"Das ist ja wie im Mittelalter"

Alles über das Mittelalter.
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dietze
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"Das ist ja wie im Mittelalter"

Beitrag von dietze » 05.01.2006, 08:30

Folgender Artikel war gestern (04.01.06) in der FR zu lesen, in der Rubrik "Einmaleins für Kinder":

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[H4]„Das ist ja wie im Mittelalter“, sagen viele, wenn sie etwas veraltet finden – was meinen sie damit?[/H4]
Von Ronnie Koch

Als du geboren wurdest, besaß fast niemand tragbare Computer, Handys oder MP3-Spieler. Denn das alles wurde erst vor wenigen Jahren erfunden. Heutzutage werden ständig viele neue Dinge entwickelt, die das Leben der Menschen verändern. Doch es gab auch eine Zeit, in der rund 1000 lange Jahre nur wenig erfunden wurde, obwohl den Menschen viele Dinge fehlten. So eine Zeit war das Mittelalter.

Es gab keine Wasserhähne, aus denen frisches Wasser kam, und keine Toiletten, die spülen konnten. Es gab kaum gute Medizin, die geholfen hat, wenn jemand krank wurde. Auch so etwas wie die Müllabfuhr existierte nicht, der Dreck lag einfach auf den Straßen herum, es stank ganz fürchterlich. „Das ist ja wie im Mittelalter“, sagen heute noch Leute, wenn ihnen etwas schrecklich veraltet vorkommt. Die Zeit vom Jahr 500 nach Christus bis etwa 1500 wird als Mittelalter bezeichnet, manche nennen es auch das „dunkle Jahrtausend“. Immer wieder gab es Hungersnöte und Kriege. Die Pest, eine schlimme Krankheit, tötete in kurzer Zeit jeden dritten Menschen in Europa. Richtig alt wurden die meisten sowieso nicht: Nur die Hälfte erlebte ihren 18. Geburtstag – mit 18 wird man heute gerade erst erwachsen.

War denn wirklich alles so schlecht im Mittelalter? Nicht alles. In der Zeit sind auch einige Dinge entstanden, die noch heute von vielen bewundert werden: beispielsweise große Kirchen, Burgen und Schlösser. Sie wurden gebaut, obwohl es noch keine riesigen Kräne, Bagger und Strom gab.

Und noch etwas gab es im Mittelalter. Vielleicht hast du das mal in Filmen gesehen, die in dieser Zeit spielen. Damals gab es Fürsten und Könige, die viel Schmuck und Gold besaßen. Sie lebten in den Burgen und feierten gern fröhliche Feste, zu denen es auch Turniere gab, bei denen Ritter gegeneinander angetreten sind.

Das alles gab es tatsächlich. Doch reich waren leider nur ganz wenige, die meisten Menschen waren arme Bauern. Das Ackerland gehörte nicht ihnen, sondern dem Grundherrn. Einen großen Teil ihrer Ernte und ihres Geldes mussten sie deshalb an den Grundherrn abgeben. Und wenn der in den Krieg ziehen wollte, mussten die Bauern mitmachen. Eigentlich durften die Bauern ohne die Erlaubnis ihres Herrn gar nichts machen. Nicht einmal heiraten.

Das Mittelalter war also ziemlich ungerecht. Es gab viele Arme, die nichts verändern durften, und wenige Reiche, die nichts verändern wollten. Ihr merkt also: Auch wenn wir es manchmal sagen, so wie im Mittelalter geht es heute nicht mehr zu.
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Sollte man mal den Heerscharen von "Hobby-Reenactors" hinter die Ohren schreiben, die alle Ritter, Prinzessinnen und sonstige "Noble" darstellen wollen...
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- Bin ein Bär von geringem Verstand
und denke große Dinge über gar nichts ...
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Wurzelpeter
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Mittelalter?!

Beitrag von Wurzelpeter » 05.01.2006, 17:08

Das ist doch mal 'ne recht übersichtliche Zusammenfassung. Aber so mancher Satz lässt mich doch ein wenig grübeln:

Immer wieder gab es Hungersnöte und Kriege.
Na das hab ich doch schonmal irgendwo gelesen... *grübel* ach ja, in der Tageszeitung!

Doch reich waren leider nur ganz wenige[...]
Das Mittelalter war also ziemlich ungerecht. Es gab viele Arme, die nichts verändern durften, und wenige Reiche, die nichts verändern wollten. Ihr merkt also: Auch wenn wir es manchmal sagen, so wie im Mittelalter geht es heute nicht mehr zu.
Vielleicht seh ich alles pessimistisch, aber der letzte Satz wäre schön, wenn er denn stimmen würde.


Naja, es schon richtig mit den Rittern der Neuzeit. Mal ganz im Ernst - wer würde denn freiwillig einen Bauern darstellen? Da geht die romatische Vorstellung vom MA einfach verloren.
Trotzdem hübscher Text! :D

Schönen Abend noch

Steffen
Der Grund f?r den Anlass war letztlich die Ursache f?r den Ausl?ser.

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Rado
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Beitrag von Rado » 05.01.2006, 17:26

Ich stimme euch beiden zu.
Ich liebe das alte Japan,doch als Bauer hätte ich da nicht leben wollen.
Man wurde ja schon für eine unterlassene Verbeugung von den Samurai geköpft.Aber ist das jetzt so wichtig um einen threat zu eröffnen?
Wenn ich meinen ELB fertig habe und mich mal auf nem Mittelaltermarkt blicken lassen sollte,werd ich als britischer Bauer mit leichter Rüstung oder ohne kommen.Die ELB-Schützen waren ja auch Bauern.
Gruss
Rado

Niels

RE: "Das ist ja wie im Mittelalter"

Beitrag von Niels » 05.01.2006, 18:08

Original geschrieben von dietze

Sollte man mal den Heerscharen von "Hobby-Reenactors" hinter die Ohren schreiben, die alle Ritter, Prinzessinnen und sonstige "Noble" darstellen wollen...


Naja für Kinder mag ja so eine Verallgemeinerung von 1000 Jahren Menschheitsgeschichte mit enormen Entwicklungen innerhalb dieser Periode angehen. Aber wenn man über 14 ist, darf man ruhig schon wissen, dass die Menschen und deren Lebensverhältnisse im Frühmittelalter mit denen im Spätsmittelalter kaum gleichzusetzen sind. Und wenn sich der moderne Mensch hinstellt und z.B. die enorme Entwicklung in der Landwirtschaft, die zu den Produktionsüberschüssen geführt hat, welche unseren "Wohlstand" in der Endkonsequenz erst möglich gemacht hat, quasi als Nullentwicklung abtut, dann hat das für mich immer schon was leicht arrogantes an sich. Und ob man es wirklich als "Wohlstand" verstehen darf, dass das Wasser heute teuer gereinigt aus dem Hahn kommen muss, weil es die ganz überwiegend sauberen natürlichen Gewässer insbesondere des frühen Mittelalters einfach nicht mehr gibt, weiss ich auch nicht so genau.

Zu den Hobbyreenactors muss man vielleicht auch noch anmerken, dass daran ganz einfach ein Stück weit auch die Fundlage, an der man sich ja nun mal orientieren muss, wenn man wirklich Reenactment betreiben will, gerade im Bereich des Frühmittelalters, an dieser Verzerrung Schuld ist.

Um es mal an "meinen" Landnahme-Ungarn deutlich zu machen. Siedlungsarachäolgie gibt es da eigentlich (vielleicht ja noch) nicht. Man hat also nur die Gräber mit ihren Beigaben. Die Gräber der einfachen Bevölkerung zeichnen sich aber nun dadurch aus, dass Beigaben vollständig fehlen oder sich auf ein 0815-Messer beschränken. Will ich nun aber als Ungar in meiner Darstellung erkennbar sein und ein Bild vermitteln, genügt mir ein solches Messer in aller Regel nicht.

Darstellung der mittelalterlichen Gesellschaft als Ganzes unter Berücksichtigung der Struktur dieser Gesellschaft kann Reenactment meiner Meinung nach ohnehin nicht leisten. Also ich sehe mich da mehr als eine bewegte Museumsvitrine, die ein bisschen was vorführt und erklärt. ;-) :D

Tower
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Beitrag von Tower » 05.01.2006, 19:07

Immer wenn ich an "Mittelalter" denke und mir die Menschen anschaue, die sich bis auf das kleinste Detail mit der "A"-Frage beschäftigen, Mittelaltermärkte stürmen etc., bin ich froh nicht in dieser Zeit zu leben. Ich verbinde damit Schmutz, religiöser Wahn, Elend, soziale Ungerechtigkeit, Chancenungleichheit und vor allem medizinisches Chaos. Furunkel, Krankheiten, fehlende Hygiene, Zahnfäule, Augenprobleme, verstopfte Ohren etc.
Ein Freund fragte mich mal warum ich, wenn ich schon japanischen Schwertkampf und Kampfkunst praktiziere nicht auch mittelalterliches Fechten nach Talhoffer mache.
Meine Antwort war die, das ich mit dieser Epoche in unseren mitteleuropäischen, christlichen Breiten nur "Schmutz" und "Dreck" assoziiere, beim "gewöhnlichen Volk" wie auch (oft leider noch schlimmer) dem "Adel" und dem Klerus.
Aber das ist meine persönliche Macke! Wer daran Freude hat mag es praktizieren.

Ich schau mir das alles gerne an, aber in dieser Epoche möchte ich nicht tot über dem Zaunpfahl gehangen haben.
Das Leben ist zu kurz um sich mit minderwertigen Dingen zufrieden zu geben! Besonders Schwerter, B?gen, Menschen allgemein, Freunde, Sexual- wie auch Lebenspartner!

BRIGID
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Beitrag von BRIGID » 05.01.2006, 19:16

also ich denke dass das Mittelalter genauso vielseitig war wie jede andere Zeitepoche auch.( Und wie schon gesagt: wir reden von 1000 Jahren)
Ich glaube auch, dass wir darüber viel Falsches wissen- wie über jede andere Zeitepoche davor auch. Da hilft auch kein Medium wirklich. Denn schon immer legten die Menschen die Dinge in ihrem Sinne u. ihrem Glauben, Verständniss u. Wissen aus.
Es war - u. ist! zu jeder Zeit wichtig wo und wie jemand geboren wird. Das war vor 1- 2- oder 3tausend Jahren gleich wichtig od. unwichtig wie vor einem Jahr.
Es macht MIR persöhnlich aber riesigen Spass ab u. zu abzutauchen in eine andere Zeit, andere Epoche, andere Gesllschaftsform. Da kann ich wie ein Kind spielen, Rollen übernehmen, forschen, lernen, verstehen. Da sind mir ein Indianerlager, ein Mittelaltergelage / Lager / Markt, ein Westernlager usw. am liebsten.
Ich bin froh Menschen zu treffen, die mit Leidenschaft auf Spurensuche gehen- aber Menschen die das in irgendeiner weise verbissen sehen, verderben leider vielen den Spass.
Niemand sollte Kindern erzählen, das er wüßte, wie es im Mittelalter war- aber wir sollten ihnen von den Bruchstücken unseres Wissens berichten, ihnen mit den heutigen Möglichkeiten die Neugierde vermitteln auf Spurensuche nach unseren Ahnen, unserer Herkunft, unseren Traditionen zu gehen.
:-) in diesem Sinne ist die Beschäftigung mit Mittelalter eine absolut gesunde Sache!
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Wie vieles gibt es doch, was ich nicht noetig habe.
(Sokrates)
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Gropi
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Beitrag von Gropi » 12.01.2006, 18:18

Hatte schon mal nen längeren Beitrag dazu posten wollen, dann hats mich ausgeloggt, hmpf..

Also noch mal stichpunktartig, was mir so gerade einfällt, wohlgemerkt will ich hier nicht behaupten, das alles ganz gewesen sein soll, will nur mal etwas relativieren:

- In D bezahlt man heutzutage bis zu 50% seines Einkommens an Steuern. Ich glaube nicht das die Pacht die die Leibeigenen abdrücken mußten auch nur genauso hoch war, selbst wenn man die Frondienste mit einrechnet.
- Spülklos gabs schon in der Antike.
- Die Pest ist heutzutage weniger ein Problem, obschon sie hin und wieder auftritt. Dafür haben "wir" Ebola, AIDS, BSE,Malaria, Hühnergrippeen Ländern usw.
In so manchen Entwicklungsländern wird noch sehr häufig daran gestorben.

- Wir müßten derzeit ca. 50-70 bewaffnete Konflikte weltweit haben - nur werden die wenigsten davon in den Abendnachrichten erwähnt. Im MA gabs keinen einzigen Weltkrieg. Im letzten JH. fanden gleich 2 davon statt. Die Moderne hat atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen hervorgbracht und eigesetzt. Es gab etliche Genozide, der letzte große davon vor nicht allzu langer Zeit in Ruanda. Wenn die Menschen des MA die heutige Zeit gekannt hätten, wären sie vermutlich entsetzt über ein Ausmaß an Brutalität und Verwüstung gewesen, das sie sich vermutlich in ihren schlimmsten Vorstellungen von Tag des jüngsten Gerichts sich nicht hätten ausmalen können.

- Leibeigene erhielten als Gegenleistung für ihre Dienste militärischen Schutz durch den Grundherrn. Mit anderen Worten, Freie wurden u.a. zu Leibeigenen um NICHT Kriegsdienste leisten zu müssen - wie etwa die freien Stadtbewohner.

- Ich neige dazu der These Glauben zu schenken, nach der das heutige Image des MAs sehr stark durch Autoren der viktorianischen Epoche (Sir Walter Scott etc.) geprägt worden ist und das nach wie vor. Die wollten die Fortschrittlichkeit ihrer Zeit unterstreichen, indem Sie eine vergangene Epoche wie das MA als besonders barbarisch, finster, trostlos, dreckig, brutal, primitiv usw. darstellten, sozusagen als Kontrastprogramm zur Moderne.

- Und es scheint ganz so, als hätten sie damit das geschichtsbewußtsein (sowie einige User hier) nachhaltig beeinflusst - leider.

- Wer sich näher mit dieser Zeit beschäftigt - und ich will nicht von mir behaupten, das besonders intensiv getan zu haben - wird man feststellen das die damals in diesem Teil der Welt innerhalb der vorhandenen technischen Möglichkeiten, erstaunlichen vollbrachten und alles andere als primitiv waren.

- Die Pest kam aus China. Warum brach sie ausgerechnet in diesem Teil der Welt - der ja vergleichsweise soo derartig hochentwickelt zivilisiert gewesen sein soll - aus und nicht im dreckigen, finsteren Europa?? Dies deutet darauf hin, das auch da schlechte hygienische Verhältnisse geherrscht haben müssen...ebenso wie mittelalterliche japanische Städte meines Wissens nach keine Kanalisation hatten (lasse mich gern eines belehren...)...

- Wenn es mit hygienischen Verhältnissen mittelalterlicher europäischer Städte so schlecht bestellt war und es keine Wasserversorgung gab, müssten sie damals doch ständig und massenweise an der Ruhr u.ä. krepiert sein??

- Woher weiß der Autor eigentlich so GENAU über die beschaffenheiten mittelalterlicher, euroäischer Gossen und deren Inhalt bescheid?

Angus

RE:

Beitrag von Angus » 12.01.2006, 18:32

Woher weiß der Autor eigentlich so GENAU über die beschaffenheiten mittelalterlicher, euroäischer Gossen und deren Inhalt bescheid?


Ich glaub das wollen wir gar nicht wissen :D

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Rado
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RE:

Beitrag von Rado » 12.01.2006, 18:54

[white]- Woher weiß der Autor eigentlich so GENAU über die beschaffenheiten mittelalterlicher, euroäischer Gossen und deren Inhalt bescheid?[/white]

Durch untersuchte Leichenfunde vieleicht!? :o
Daß es in Japan keine Kanalisation gab, glich sich durch die unvergleichbare Disziplin der Bevölkerung aus.Japaner waren extrem reinlichkeitsfanatisch und daß Sche- äh Kot einfach in Kübeln aus dem Fenster gekippt wurde ist eher europäisch.So hörte ich mal in nem Hamburger Museum.Welches weiß ich leider nicht mehr,das war in der Grundschule.In Japan wurde das gesammelt und auf die Felder geschafft.Die Ruhr war in Europa so viel ich weiß gerade in Städten wo es eben den meisten Dreck gab ein Dauerproblem.
Die Leute lebten nach ihren Möglichkeiten so gut es ging,aber dennoch kein Vergleich zu heute,da bin ich sicher.
Und wir reden hier über
Europa im Mittelalter.
Daß es heute noch Leibeigenschaft,Sklaverei,Seuchen und Genozide gibt ist hier denke ich jedem klar.Zu ersteren Beiden im letzten Satz:Forsch mal nach wo deine Turnschuhe herkommen.-Schwarzbuch Markenfirmen- empfiehlt sich.
Völkermorde(Völkerwanderung) und rassistische Verfolgungen gab es im Mittelalter auch.Davon weiß das jüdische Volk einiges zu berichten und nicht erst seit 1933.
Ich bin gebürtiger Pole und mich kotzt die Scheinheiligkeit meiner Landsleute echt an,denn die haben in der Vergangenheit auch so manchen Genozid an den Juden veranstaltet, nur drüber geredet wird dort nicht oder kaum.
Klipp und klar:Es war schon immer sch.... auf diesem Planeten und die Menschen denen es dreckig ging haben in ihrer jeweiligen Situation das beste draus gemacht was sie konnten.Ich bin froh heute hier zu leben und tue was ich kann um die Umstände der Menschen zu ändern die im sozialen Abseits leben müssen.
Die Pflicht eines jeden Menschen denke ich.
Aber Schluß jetzt, denn mir bluten gleich die Finger und das ganze wird langsam zu politisch für ein Bognerforum.

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Beitrag von BRIGID » 12.01.2006, 19:45

nach euren Beiträgen geht mir eher ergänzend, eine Frage durch den Kopf. Gab es wohl im Mittelalter (welcher Zeitraum auch immer) eigentlich den Begriff Entwicklungsländer?
Wenn ja -welches Volk hat es für welchen Volksstamm angewendet?
Machen wir uns, wenn wir die heutigen Zeiten so vor die Früheren stellen, z.B. die Durschschnittslebenserwartung eines Menschen im heutigen "reichen" Südafrika klar?
Bei der Sendung "Abenteuer" Mittelalter fühlte sich meine Schwiegermutter ständig an ihre Zeit als junge Bauerhelferin in den 30iger Jahren erinnert.
In meiner Kindheit hieß es immer: es gibt NOCH soundsoviel von Hungersnot Betroffene - Diese hat sich mittlerweile verdreifacht. usw....
Weder als Volk, noch als "Zeitgenosse" sollten wir uns überheblich auf unseren Vorteilen ausruhen. Denn wie sagen die Alten: "Hochmut kommt vor dem Fall"

Aber, Dankbarkeit hier u. jetzt zu leben fühle ich schon. ;-)
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Beitrag von locksley » 13.01.2006, 13:32

Entwicklungsländer in diesem Sinne gab es noch nicht. Das mittelalterliche Weltbild in Europa, war ja durch die katholische Kirche geprägt. Rom war der Mittelpunkt der Welt. Alle die sich Rom und dem Papst unterordneten waren die guten Christen, auch andere Christen, wie die orthodoxe Kirche, die durch das große Schisma Anfang des 11.Jhd. entstand, als sich Byzanz von der Westkirche lossagte, galten nicht als echte Christen.

Es wurde also im wesentlichen nur in Christen und Heiden unterschieden.

Den verächtlichen Blick auf andere Völker gab es auch schon in der Antike. Die Griechen bezeichneten auch alles als "Barbar" was nicht auf dem Peleponnes oder den aegaeischen Inseln lag. Sogar Alexander der Große war nach Ihren Maßstäben als Mazedonier, eher Barbar als Grieche.
Ein grosser Mann wird weder vor dem Kaiser kriechen, noch einen Wurm zertreten (Benjamin Franklin)

Wenn das Atmen schwieriger waere, haetten wir weniger Zeit um Unsinn zu reden.

Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd (Sprichwort)

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RE: RE:

Beitrag von Ravenheart » 13.01.2006, 14:42

Original geschrieben von Rado
In Japan wurde das gesammelt und auf die Felder geschafft.


Ohh, hier durchaus auch! In MEINER Stadt zumindest! Die sogenannten "Goldtöpfe" wurden nämlich dann von den Leuten auch gleich als Mülltonne verwendet!! Sah man ja nicht, und kontrolliert hat's auch keiner!
:o
Und wenn der Mutti in der Küche dann die Tonschüssel runter gefallen war, kamen die Scherben flugs in den Eimer - daher auch der Spruch: Die Schüssel ist im Eimer!!
:D
Da mein Hausgarten genau da liegt, wo im MA der erste Ackerring um die befestigte Stadt war, finde ich immer wieder schöne Tonscherben. Mittlerweile über ein Kilo... Highlight ist ein unbeschädigtes Salbentöpfchen! Mit Daumenabdruck des Herstellers auf dem Boden!

Habe den ganzen "Scherbenhaufen" fein nach Ton- und ggf. Glasurart sortiert, und mal unserem Stadtarchäologen gezeigt, von dem weiß ich auch die Herkunft! Seit dem ist mein Garten offiziell als Fundstelle eingetragen *lach*...

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Beitrag von Tippe » 13.01.2006, 15:02

Original geschrieben von ravenheart
Seit dem ist mein Garten offiziell als Fundstelle eingetragen *lach*...


Oh, oh...
Na dann wünsch ich dir viel Glück, dass der Garten noch länger dir gehört. Nich das die noch drauf kommen ein mittelaltertümliches Runddorf zwischen deinen Gurken und Tomaten auszubuddeln. 8-| :) :D


Tippe
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RE:

Beitrag von shewolf » 13.01.2006, 16:11

Original geschrieben von Tippe

Nich das die noch drauf kommen ein mittelaltertümliches Runddorf zwischen deinen Gurken und Tomaten auszubuddeln. 8-| :) :D



Kann ich mir nicht vorstellen bei der Pfeildichte in der Luft :D außer die Archäologen sind extrem suizidgefährded :)
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Gropi
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RE: RE:

Beitrag von Gropi » 13.01.2006, 17:25

Original geschrieben von Rado


[white]- Woher weiß der Autor eigentlich so GENAU über die beschaffenheiten mittelalterlicher, euroäischer Gossen und deren Inhalt bescheid?[/white]

Durch untersuchte Leichenfunde vieleicht!? :o



Grabfunde allein können Aussagen über den Gesundheitszustand, Lebenswandel und Todesursache des betreffenden Individuums liefern - aber nicht darüber ob er/sie zu Lebzeiten seinen Abfall einfach aus dem Fenster gekippt hat.


Japaner waren extrem reinlichkeitsfanatisch und daß Sche- äh Kot einfach in Kübeln aus dem Fenster gekippt wurde ist eher europäisch. So hörte ich mal in nem Hamburger Museum.Welches weiß ich leider nicht mehr,das war in der Grundschule.


Wer dir das auch erzählt haben mag, ich glaube auf diese Person könnte meine oben genannte Vermutung zutreffen.

In Japan wurde das gesammelt und auf die Felder geschafft.Die Ruhr war in Europa so viel ich weiß gerade in Städten wo es eben den meisten Dreck gab ein Dauerproblem.


Na klar, die Europäer waren so dumm, das nie daran gedacht hätten, das es zwischen Ruhr und schlechten hygienischen Verhältnissen einen Zusammenhang begen könnte. Auch war es ihnen egal, wenn es vor ihren Häusern zum Himmel stank - obwohl daß menschliche Gehirn gerade zu darauf geeicht ist "eklige" Dinge als schädlich zu identifizieren. Gerade deswegen werden diese überhaupt erst als unangenehm empfunden.

Ich meine mich jedenfalls zu erinnern, das vor einiger Zeit in meiner mittelalterliche Latrinen ausgegraben worden sind. Dabei hat sich herausgestellt, das Abfälle wie Exkremente halt in einen brunenartigen Schacht geworfen worden sind und dann kam ne Schicht Kalk drüber. Nicht gerade die sauberste Art der Entsorgung aber immerhin Welten von dem entfernt was einem diverse Verfechter von Negativ-Klischees erzählen wollen. Das wir es dennoch sauberer haben, da stimme ich dir auf jeden Fall zu.

Daß es heute noch Leibeigenschaft,Sklaverei,Seuchen und Genozide gibt ist hier denke ich jedem klar.


Und dennoch wird MA als eine Zeit im besonderen Maße von Kriegen geprägte Zeit dargestellt. Das dem eigentlich gar nicht so ist, darauf wollte ich hinaus.


Völkermorde(Völkerwanderung) und rassistische Verfolgungen gab es im Mittelalter auch.



Nein, es gab keinen auf biologischen Überlegungen gründenten Rassismus. Es gab schon Massaker, die man als Völkermorde bzeichnen könnte (die Kriegszüge der Mongolen etwa), die Judenverfolgung basierte doch aber auf religiösen Motiven. Btw, sollen letztere sogar sehr lange toleriert worden sein. Erst mit den Kreuzzügen gab es eine Welle antsemitischere Hysterie aufgrund der Vorstellung, die Juden könnten sich mit dem Islam verbünden. Auch das allmähliche Verschwinden der Lepra könnte eine Rolle gespielt haben - es gab eine Art soziales Reinigungsmittel weniger, also suchte man sich Ersatz. Mit Rassismus im modernen Sinne hatte das aber nix zu tun.

Klipp und klar:Es war schon immer sch.... auf diesem Planeten


Und genau darauf will ich ja auch hinaus: Das MA als dunkle Zeit zu bezeichen ist unsinnig, da die meisten anderen Epochen - unsere eingeschlossen - auf ihre Weise mindest so "dunkel" wenn nicht noch mehr sind.


Btw, hier noch ein passender Link :*klick*

Daß es im Mittelalter überall schmuddelig und unhygienisch war, mit diesem Klischee will die Ausstellung anhand der Auszüge aus zeitgenössischen Dokumenten aufräumen. Natürlich sei es auch auf den Straßen von Paris dreckig gewesen, sagt Kuratorin Daniele Alexandre-Bidon. In ihren Häusern aber hätten die Adeligen großen Wert auf Sauberkeit gelegt. Wasser galt nicht nur als geschätztes Gut, sondern wurde auch gern zum Waschen gebraucht. Körperpflege war durchaus üblich.

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