"Steppenhintergrund" beim berittenen Bogenschießen

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Frank
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Beitrag von Frank » 09.08.2006, 14:45

Hallo Markus, schön mal wieder von Dir zu hören!

Inhaltlich kann ich Deinen Post sehr gut nachvollziehen - wie ja wohl schon deutlich wurde.
Die 'Sache an den Nagel hängen' muß man aber deswegen nicht.
Es gibt ja inzwischen genug Möglichkeiten, Bogenschießen vom Pferd in vielfältigen Formen zu betreiben.
Dieser Thread soll ja klären, wie überhaupt der Hintergrund für die Kampfsportart aussieht und aussehen kann.

Da habe ich schon eine Grudsätzliche Frage:
Warum (wenn auch nicht immer so genannt) ist das berittene Bogenschießen eine Kampfsportart?
Warum wird bei den Steppenreiten fast stillschweigend Vorrausgesetzt, daß es im Bund eine Struktur wie in einer Kampfsportart geben muß?

Was sind Kampfsportarten?

Judo, Karate, Boxen, Ringen, Fechten, Kendo und viele mehr.

Würde man Schattenboxen als Kampfsportart bezeichnen?

Gibt es irgendwo eine Form das Bogenschießens, daß sich als Kampfsportart versteht
(Bitte das nicht als rethorische Frage sehen - ist eine Frage speziell an die 'Japaner')?

Auch Vielseitigkeitsreiten sieht man ja trotz militärischer Wurzeln nicht als Kampfsport.

Ohne Frage sehe ich in der Scheibe einen imaginären Gegner, wenn ich eben den militiärischen Hintergrund bei den Reitervölkern vorraussetze (um diese Berechtigung geht es ja eigendlich im Thread).
Reicht das aber schon aus, um hieraus eine Kampfsportart zu machen?

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Kyujin
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RE:

Beitrag von Kyujin » 09.08.2006, 15:01

Original geschrieben von Frank
Gibt es irgendwo eine Form das Bogenschießens, daß sich als Kampfsportart versteht
(Bitte das nicht als rethorische Frage sehen - ist eine Frage speziell an die 'Japaner')?


Das Japanische Bogenschiessen, also Kyudo, das Markus und ich hier betreiben, ist sogar ein zentraler Teil des Budo. Budo wiederum ist ein Sammelbegriff für die Disziplinen, die aus den Kampftechniken der Bushi hervorgegangen sind. (Plus Karate, das einen anderen Ursprung hat und erst in den dreissiger Jahren als Budo definiert wurde.)

Auch die berittenen Formen der Ogasawara- und Takeda Ryu sind klassisches Budo.

Und Kassai orientiert sich bei seiner Rekonstruktion auch ideologisch stark an japanischen Vorbildern.

Das heisst latürnich nicht, dass auch die Steppenreiter dieses Modell übernehmen müssen.

Prinzipiell ist aber für eine Kampfsportart / Budodisziplin kein realer Gegner notwendig, den gibt es auch im Iaido (Schwertziehen) oder im Tameshigiri (Schnittest) nicht.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

benz

Beitrag von benz » 09.08.2006, 15:04

nun wird die Sache langsam interessant...

Ich glaube verstanden zu haben, daß zu einer Kampfsportart, neben dem ganzen, nun hinglänglich bekannten Regelwerk und Meistergraden etc., eben auch ein, nennen wir es mal spiritueller Hintergrund gehört.

Nach dem 1. Wettkampf auf Gut Seeburg wollte ich diesen, bezogen auf die Kassaischule, ergründen. Ich fragte also einen Teilnehmer und Leiter einer Kassaischule und FC User :D danach. Er nannte mir den Name Carlos Castaneda. Ich lieh mir damals von einem anderen FC User das Buch "Der zweite Ring der Kraft" aus, muss aber gestehen, daß ich dazu keinen Zugang fand, ob das nun bedauerlich ist oder nicht, darüber dürften die Meinungen stark auseinander gehen.... :D

Bis heute bin ich dem Rätzel, ob es bei der Kassaischule so etwas wie einen gemeinsamen geistig spiritullen Hintergrund gibt, oder ob dies nur ein Promotion Gag ist nicht wirklich auf die Spur gekommen.

soweit einfach mal niedergeschrieben......

liebe Grüße benzi

Polvarinho
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Beitrag von Polvarinho » 09.08.2006, 15:27

@ Markus:

entspann`Dich!

Berittenes Bogenschiessen kannst Du in den ersten Jahren ganz ohne Pferd betreiben!!!

Du übst die Technik in allen Variationen am Boden und fertisch.

Wenn das klappt, dann kannst Du aufs Pferd.

Oder eben nebenher zum Reiten lernen, aber eben besser nicht zum Schiessen, denn das kannst Du dann noch gar nicht so doll....

Ich bin seit 2002 dabei und trainiere nach wie vor am Boden!!! Zu den Wettkämpfen setze ich mich dann so 2-3 x Jahr aufs Pferd und es klappt bisher ganz gut.

Also: Nicht verzagen, ran an die Technik!!
Und demnächst reitest du den "Fortgeschrittenen" davon ;-)
Claus
Wo es nur um das Gewinnen geht, dort gibt es zu viele Verlierer.

Niels

RE:

Beitrag von Niels » 09.08.2006, 15:43

Original geschrieben von Frank

Ohne Frage sehe ich in der Scheibe einen imaginären Gegner, wenn ich eben den militiärischen Hintergrund bei den Reitervölkern vorraussetze (um diese Berechtigung geht es ja eigendlich im Thread).
Reicht das aber schon aus, um hieraus eine Kampfsportart zu machen?


Meine Meinung dazu: Berittenes Bogenschießen muss ich - selbst dann, wenn ich mich bei der Ausübung an den historischen Reitervölker orientiere - nicht zwingend als Kampfsport und schon gar nicht als Kampfkunst auffassen. Das kann man vielleicht, aber muss man meiner Meinung nach nicht unbedingt.

benz

Beitrag von benz » 09.08.2006, 15:49

Hallo Markus,

schön wieder mal was von Dir zu lesen. Ich erinnere mich gut an Deine Ritte in Storkow letztes Jahr und überhaupt an alle in Koppenbrück, besonders diesen genialen Schuss auf den Ballen im Galopp auf freier Wiese, mit Kurve im Anritt und ganz ohne Bahnumrahmung..... super!

Weißt Du ich denke Du bringst viel Talent mit und die richtige Einstellung zu den Pferden.

Ich fänd es toll Dich mal wieder auf nem Pferd zu sehen.

liebe Grüße benzi


Steppenreiter

Beitrag von Steppenreiter » 09.08.2006, 17:04

Benz während der Gründungsphase der Steppenreiter e.V. haben wir uns intensiv über das für und wider eines spirtuellen Zugangs usw. "Krieger" und Bushido Aspekten im berittenen Bogenschiessen auseinandergesetzt. Niels, der auschliesslich die sportliche Seite betonte, hat sich schließlich durchgesetzt.

Damals hat er den Ansatz vertreten, dass er als ideologisch überfrachteter und trotzdem areligiöser Ossi großgeworden zwar unsere auf das Metaphysische (Wessi) gewandten Ansätze durchaus nachvollziehen könne, es aber für den größeren gemeinsamen Nenner halte, wenn wir auf derlei verzichteten.

Aus heutiger Sicht gebe ich ihm vollkommen recht, denn das Problem eines esotherischen Ansatzes ist, dass er einen auschliessenden Charakter hat. Er teilt in Gläubige und Ungläubige, Nachfolger und Abweichler, Dazugehörige und Aussenseiter. Wer rein will, muß erst einmal seinen Zugehörigkeitswillen unter Beweis stellen und ein Bekenntnis ablegen. Nämlich dass er fürderhin nur für die neue Gemeinschaft einsteht usw.

Mir war die Konsequenz dieses esotherischen Zugangs damals nicht klar, denn ich meinte das Verbindende im Innern zu vermissen. Doch heute muß ich zugeben, dass mir die Hörigkeit eines Fussballfans zu seinem Club immernoch sympathischer ist, als die des Freizeit-Kriegers oder einer japanischen Kampftruppe, denn diese sind bei aller Ernsthaftigkeit der Angehörigen immer auch der Beliebigkeit des esotherischen Verständnisses der Identifikationsfigur geknüpft.

Darin könnte ich ja noch einen gewissen Charme entdecken, wenn man sich an tradierte Werte und Regeln der Religionsausübung anschlösse, aber bei Castaneda und ähnlichem schamaniserten Westhumbug hört der Spaß dann für mich auf.

Sir Lancelot

RE: Aus der Sicht eines Fussgaengers

Beitrag von Sir Lancelot » 09.08.2006, 19:18

Original geschrieben von Markus

Man muss natuerlich auch bedenken, dass das Bogenreiten immer eine Sportart fuer einige wenige bleiben wird, denn wer hat schon Pferd und Gelaende um zu ueben. Und so bleibt es halt eine kleine Truppe, in die es einem ohne Pferd, Reiterkenntnissen und Uebungsgelaende schwer faellt, einzutreten.


Da muss ich dir wiedersprechen. Da das "just for fun" Bogenschießen vom Pferd von jedem Reiter ausgeübt werden kann, wird der Steppenreiterbund mit der Zeit wachsen, bzw. die Anzahl der Interessenten wird steigen. Es ist zur Zeit nur so, dass kaum einer weiß, dass man Bogen und Pferd kombinieren kann.
Z. B. wäre es mir vor einem halben Jahr nie eingefallen auf dem Pferd Bogen zu schießen.
"Selig die Unwissenden" :D
Es ist natürlich klar das "Städter" kaum die Möglichkeit haben kurz mal raus zu gehen und mit dem Pferd Bogen zu schießen. Aber die Leute , die auf dem Land wohnen oder die ihr Pferd in einem Stall mit Wälder und Wiesen drumherum stehen haben steht dieses Hobby vollkommen offen. Man braucht ja zusätzlich nur einen Bogen und Pfeile, das ist um einiges billiger als die ganze Pferdeausrüstung.
OK, man sollte natürlich einen Bogenreiter-Kurs besuchen, aber ich rede hier ja von der Möglichkeit etwas zu tun.
Wenn man sich ins Gedächtnis ruft das der Pferdebestand in Deutschland bei ca. 500 000 liegt, ist eigentlich schon großes Potenzial vorhanden.

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Kyujin
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RE:

Beitrag von Kyujin » 10.08.2006, 01:47

Original geschrieben von Steppenreiter
... aber bei Castaneda und ähnlichem schamaniserten Westhumbug hört der Spaß dann für mich auf.


Bingo.

Mehr brauche ich dann dazu auch nicht mehr zu sagen :D

Außer vielleicht:

Daß die verbreitete Vorstellung über "Zenbogenschießen" genau solchen fiktiven "Westhumbug" wie Castanedas Pseudoethnologie darstellt, habe ich bereits mehrfach begründet.

Das selbe gilt aber auch für das sogenannte "bushido", das letztlich nichts anderes als eine moderne Projektion auf eine vermeintlich goldene Vergangenheit ist. Seine Entstehung stellt ein ziemlich genaues Pendant zur Stereotypisierung der Germanen durch die Deutschen und der Wikinger durch die Skandinavier dar - der ideologische Aufbau der modernen Nationalstaaten hat ganz ähnliche Muster der Geschichtsverfälschung hervorgebracht.

Was die "spirituelle" Komponente des Budo angeht, ist sie weder religiös noch philosophisch im westlichen Sinne: Es geht weder um Glaubenssysteme noch um kluge Gedanken, sondern um Übungswege, die durch sehr konkretes physisches Arbeiten mit schwierigen Techniken konkrete mentale Resultate erreichen. Dabei sind weniger die Techniken (die sich verändert haben), als vielmehr die Lernmethoden entscheidend. Und zu denen gehört auch die Kleidung als ein Element, durchaus in dem von Steppi skizzierten Sinne.
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

Steppenreiter

Beitrag von Steppenreiter » 11.08.2006, 17:02

... ob eine Szene, die sich eher durch Nonkonformität als durch Traditionalität auszeichnet, sich auf solche Standardisierung zu einigen vermag.


Lassen wir einmal das solche - gemeint war glaube ich die Kleiderordnung - weg, dann denke ich, ja es ist möglich und zwar erwächst Standardisierung schon allein aus den wachsenden Anforderungen für die Teilnehmer dieser Sportart.

Nehmen wir z.B. den Streit um die richtige Reitweise. Es gibt die klassisch englisch Ausgebildeten und die Westernfraktion. Jede schwört auf ihre Vorteile beim Erlernen des bB. Solange keine besonderen Anforderungen an das Pferd gestellt werden, ist es egal wie man reitet, man kann sogar grottenschlecht reiten und trotzdem noch punkten. Das ist beim Bahnwettkampf leider so der Fall.

Wenn wir aber, was vielfacher Wunsch ist, dorthin kommen einen frei gesetzten Parcour so schnell wie möglich zu durchreiten und gleichzeitig mit Pfeil und Bogen Ziele zu treffen sind, dann wird Reiten und die Pferdeausbildung zu einem zentralen Bestandteil. Und weil das in noch keiner anderen Pferdesportart so verlangt wird, wird sich sehr bald ein eigener Weg und Standard bilden.

Die Beliebigkeit der Nonkonformisten, die sich das Schild des Traditionellen umgehängt haben, ohne dessen eigentliche Bedeutung zu achten, wie Kyujin vermutet, werden so zu Schöpfern einer Tradition. Einer Tradition, die sich durchaus aus mehreren alten Quellen bedienen kann.

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