Leder und historische Belegbarkeit

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Chirion
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Re: Leder und historische Belegbarkeit

Beitrag von Chirion » 16.07.2012, 14:33

Benoît de Sainte-Maure (um 1165)
Auszug aus Roman de Troie

Le puissiez tres bien choisir
Tant par ert fiers et tant orible
Qel mont na nulle rien si terrible
Qi de lui nen preist flaor
Vn arc portoit non pas daubor 20
Ainz est de glai de cuir boillie
Soudez par estrange raeistrie
Cent saietes de fin acier
Portoit en un coiure dorraier

Es ist der lebendigen , bewegten Rede Belakanens ganz angemessen , wenn
sie , während sie von der Rüstung spricht , die ihr Geliebter ihr zu Liebe
nicht mehr tragen sollte, die Bemerkung von dem Zelt dazwischen
wirft, das vor ihren Augen im Felde stand, und worin sogar Isenharts
balsamierte Leiche als Blutzeuge aufbewahrt lag.

Hab ich mal so gefunden. Hier wird cuir boillie (gekochtes gehärtetes Leder) als Begriff für Rüstung verwendet
Nungut es ist ein Roman üer den trojanischen Krieg, soweit ich es einer Abhandlung darüer entnehme sind die beschrieben Kleidung Waffen und Kämpfe allerdings dem Mittelalter zuzuordnen.
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Re: Leder und historische Belegbarkeit

Beitrag von Chirion » 26.07.2012, 09:03

Hab noch ein wenig rumgestochert und nachgelesen, dabei ist mir aufgefallen, dass der bis heute gebräuchliche und auch verwendete Begriff für Lederrüstungen "cuir boillie" lautet, wie oben schon erwähnt leitet sich daraus auch der Begriff Kürass ab.
Belegt ist Zweifelsohne die Verwendung von Lederrüstungen bei den Griechen und Römern sowie in Asien.
Es stellt sich die Frage, warum gibt es einen alt französischen Begriff für etwas was die alten Franzosen angeblich nie gemacht haben? Sollte dies nicht eine grichische, lateinische, oder asiatische Bezeichnung sein wie beim Linothorax?

Wie ja ein aktuelles Beispiel zeigt kann sich die Sichtweise was belegte Kleidungsstücke betrifft schnell ändern.

mittelalter bh.jpg
Tiroler Fund mittelalterlicher Unterwäsche (Schloss Lengberg 1440)


mittelalter slip.jpg
Tiroler Fund mittelalterlicher Unterwäsche (Schloss Lengberg 1440)


übrigens steht streng wissenschaftlich gesehen der Beweis, dass diese Art von Unterbekleidung ausschließlich von Frauen getragen wurde noch aus, daher ergibt sich die Frage ob der a.. bewusste Recke in Zukunft mit einem handgenähten Stringtanga und BH unterm Kettenhemd übers Schlachtfeld schlendert. :)

Ich persohnlich ziehe es allerdings vor, mir die Fundstücke (höchst spekulativ) im erweiterten Kontext Badezuber an einer hübschen Maid vorzustellen :)
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Re: Leder und historische Belegbarkeit

Beitrag von Netzwanze » 26.07.2012, 10:23

Das leidige "A"-Thema.
Klar, es ist nur wenig belegt. Funde sind oft nur in Teilen vorhanden; Farbe fehlt ebenfalls.
Aus überlieferten Bildwerken (auch hier sind die Farben teilweise ziemlich verblasst) kann man höchstens das, vom Künstler gewünschte, Aussehen erkennen; Materialproben fehlen.

Für alle, die an einer fremden Darstellung meckern, muss man nur folgendes sagen:
Wenn alle "A" sein sollten, müssten sie in verblassten, zerrissenen und verrotteten Fetzen herumlaufen. Da es nur wenige Funde gibt, müssen natürlich alle "A"-Darsteller in denselben Klamotten herumlaufen.
Alle Dinge, deren genaue Trageposition nicht in Bildwerken überliefert sind, müssen weggelassen werden (Unterwäsche?). Oder man lässt gewisse Vermutungen zu: Ein als Unterhose identifiziertes Kleidungsstück, darf auch ohne Bildüberlieferung als solche getragen werden.
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Re: Leder und historische Belegbarkeit

Beitrag von Authomas » 26.07.2012, 10:55

Es gibt eigentlich ziemlich viele Darstellungen von Menschen in Unterwäsche - da haben wir kein Problem mit der Frage obs getragen wurde oder wie oder wo und auch nur selten von wem.

Der BH-Fund ist wirklich sehr genial, soweit ich die Texte verstanden habe ist man sich aber ziemlich sicher, dass die Unterhose so von Herren, nicht von Damen getragen wurde. Eine tangaähnliche Form kenn ich aber auch von mindestens einem Frühmi, der für die Form wohl auch Belege hat.

Das ab und an noch was sensationelles Neues gefunden wird ist toll! Sowohl für die Leute die sich an Quellen orientieren wollen und froh sind, ihre Ausrüstung erweitern zu können als auch für die Menschen, die eher Freude am kreativen Anachronismus ausleben und die, von der Wissenschaft in ihrer Kreativität eingeholt, sagen können "hab ich doch schon immer gewusst!".

Der Tag an dem sie nen Steckstuhl ausbuddeln wird in dieser Hinsicht also sicher sehr laut :D.

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Re: Leder und historische Belegbarkeit

Beitrag von Edradour » 26.07.2012, 11:16

OT
Die Tragweise von Unterwäsche ist keinesfalls so spekulativ. Es gibt zahlreiche Abbildungen von Brouchen und auch den besagten Strings (Hinweis, das rechts ist ein Kerl in Frauenklamotten und Männerunterhose):

http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/m ... ew/3654581

Und Netzwanze, die wenigsten Leute, die ich aus dem Living History kenne, sprechen von "A", sondern von "belegbar", das ist ein riesiger Unterschied. Deshalb rennen wir auch nicht mir ausgegrabenen Kleidungsresten oder verblasseten Färbungen rum, da über die Konstruktion und Färbung Einiges mehr bekannt ist, als Dir vielleicht bewußt ist, ich nenne jetzt nur mal Textquellen für Färberezepte und Fertigungsverfahren...

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