Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordnung

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Sateless
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Sateless » 16.06.2014, 16:49

Welche technologische oder gesellschaftliche Veränderung im Jahre 1500 +- ist für dich, Wilfrid, denn so wichtig, dass man da, deiner Meinung nach, unbedingt das MA für beendet erklären muss? Was macht, außer der Jahreszahl das Asham-Buch so neuzeitlich?
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Heiner
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Heiner » 16.06.2014, 17:04

Wilfrid hat geschrieben:Denn, Tatsache ist:
Mark Stretton hat diese Technik aus dem Toxophilus des Mr Roger Asham, einem Buch der frühen Neuzeit.


Nur kurz eingeklinkt: Zum Ursprung der Technik wie Mark sie schießt sollte sich dann schon er selbst äußern ;). Eine entsprechende Antwort reiche ich nach sobald sie vorhanden ist (Geduld ist ja bekanntlich eine Tugend...).

Gruß
Heiner
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von eddytwobows » 16.06.2014, 17:17

@Sateless...

Wie Wilfrid das sieht, weiß ich nicht, ich sehe das so...:

Eine steigende und unumkehrbare Tendenz zum flächendeckenden Einsatz von Feuerwaffen in kriegerischen Konflikten-
Beginnender und unumkehrbarer Abstieg des Ritterstandes (als kriegsentsch. Waffengattung) in die rel. Bedeutungslosigkeit-
Kontinentaler / Internationaler / grenzüberschreitender Geldverkehr und Großhandel-
Großschiff- und Flottenbau-
Auf- und Ausbau von Nationalstaaten-
Beginn- / Anfänge der Kolonialpolik durch o.g. Nationalstaaten-
Beginn eines regelmäßen Interkontinentalverkehrs-

Also ich persönlich würde, wenn ich beide Augen zukneife und schwer Luft hole, das Ende des MA auf aller-allerspätesens
1500 ndg legen...eher früher... :) :)

LG
etb
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Bogenhannes » 16.06.2014, 17:54

Sateless hat geschrieben:Welche technologische oder gesellschaftliche Veränderung im Jahre 1500 +- ist für dich, Wilfrid, denn so wichtig, dass man da, deiner Meinung nach, unbedingt das MA für beendet erklären muss? Was macht, außer der Jahreszahl das Asham-Buch so neuzeitlich?

Ich doch nochmal...
Ein Merkmal der Frühen Neuzeit war die Erfindung und rasante Ausbreitung des Buchdrucks. Daher ist neben Anderem (z.B. die protestantischen Bibelübersetzungen) die Veröffentlichung dieses Buches NATÜRLICH Ausdruck dafür, dass eine neue Epoche begonnen hat.

Vielleicht sollten wir unseren Blick auf das Mittelalter ein bisschen weiten und uns nicht nur auf Mitteleuropa beschränken. Handel gab es damals sehr viel und man ist weit herumgekommen. Z.B. hatten die Türken und damit auch die griechischen Byzantiner wohl genauso Einfluss auf die europäische Kultur. Die Mauren fallen mir spontan ein.
Die wikingische Bogentradition war auch noch existent.

Auf der anderen Seite lässt man die Antike 500 n. Chr. enden. Da war noch Völkerwanderungszeit und die Ungarn und Mongolen werden mit ihren Bogentypen genauso einflussreich gewesen sein.
Baskische Bogenschützen wurden auch gerne als Söldner eingestellt und ich finde Wilfrids Überlegung, welchen Bogen wohl der 0815-Bauer in Bayern benutzt haben wird um 1000 herum auch bedenkenswert. Wie steht das auf seiner Website? Der Bogen der Hausfrau usw. ...

Was spricht dagegen eine spezielle Entwicklung des Kriegsbogens in England zu sehen? Bilder aus dem MA sind natürlich nicht maßstabsgetreu...aber man kann auf ihnen besondere Eigenheiten erkennen. z.B. Sehnenbefestigung oder Nockenformen.
Zuletzt geändert von Bogenhannes am 16.06.2014, 22:30, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Wilfrid (✝) » 16.06.2014, 18:13

Eins muß ich mal festhalten, der Flitzebogen/Flitzebagen in seiner heutigen Form/in der Form von vor ~100 Jahren ist ein "moderner "Bogen

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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Inopel » 16.06.2014, 18:27

Für diesen Bogen gibt es, ausser deinem, keinen einzigen Beweis.
Hab das ganze Netz danach durchsucht. Zeige uns doch bitte deine Fundlage dazu mal vor.
Würde einige hier doch recht interessant finden.

Bin ja gespannt wie ein Elb was Mark dazu sagt.
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Inopel » 16.06.2014, 20:40

Das mit dem schießen ist mir noch bekannt.
Und du hast ja jetzt mal deine Quelle bekannt gegeben.
Im übrigen viele nebeneinander sehen nicht vermurkst aus.

Hier sagst du ja selber das sie aus der moderne kommen
Find ich persönlich gut.

Hast du eigentlich mal die zugstärketechnische Belastungsgrenze dieses Bogendesigns getestet?
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Wilfrid (✝) » 16.06.2014, 22:18

Meine Quelle is immer noch "Opa" Voges und mein Vater und derer beider Erinnerung ;-)....
Und das man diese Bögen aus Holunder baut, naja, das war die Ansicht meiner Nachbarin vor 10 Jahren, aber die war auch schon 80 ...

Ackers Bild milderte denn nur in der weiten Welt die Einsamkeit.

Der stärkste, den ich mal gebaut habe , war der "Dosenöffner"
viewtopic.php?f=16&t=20893&hilit=Dosen%C3%B6ffner

Irgendwas mit 70#@28", war mal son Versuch, seither weiß ich , das drehwüchsige Esche bei Frost nicht hält.
Der Wilderer, den ich mal am Stand hatte, hat seine Rehe mit 50# geschossen, sagte er ...
Zuletzt geändert von Wilfrid (✝) am 16.06.2014, 22:22, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Bogenhannes » 16.06.2014, 22:20

Inopel und andere Interessierte dazu der Thread zum "Hirtenbogen/Stellmacherbogen" aus dem How to Board: http://www.fletchers-corner.de/viewtopic.php?f=65&t=16135
By the Way Wilfrid, könntest du die fehlenden Bilder am Ende des Threads wieder hochladen? :)

Nochmal zur "Medieval Archery" und der Frühen Neuzeit... >:)

Alle Kulturen, die das Bogenschießen betrieben, waren gewitzt genug, ein genau für ihre Ansprüche passendes Design zu finden. Man muß nur die hinter einem Bogentypen stehende Logik wiederentdecken.

Stell dir vor, du musst in den Krieg ziehen und brauchst mehrere tausend Bögen mit 100lb. Wenn man sie aus Eibe und mannshoch baut, bekommen sie entweder viel Set oder sie brechen. Auf 80" verlängert ist der gleiche Bogen auf einmal völlig sicher. Man hätte natürlich, wie beim Meare Heath, die WA verbreitern können, aber das hätte die Material- und Lohnkosten in die Höhe getrieben. (Zitat: TBB 3 S. 67)

DAS war die Logik, die hinter der Entwicklung dieses Typs stand. Die Engländer haben am Ende des MA die Aufstellung von großen Kontingenten von Bogenschützen betrieben und diese strategisch eingesetzt. Der englische Warbow ist eine hoch spezialisierte Waffe gewesen, die aus den Notwendigkeiten von Massenherstellung und den Vorteilen des Eibenholzes heraus entstanden ist.

Dieser Bogentyp wurde bis in die Frühe Neuzeit strategisch eingesetzt, weil er einfach überlegen war. Andererseits benötigte man Ressourcen, dazu wurde ein ganzes Volk per Dekret zum Bogenschießen verpflichtet. Wahrscheinlich einer der wichtigsten Gründe für die starke Tradition in England. Desweiteren kaufte man sich aus ganz Europa ganze Eibenwälder zusammen. Und die Bogenschützenkontingente mussten auch durchgefüttert werden, damit sie bei Kräften blieben. Dieser Ressourcenverbrauch führte denn auch zum Aussterben dieser Waffengattung, die zunehmend von Feuerwaffen verdrängt wurde, obwohl sie diesen zu Beginn noch überlegen war.

Dieser rein englische Bogentyp, als typisch mittelalterlich angesehen, ist vorrangig aus militärisch-strategischen Notwendigkeiten heraus entwickelt worden und wurde vor allem im späten MA und in der Frühen Neuzeit benutzt.

Daher kann man auch ruhigen Gewissens von "Rennaissance Archery" oder "Tudor Archery" sprechen ohne sich ein Bein auszureißen.
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Blacksmith77K » 16.06.2014, 22:39

Oder Ötzi-Archery. ;D
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Bogenhannes » 16.06.2014, 22:58

Der kleine Mann mit dem weiten Auszug? Ich glaube Ötzi hat seinen Stave am Ende nur noch als Spazierstock benutzt bevor er den Pfeil in den Rücken bekam.

"Frozen Fritz" war 1,65m groß und hatte einen Eibenbogen von 1,82m (72") dabei...die Pfeile waren bis zu 33" lang.
Wie weit sein Auszug war könne wir nur vermuten...aber ob er einen Englischen Langbogen bauen wollte? Wer weiß? ;D
http://www.iceman.it/de/node/48
http://en.wikipedia.org/wiki/%C3%96tzi
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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von locksley » 16.06.2014, 23:01

Nur ist von Ötzis Stamm leider nicht überliefert, dass dieser Bogentyp als Standard Militärwaffe diente. ;)
Ein grosser Mann wird weder vor dem Kaiser kriechen, noch einen Wurm zertreten (Benjamin Franklin)

Wenn das Atmen schwieriger waere, haetten wir weniger Zeit um Unsinn zu reden.

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd (Sprichwort)

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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Blacksmith77K » 16.06.2014, 23:10

@Hannes&Ulli

Zumindest ist Ötzis Bogen nahezu 100% identisch mit Bogen A807 der Mary Rose. Die Original-Maße des Ötzi Bogens liegen mir vor. Wurde von mir auch nachgebaut und ergeben einen 1a Warbow mit FullCompass Tiller. Der Bogen ist sogar mit einer 'Powerbar' ausgestattet.
Meine Replik aus 1a alpiner Eibe liegt bei 125#@28". Ok, Ötzi hätte ihn mit einem Kinnanker bei 26, bei hinter'm Ohr mit 30" Auszug geschossen.

Insofern ist der Bogentypus ELB/Warbow schonmal 5300 Jahre alt. ;D
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74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



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Re: Bogenschießen im Mittelalter, Stile und zeitliche Zuordn

Beitrag von Bogenhannes » 16.06.2014, 23:20

Blacksmith77K hat geschrieben:Wurde von mir auch nachgebaut und ergeben einen 1a Warbow mit FullCompass Tiller. Der Bogen ist sogar mit einer 'Powerbar' ausgestattet.


Das passt leider nicht in mein Weltbild, daher musst du ihn jetzt erstmal zeigen ;D

Edit: Zitat von der Iceman - Seite:
Aus detaillierten Untersuchungen des Bogenstabs geht hervor, dass er mit Blut getränkt worden war. In getrocknetem Zustand wirkt Blut Wasser abweisend.

;)
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