluke ist teuer, rentiert sich aber-

Gruß
Hans

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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von gian-luca » 09.03.2014, 22:08

Ich hab jetzt nicht alle Beiträge im Detail gelesen, aber wieso lässt Du nicht differentiell an? Mit einem Brenner oder einer anderen Hitzquelle: Rücken des Messers erhitzen und kucken wie die Farben wandern. Mit ewtas Übung geht das sehr gut. Ich lasse meine Monostahlmesserchen oft so an, auch bei meinen Kursen kommt diese uralte Methode zum Zug. Wenn Du's einfach haben willst, ist doch das ein gangabrer Weg...

Gruss,
gianni

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captainplanet
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von captainplanet » 27.03.2014, 16:50

gian-luca hat geschrieben:Mit einem Brenner oder einer anderen Hitzquelle: Rücken des Messers erhitzen und kucken wie die Farben wandern. Mit ewtas Übung geht das sehr gut. Ich lasse meine Monostahlmesserchen oft so an, auch bei meinen Kursen kommt diese uralte Methode zum Zug. Wenn Du's einfach haben willst, ist doch das ein gangabrer Weg...

Das habe ich zugegebenermaßen nie ganz verstanden, wie das funktionieren soll: Die Anlaßtemperatur wird ja mit dieser Methode nur kurz erreicht wird bzw stelle ich es mir sehr schwierig, sie auf diese Weise über einen längeren Zeitraum konstant zu halten.
Moderne Verfahren arbeiten aber mit Haltezeiten von mehreren Stunden. Aber diesen Aufwand würde doch niemand treiben, wenn es ausreichen würde den Stahl für ein paar Sekunden auf Anlaßtemperatur zu erhitzen?

Lg Georg
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Bastelnomade
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von Bastelnomade » 27.03.2014, 18:42

captainplanet hat geschrieben:
gian-luca hat geschrieben:Mit einem Brenner oder einer anderen Hitzquelle: Rücken des Messers erhitzen und kucken wie die Farben wandern. Mit ewtas Übung geht das sehr gut. Ich lasse meine Monostahlmesserchen oft so an, auch bei meinen Kursen kommt diese uralte Methode zum Zug. Wenn Du's einfach haben willst, ist doch das ein gangabrer Weg...

Das habe ich zugegebenermaßen nie ganz verstanden, wie das funktionieren soll: Die Anlaßtemperatur wird ja mit dieser Methode nur kurz erreicht wird bzw stelle ich es mir sehr schwierig, sie auf diese Weise über einen längeren Zeitraum konstant zu halten.
Moderne Verfahren arbeiten aber mit Haltezeiten von mehreren Stunden. Aber diesen Aufwand würde doch niemand treiben, wenn es ausreichen würde den Stahl für ein paar Sekunden auf Anlaßtemperatur zu erhitzen?

Lg Georg


Temperatur ist der weit wichtigere Punkt als Anlassdauer. Das genaue Verhältnis habe ich nicht mehr im Kopf. Die Anlasszeiten in den Datenblättern sind auch nicht direkt auf das Messermachen übertragbar, wir bewegen uns in wirklich winzigen Querschnitten im Verhältnis zu den industriellen Anwendungszwecken.
Ich gehe dabei davon aus, wir arbeiten mit klassischen rostenden Werkzeugstählen.

Ich verstehe daher auch nicht, wieso überhaupt der ganze Aufwand? Ein Backofen ist, wenn man Erfahrung mit ihm entwickelt hat und ein zusätzliches Thermometer nutzt, für das Anlassen von Messerklingen super. Und den Temperaturbereich der Blausprödigkeit würde ich ohnehin vermeiden. Die 200°C sind eigentlich optimal. Wenn damit aber absolut nicht der gewünschte Härtebereich getroffen wird, würde ich mir eher Gedanken um meine Werkstoffwahl machen.

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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von Galighenna » 27.03.2014, 18:46

Da hast du recht!
Das Anlassen ist ein Vorgang bei dem sowohl Temperatur als auch Dauer eine Rolle spielen. 1min Anlassen auf 230°C hat nicht den gleichen Effekt wie z.B. 120min bei 230°C.
Nach 1min wird der Stahl viel härter und spröder sein als nach 120min.

Wenn man sowas wirklich ganz präzise durchführen will um ganz exakte Materialkennwerte zu erzielen kommt man nicht um eine exakt geplante Temperaturführung und -messung herum.

Wenn ich aber eine Messerklinge mit ca 58HRC herstellen will, sollte bei bekanntem Werkstoff, die Temperaturführung im Backofen mit Thermometer so genau sein, das man mit ner Toleranz von +/- 1 HRC trifft.
Natürlich nur dann, wenn der Härtevorgang ausreichend präzise und gut war.
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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von gian-luca » 28.03.2014, 08:32

@captainplanet:

das Verfahren mit dem Erhitzen und von Auge beobachten der Anlauffarben funktioniert seit Jahrhunderten. Das muss es ja, da präzise gesteuerte Öfen noch nicht so lange in Gebrauch sind :)
Ich habe schon dutzende Messer so angelassen und auch etliche Meissel, Hämmer und auch eine Axt. Mit durchaus guten Resultaten.
Von japanischen Schmieden habe ich z.B. gelesen, dass sie beim traditionellen Anlassen ein Stück Bronze erhitzen und dann die Messer mit dem Rücken drauf legen und beobachten wie die Anlauffarben (http://de.wikipedia.org/wiki/Anlassen) zur Klinge hin wandern.
Bei grösseren Stücken, eben Hämmer, Meissel usw. kann man nach dem Härten mit der Restwärme im Stück auch gleich anlassen. Ist praktisch und schnell gemacht...

Aufpassen muss man mit den angegeben Anlasszeiten der Stahl- und Werkzeugherteller. Die gehen fast nie von so dünnen Querschnitten aus wie sie bei Messern die Norm sind. Im kleinen Stahlschlüssel bezieht sich z.B. alles auf Querschnitte von 20x20mm. Meine Klingen sind jedoch bei der Schneide aller,allerhöchstens 0.5mm dick. Da reicht eine weitaus kürzere Anlassdauer...

Gruss,
gianni
Zuletzt geändert von gian-luca am 28.03.2014, 09:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von kra » 28.03.2014, 09:12

Als härtetechnisch eher unbeleckter trotzdem ein Kommentar aus der Vorstellung wie das Ablaufen kann:

Wenn mit der Methode "Den Rücken mit einer Flamme erwärmen und das Wandern der Anlaßfarben beobachten und dann direkt im Wasser stoppen" erreicht man noch etwas anderes: der Rücken, der der Flamme ausgesetzt wurde wird dadurch deutlich weicher als die Schneide, was bewirkt, das man die Schneidkante härter (=spröder) halten kann bei gleichzeitig weicherem (=weniger sprödem) Messerrücken.

Bitte um Korrektur, wenn ich da was übersehen habe.
“Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.”
– George Bernard Shaw

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Re: Punktgenaues Anlassen ohne Ofen

Beitrag von gian-luca » 28.03.2014, 09:41

Stimmt genau und das ist ja durchaus ein Vorteil dieser Methode des differentiellen Anlassens.
Nur beim Damast mache ich es nicht, weil die Färbung nach der Ätzung dann zu unregelmässig und unschön wird, aber bei Damast geht es ja heutzutage ziemlich stark um die show :-)

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