FCler kämpfen in Tilleda/Ungarnüberfall

Sonstige Themen rund ums Mittelalter.
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shewolf
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FCler kämpfen in Tilleda/Ungarnüberfall

Beitrag von shewolf » 17.07.2006, 21:59

Es war ein dramatisches Kapitel des dunklen 10. Jahrhunderts: die Ungarn fielen plündernd und mordend in Europa ein, zogen mit ihren Reiterhorden durch die deutschen Lande hoch bis Dänemark und kamen auch durch Frankenreich bis Hispania. Einen Zwischenstopp legten sie auf der Königspfalz in Tilleda ein...

16. Juli anno domini 2006: mein Filz-und-Pelzkaftan ist mörderisch heiß, ich sitze bei 30 Grad in praller Mittagssonne auf dem Pferd. Auf der Wiese tummelt sich frühmittelalterlich Gewandetes Dorfvolk um einen Wagen, Männer und Frauen arbeiten, streiten und lachen.

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Doch da kommt ein Bote des Königs, Ungarn wurden gesichtet: "Sie brennen und morden, und trinken das Blut ihrer Feinde!" Unruhe bricht aus, Gerüchte machen die runde. Hinter uns steckt die örtliche Feuerwehr eine Rauchfackel an, schon kommt unser Signal „Die Ungarn kommen!“ und also geht’s los!

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Im Galopp den Berg hoch, Pfeile verschießend über die schreienden und fliehenden Bauern (-darsteller) hinweg. Auf die vorderen Reiter achten (nicht die Schussbahn kreuzen) auf die Darsteller achten (keinen umreiten) auf die Waffe achten (sauber einnocken, ballistische Schüsse), dabei das Pferd gerade halten, die Mütze nicht verlieren und das Kampfgeschrei nicht vergessen, bitteschön. :D

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Oben angekommen reicht uns unser freundlicher "Hilfsungar“ noch mehr Bluntpfeile, also Pferde wenden, zurückgallopieren, schreien, schießen, Wagen umkreisen - Pfeile alle weg? Dann Säbel raus...

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... und hussa um die (nun schon wunderbar theathralisch gemeuchelte) Darstellertruppe gallopieren. An den Zuschauern entlang, die hastig die Füße einziehen, Säbel schwenken und zurück.

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Die Gefangennahme der Geiseln nicht vergessen, denn schließlich galt es ja noch Tribut einzufordern!

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Zwischendurch wird dem Pferd zu warm, es fällt in Trab, also treibentreibentreiben ...uff wir gallopieren wieder. Der Hauptmann gibt das Signal zum Rückzug, also holterdiepolter den Abhang hinunter hinters frühmittelalterliche Bauernhaus, dort versteckt warten bis zur zweiten Attacke und bis die Gegner eintreffen.

Der König hat nach unserm ersten Angriff seine Truppen aufgestellt, im Kampf gegen slawische Stämme geschult und ist nun bereit für uns Ungarn. Wir also wieder raus, vor zum Haupttor, und dort rücken nun die Fußtruppen aus und bilden einen scheppernden Schildwall.

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Die Darstellung der Truppe ist so überzeugend, das unsere Pferde in geschlossener Formation ausrücken und flüchten. Hoppla, Pferd zügeln, umdrehen, und Schildwall umkreisen. Na ja, „umeiern“ reicht auch.

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Schließlich kommen die beiden ottonischen Panzerreiter, die wir eigentlich frontal anreiten wollten.

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Doch irgendwie landen wir ständig alle fünf im Drubbel auf einer Seite, also gibt es ein wildes Hauen und Stechen und Brüllen und Getümmel – wer hat nur dieses Drehbuch geschrieben?!?

So langsam droht mein Pferd mit Generalstreik, und mir der Hitzetod. Endlich haben wir genug getümmelt, und erleichtert dürfen wir fliehen. Das publikumwirksame ich-verliere-meinen-Mantel fällt aus, weil meine verschwitzen Hände den Knoten im Rücken nicht aufbekommen.

Aber egal, das Publikum war begeistert, unzählige Kinder wollten anschließend noch die Kampfhaflinger streicheln bzw. mal aufsitzen. Die Museumsleitung war zufrieden, und wir waren alle völlig erschöpft: das war also der Ungarnüberfall auf der Pfalz Tilleda.

Ein Dickes Lob an die roten Adler vom Franko Flämischen Kontingent, deren Truppe hervorragend geflohen und gestorben ist. Danke für Euer Vertrauen, das Ihr Euch als „Toter Mann“ bzw. „Tote Frau“ auf die Wiese gelegt habt, wo wir mit unseren Pferden kreuz und quer galoppiert sind. Danke für Euren Mut, sich unserem Beschuß auszusetzen – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht ungefährlich und ich hätte fast noch meinen Mann – unterwegs als ungarischer Pfeilesammler auf dem Schlachtfeld – abgeschossen.

Weiteren Dank an Maik für seine Nachsicht mit uns Rekruten und seine FFC-Truppe für die Übungseinheiten mit Karotteneimer, in denen wir den Pferden den Schildwall zeigen konnten.
... an Alex & Thomas für die souveräne Lanzenführung auf ihren Pferden– im vollen Gallop von einem entgegenkommenden Reiter mit dessen Lanz nur ganz sanft touchiert zu werden, wenn man schon glaubt „gleich hauts mich aus dem Sattel“ ist schon ein besonderes Erlebnis!
... an alle Familienmitglieder und Freunde, die mit ins Mittelalter gezogen sind und uns unterstützt haben.
... an Horst, der seine Indianerfedern gegen Pumphosen tauschte und mit viel Rat und Tat zum Gelingen entscheidend beitrug: er hatte als einziger Showerfahrung mit Pferden, und hatte viele gute Tips.

Tja, und wie ich Niels das wiedergutmache, das er mir sein Pferd anvertraute, nie die Geduld verlor und trotz 1000 Fragen ein netter Kerl blieb, weiß ich auch noch nicht...

Und hier noch mal der ungarische Hauptmann, wie er vor seiner Jurte (Danke fürs mitbringen, Andrew :bussi) steht und in den Sonnenuntergang blickt, und dabei schon den nächsten Überfall plant...

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flechador
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Beitrag von flechador » 17.07.2006, 22:09

Immer wenn irgendwo was schönes stadtfand war ich nicht da :bash :-(
Aber wenn du mich nächstes jahr frühzeitig drauf hinweist :anbet komme ich :o
Wenn das Gl?ck dich verl?sst dann geh doch einfach mit;)

Pochifiore

Beitrag von Pochifiore » 17.07.2006, 22:14

cooooool!
:anbet

War sicher total gelungen! :-)

Taran
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Klingt sehr spannend

Beitrag von Taran » 17.07.2006, 22:59

Große Fotos?
Videos?

Nur eins hab ich nicht kapiert: Schildwall mit Karotteneimern? Haben die Pferde eine Belohnung gekriegt oder wie? Ich stelle mir gerade einen Eimerwall vor, oder noch besser einen Karottenwall...

Stell dir vor, es ist Krieg und alle essen Karotten!

Wenn ihr mal wieder panische Opfer braucht, melde ich mich!
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Niels

Beitrag von Niels » 17.07.2006, 23:12

Es war ein super Wochenende. Toller Bericht Shewolf. Ich grinse immer noch vor mich hin.

Besonders über das "umeiern reicht auch". :D :D Jeder, der schon mal versucht hat, einen brüllenden Schildwall mit darauf natürlich nicht trainierten Pferden zu kontaktieren, wird sich das Bild gut vorstellen können. :) :)

Aber hey, im Kampf mit den Panzerreitern waren wir doch gar nicht so schlecht. Immerhin haben wir doch wenigstens jeweils einmal mit den schildwallgeschädigten Pferden noch eine Formation bilden können, bevor das Getümmel losbrach. Naja, und verlieren mussten wir nunmal, um die geschichtlichen Tatsachen nicht zu verdrehen.

In der Gegend von Tilleda soll 933 eine es eine der ersten größeren Niederlagen der Ungarn gegeben haben (Riade/Ritteburg). Darauf bezog sich der erste Teil der Veranstaltung im Freilichtmuseum der Königspfalz Tilleda.

Noch ein paar kleine Richtigstellungen zum Bericht von Shewolf. Der Tribut wurde nicht für die Geiseln gezahlt, sondern im Rahmen des neunjährigen Waffenstillstands infolge der Gefangennahme eines ungarischen Anführers. Dieser wurde für die Aufstellung der Panzerreiter genutzt. Die Roten Adler gehören nicht zum Franco-Flämischen-Contigent für Hastings. Dass sie wagemutige Bauerndarsteller waren, stimmt allerdings.

Apropos Wagemut; Horst, gute Besserung der geprellten Rippe. Meiner Schulter geht es jedenfalls schon besser. Wir haben aus den Trainingsstürzen gelernt; an der Seite des Pferdes hängen, kann aua machen, besonders wenn so ein Übereifriger dabei aus dem Schildwall springt und brüllt. :-o ;-) :)

Ich drücke besonders der Leila ganz fest die Daumen, dass dieser blöde Vorfall am Anbinder keine schlimmeren Folgen hat.

Danke an die Ungarntruppe und alle anderen, die zum Gelingen dieses superschönen Wochenendes beigetragen haben. Wenn ich das Bild des auf mich zurasenden Panzerreiters abrufe und dem eigenen Pferd nochmal gedanklich das Signal zur Gegenattacke geben, schießt mir immer noch nachträglich das Adrenalin ins Blut ... :D

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Angela
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Beitrag von Angela » 17.07.2006, 23:13

Ihr seht super aus, klasse Fotos auch!! Wäre gerne dabei gesesen, hoffentlich hat wer ein Video gemacht...

Uli
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Beitrag von Uli » 18.07.2006, 07:48

Ich war in Tilleda und habe mir das ganze angesehen. War eine gelungene Vorführung. Gefallen hat mir auch, als Niels (ich denke mal er war es) den Leuten beim Bogenturnier, die eher dürftige Leistungen abgeliefert hatten, mal zeigte, wie man vom Pferd aus eine Gummisau abschießt. War ein guter Schuss.

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Beitrag von Hunbow » 18.07.2006, 08:52

mir fällt was an den fotos auf. sie sind dynamischer und ihr macht irgendwie eine deutlich bessere figur. das viele üben zahlt sich sichtbar aus. es geht wohl offensichtlich auch ohne kassai bogenreitschule.

viel erfolg weiterhin! :knuddel
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Filmtipp:
http://www.struckthefilm.com/

benz

Beitrag von benz » 18.07.2006, 09:50

Hallo,

sehen super aus die Fotos, auch ich hoffe daß es ein Video geben wird?!

Da Neugier mein zweiter Vorname ist stellen sich aus dem Gelesenen natürlich viele Fragen:

Wie kamen die Verletzungen zu stande, was war mit Lila, wie war das von den Lanzen gesteichelt werden genau......?

liebe Grüße benzi

LaCroix
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Beitrag von LaCroix » 18.07.2006, 10:58

Genial, tut mir echt leid, keine zeit gehabt zu haben, aber ich habe in der Zwischenzeit die Ungarn überfallen müssen.

Gibts die bilder auch irgendwo im Großformat? Und mehr davon? Ich kann mich kaum sattsehen daran! (**)
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Beitrag von gerdnix » 18.07.2006, 11:25

da hab ihr es ja krachen lassen. mehr bilder bitte. da wird sich wohl jeder ärgern da nicht oben gewesen zu sein, da seit ihr ja dann schon wing fit für steppi :-) oder ?

das sollte man als " 1. öffentlichen auftritt der beritten bogenschützen " festhalten, den hoffentlich viele weitere folgen.



liebe grüsse gerdnix

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Beitrag von merdman2 » 18.07.2006, 11:39

Ein schöner Bericht! Danke Andrea!

Wie war das schießen mit den Sicherheitspfeilen?

Markus

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RE:

Beitrag von shewolf » 18.07.2006, 14:07

Original geschrieben von merdman2

Wie war das schießen mit den Sicherheitspfeilen?

Markus


Unsicher!!! :) :) :)

Der Hastings Kitguide schreibt vor: 11/32er Schäfte, 3 x 6 inch lange Federn unbeschnitten und als Spitze einen Redhead-Blunt (die sind etwas weicher als andere Blunts).

Mein 30lbs-Bogen muß da schon ganz schön schieben, um die Pfeile zu schießen, doch 60 Meter sind kein Problem.

Von der Idee, mit den Tokkies (so genannt wegen des "TOCK" Geräusches beim Treffen auf Schilder)auf die Darsteller bzw. auf dazwischen plazierte Pappkameraden zu schießen, sind wir schnell wieder abgekommen: selbst bei leichtestem Auszug sind Körpertreffer extrem schmerzhaft.

Bei vollem Auszug gelang Niels ein glatter Durchschuß eines Pappkameraden (aus Presspappe 6 mm stark) mit einem Tokkie in 20 m Entfernung.

Fazit: schöne Showpfeile mit guter Akustik bei Weitschüssen. Wenn sie von oben herabtrudeln kann man ihnen gut ausweichen.

Auch Schildträger können einen lockeren Beschuß gut abwehren. Aber für direkte Schüsse auf ungepanzerte Menschen empfinde ich sie als zu gefährlich, zumindest vom Pferd aus, wo die Bewegung hastiger und das Zielen ungenauer ist.

Weitere Bilder bekomme ich morgen, und stelle dann noch was ein.
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Niels

RE:

Beitrag von Niels » 18.07.2006, 19:57

Original geschrieben von Uli

Ich war in Tilleda und habe mir das ganze angesehen. ...

Uli


Schade, dass sich kein FC-Pläuschen ergeben hat.

Shewolfs Aussagen zur Sicherheit der Redhaed-Blunts kann ich nur unterstreichen. Beim Training hatte eine "Bäuerin" einen Abpraller vom Pappkameraden ins Genick bekommen. Zwar konnte ich mich beim anschließenden Besuch in ihrem Lager davon überzeugen, dass der Schock größer war als die Wirkung. Aber danach war klar, dass nur in sehr deutlichem Abstand zu den Mitwirkenden geschossen werden kann. Demensprechend waren unsere Schüsse bei den Vorführungen dann auch mehr so Sehnenschnipser im 45° Winkel.

Ich hätte ehrlich gesagt auch bei Mitwirkenden in Rüstung Bedenken zu direktem Beschuss. Ich habe es selbst mal hinbekommen einen dick gepolsterten Pfeil so gegen den Schildrand zu schießen, dass er unter den Nasal-Helm pfiff, weil der Angreifer plötzlich den Schild hob. War wirkungsvoll genug. Mit den Redhaeds mag ich mir das gar nicht vorstellen.

Auch wenn allen Beteiligten sicher klar ist, dass solche stuntähnlichen Geschichten immer risikobehaftet sind, würde ich jedenfalls sicher nicht mehr für einen direkten Schuss mit mehr als halbem Auszug vom Pferd anlegen, sofern im 5 m Umkreis des Zieles jemand steht, egal mit was für Pfeilen.

Uli
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RE: RE:

Beitrag von Uli » 19.07.2006, 07:47

Original geschrieben von Niels

Schade, dass sich kein FC-Pläuschen ergeben hat.



Ihr seit so mit der Vorführung und den anderen Darstellern beschäftigt gewesen, da wollte ich mich nicht aufdrängen. Die Aufführung hat mir aber sehr gut gefallen. Wenn ihr mal in Thüringen oder Sachsen einen Wettkampf durchführt, werde ich sicher mal als Zuschauer dabei sein.

Gruß Uli
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