Wallarmbrust

Armbrust-Themen - wie Technik, Material, Eigenbauten, Versuche
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stefanpaul65
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Wallarmbrust

Beitrag von stefanpaul65 » 20.09.2010, 23:57

Im Stadtmuseum Erfurt hängt eine Wallarmbrust aus der ersten Hälfte des 14-Jhdt,s.
Ob "Wallarmbrust" jetzt so die richtige Bezeichnung ist, darüber streitet bitte nicht mit mir.
Diese Armbrust hat eine Säulenlänge von ca 3.50 -3.80 m, der Bogen ist etwa 3,20 -3.30m lang.
Eine Sehne ist nicht vorhanden.
Der Bogen ist aus 4 Lagen gebaut, sieht aus, wie aus Brettern zusammengesetzt, quadratischer Querschnitt, in der Mitte so etwa 15x15 cm im Querschnitt, an den Enden noch immer 10x10cm, dort ein sehr deutliches Sehnenlager mit zwei Kerben auf dem Rücken der Wurfarmenden, für vermutlich Spannsehne und Schießsehne.
Der Bogen ist sehr deutlich reflex gebogen, sicherlich um 20-25cm vorwärts.
Von der Vorderkante des Bogens bis zur Nuß sind es ca. 1.10-1.20m, die Finger der Nuß könnten einen "Bolzen" von 1.2 - 1.5cm Durchmesser gehalten haben. Von einer Bolzenrinne fehlt jede Spur.

Ich habe Fotos davon, wie man die hier reinstellt, dazu bin ich zu blöd.

Meine Fragen:

Woraus könnte der Bogen sein? Holzart? Maserungsrichtung? Verbindungen?
Womit klebt man das? Ich weiß wohl, was die damals verwenden konnten, ich will ein funktionsfähiges Look a like haben, keine perfekte Replika.

Danke für euere Gedanken.

Stefan

elric
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von elric » 21.09.2010, 08:56

Erstmal Fotos hochladen:
http://imageshack.us/

Baumkirchner
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 21.09.2010, 17:43

@ Stefan

die technischen Daten sowie den Aufbau des Bogen samt Beschreibung kannst du in H. Richters "Die Hornbogenarmbrust" nachlesen.
Der Bogen besteht aus 4 Schichtpaketen aus Horn oder Fischbein (das sind die von dir bezeichneten 4 Lagen) der am Rücken mit Sehnen belegt wurde - sprich ein Hornbogen.
Verleimt wurde damals mit Fisch- oder Hautleim.

Gruß

Baumi

baschdler
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von baschdler » 21.09.2010, 19:32

@Baumi
Fischbein ? Hast du nähere Informationen darüber, welche Knochen, welcher Fische, für sowas Verwendung fanden ? Walfisch-Rippen oder -Unterkiefer ? Die werden den 3,3m langen Bogen doch wohl nicht aus Heringsgräten zusammengefriemelt haben !? :D

@StefanPaul
Ja, Bilder wären sehr interessant. 12-15mm für den Bolzendurchmesser hört sich, im Verhältniss zu den übrigen Maßen, sehr wenig an. Wenn mit den 12-15mm der Abstand der Nussfinger gemeint ist, können die Bolzen im Durchmesser auch noch etwas größer gewesen sein, da die Bolzen am hinteren Ende meist seitlich abgeflacht waren, um zwischen die Nussfinger zu passen. Die Höhe, die die Nussfinger frei über den Schaft hinausragen, bzw. der Durchmesser der Sehne, sollten in etwa dem Bolzendurchmesser entsprochen haben.

Gruß Martin

Baumkirchner
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 21.09.2010, 19:55

@ baschdler

Gute Frage mit dem Fischbein - Richter bezeichnet es so. Ich denke er hat es von früheren Autoren übernommen, wobei es bei J. Alm in "Europeiske Armborst" als Walbein bezeichnet wird und der bezieht sich dabei wieder auf einen Artikel von F. Rohde " Über die Zusammensetzung der spätmittelalterlichen Armbrust". ;)

Gruß

Baumi

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Heidjer
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Heidjer » 21.09.2010, 20:02

Nennt sich so ein Geschütz denn noch Wallarmbrust?
Solche Waffen wurden doch von einen Mann bedient und bei der größe braucht man doch schon eine ganze Mannschaft allein zum spannen?
Ist das dann nicht eher ein Skorpion? ???

Und das Holz für den Bogen wird vermutlich Ulme gewesen sein.


Gruß Dirk
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von stefanpaul65 » 21.09.2010, 21:35

@baumi, danke für den Tipp, aber dieses Gerät wird in dem Buch ganz sicher nicht behandelt...Birkenpech und andere Holzteere hatte man auch, aber...
@martin, ja, ich meine den Abstand der Nußfinger, deine Folgerungen sind sicher richtig, was mich wundert, ist das völlige Fehlen einer Bolzenrinne an dem "Gerät"...

@ Dirk M., ich sagte ja, wie man dieses "Ding" nennt, darüber bitte nicht streiten...

Bilder sollten bald folgen, Danke an Elric.

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Heidjer
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Heidjer » 22.09.2010, 02:49

Na ja, eine Wallarmbrust ist nur eine sehr starke Armbrust die Aufgelegt verwendet wird weil sie zum Freihändigen Schiessen einfach zu schwer war. Sie wurde meines Wissens auch nur von einen Mann bedient. ;)
Was Du beschreibst ist halt von den Maßen her ein Skorpion und der Verschoß halt keine Bolzen sondern Speere, was auch das Fehlen einer Bolzenrinne erklären würde. Der Speer braucht vorne nur ein Auflager da er über die länge der Bogenhalterung herausragt. Beim Abschußvorgang läuft es dann wie bei einen Bogen ab, mit dem Archers Paradox. Das soll Bedeuten das der Speer zu mindestens 85% seiner Beschleunigungsstrecke nur hinten von der Sehne geschoben wird und vorne frei in der Luft schwingt, ohne jede weitere Führung. Höchstens die ersten 15% des Beschleunigungsweges hat der Speer dabei Kontakt zum vorderen Auflager danach hebt er davon ab. ;)


Gruß Dirk
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 22.09.2010, 07:46

@ Stefan

stefanpaul65 hat geschrieben:@baumi, danke für den Tipp, aber dieses Gerät wird in dem Buch ganz sicher nicht behandelt...Birkenpech und andere Holzteere hatte man auch, aber...


Was soll nun in dem Buch nicht behandelt werden? Die Erfuther Riesenarmbrust ist in Richters Buch "Die Hornbogenarmbrust" drin und wird dort samt Bildern beschrieben. Und wofür sollte Birkenpech oder Holzteer verwendet werden?

@ Dirk M

Der Bogen besteht nicht aus Holz sondern aus Horn (Walbein?) und Sehnen.
Ein Skorpion ist doch ein Torsionsgeschütz also von da her eher weniger bezeichnend und die fehlende Bolzenrinne ist eine Sache, die eigentlich bei nahezu allen mittelalterlichen Armbrüsten aus Zentraleuropa Sache ist - da gibt es nur ein kurzes Bolzenlager (Bolzenauflage) am Anfang der Säule und der Rest ist bis zur Nuss glatt.

In folgendem Thread http://www.fletchers-corner.de/viewtopic.php?f=34&t=14431 (auf der 1. Seite unten) sind ein paar Detailbilder einer Reko mit diesem Aufbau.

Gruß

Baumi

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Re: Wallarmbrust

Beitrag von stefanpaul65 » 22.09.2010, 10:00

@baumkirchner, Ahhh! Danke, ich hatte mich auf die Aussage einer Museumsmitarbeiterin verlassen, das die große Armbrust noch nicht in der Literatur behandelt worden sei, deshalb nahm ich an, das dieses Ding nicht in dem von Dir genannten Buch beschrieben sei, also werde ich mir wohl jenes Buch kaufen.
Walbein...solche Materialien werden wohl kaum zu bekommen sein und selbst wenn, würde ich sie nicht verwenden wollen, was könnte ein möglicher Ersatz sein?
Woraus könnte man einen derartigen Bogen bauen? Es wird jetzt sehr spekulativ, ich weiß.
Aber danke dafür, das ihr mich an eueren Erfahrungen teilhaben lasst.

Allerdings...wenn ich mir Bilder von Walbein, also den Barten der Bartenwale so ansehe, glaube ich nicht, das diese das Ausgangsmaterial waren, die einzelnen Schichten des Bogens wirken nicht so, als wenn sie aus einem Fasermaterial aufgebaut wären, das sieht wie dicke Platten aus, man kann noch an der Rändern der Platten die Bearbeitungsspuren sehen, als wenn man mit einem Zugmesser daran gearbeitet hätte.
Unterkieferknochen eines Wales ergäben sicherlich so große Platten, aber ist Knochen denn so biegsam?
Fragen über Fragen.

Stefan

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Heidjer
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Heidjer » 22.09.2010, 10:09

Ein Bogen von 320 cm länge, in der Mitte 15 cm x 15 cm, an den Tips 10 cm x10 cm, vollständiger quadratischer Querschnitt, kann nach meiner Meinung nur aus Holz sein und hätte damit ein Zuggewicht von weit über 3 tonnen. Ein Bogen mit den Maßen aus Fischbein und Sehnen hätte nach meiner Meinung über 10 tonnen Zugkraft und das hält nicht mal mehr eine 4 cm Dicke Sehne aus Hanf, Leinen oder sonstigen Naturprodukten aus. Auch ist mir nicht bekannt das in Deutschland (und Europa) um 1300 herum Walfischfang von den Großen Walarten betrieben wurde, woher so großes und soviel Fischbein?
Das die Römischen Skorpione Torsionsgeschütze waren ist mir bekannt, allein das Funktionsprinzip ist das selbe wie bei einer Armbrust, mit Ausnahme das die Kraft nicht in der Biegung der WA gespeichert wird, sondern die WA nur Hebel sind die die Kräfte in ein verdrehtes Seilbündel leiten.
Allein dachte ich das der Begriff Armbrust daher rührt, dass solch eine Waffe von Hand an der (neben der) Brust ausgelöst wird.
Wer aber das von Stefan (Stefanpaul65) beschriebene Geschütz ohne lange Leine auslöst ist nicht nur ein Selbstmörder sondern auch völlig Phantasielos und Dumm. Allein Säule, Bogen und Sehne müßen über 150 kg wiegen, wenn da was bricht oder reisst dann lebt im 5 m Umkreis niemand mehr. ::)
Dann nennen wir das Geschütz doch einfach Bogengeschütz. ;D Für Armbrust ist mir das Ding zu mächtig. ;)


Gruß Dirk
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 22.09.2010, 10:40

@ Stefan

alles klar - die Verwendung von Walbein halte ich persönlich für eine Sache die vor zig Jahren ins Spiel gebracht und dann immer wieder übernommen wurde - das klassische Material ist für diese Bögen ist Horn. In Streifchen geschnitten und verklebt lassen sich quasi alle Längen und Dimensionen realisieren.

Als möglichen Ersatz würde ich auf Holz (Eibe, Ulme oder Esche) oder auf modernes Material wie Glasfaser nehmen.

@ Dirk M

Ich habe mich bei meinen Angaben an die vorhandene Literatur gehalten - da ist die Rede von Horn oder Fischbein und nicht von Holz. Um einen entsprechenden Hornbogen zu machen bedarf es auch einer Menge Hörner - ebenso wird es bei Walbein (falls das jemals verwendet wurde) sein.
Wenn man sich die erhaltenen und als Wallarmbrüste bezeichneten Stücke (zB Ingolstadt, Nürnberg, Erfuth) samt den einzelnen Bögen (zB Quedlinburg, Köln) ansieht haben alle den gleichen Aufbau eine vergrößerte Armbrust mit Nuss und Abzugstange und einem Kompositbogen mit rechteckigem Querschnitt.
Ausgelöst wird die Nuss durch die Abzugstange und nicht über eine Leine.

Das einzig mir bekannte Geschütz, das über eine Leine ausgelöst werden konnte ist die Quedlinburger Balliste mit der ca 160 bis 200cm lange Bolzen (oder Speere) verschossen wurden - das Ding sieht aber nicht wie eine Armbrust aus sondern erinnert eher an römische Vorbilder basaß allerdings einen Bogen, der heute nicht mehr erhalten ist.

Für die Entstehung des Begriffs "Armbrust" gibt es mehere Theorien:
1. die Ableitung vom Wort Arcubalista
2. die Ableitung von "Arbier" - der Säule - was dann zur gesamten bezeichnung der Waffe wurde
3. soll im Wort "rust" die Rüstung stecken, die den Schaft/ die Säule bezeichnet
4. die indogermanische Silbe "ar" soll Bogen bedeuten - kombiniert mit der "rust" wäre die ganze Waffe bezeichnet

Gruß

Baumi

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Re: Wallarmbrust

Beitrag von elric » 22.09.2010, 10:45


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Re: Wallarmbrust

Beitrag von Baumkirchner » 22.09.2010, 10:52

Anbei noch ein Bild der Ingolstädter Wallarmbrust mit einer Bogenlänge von ca 160cm

Wallarmbrust_ingolstdt.jpg


Gruß

Baumi
Zuletzt geändert von Baumkirchner am 22.09.2010, 12:47, insgesamt 1-mal geändert.

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stefanpaul65
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Re: Wallarmbrust

Beitrag von stefanpaul65 » 22.09.2010, 11:16

@elric, danke für Deine Arbeit, ich hab das einfach nicht hingekriegt...
ich finde immer noch, das das nicht aussieht, wie ein Bogen, den man aus vielen kleinen Hornplättchen aufgebaut hat, das sind 4 Holzplanken, mein persönlicher Eindruck der direkten Ansicht dieses "Dings" ist eben jener.
Die Fotos geben das nicht so genau wieder, ich konnte kein Stativ benutzen, Blitz ist problematisch, denn das Teil ist hinter einer großen Glasplatte, die Beleuchtung in dem Raum ist kaum vorhanden, es ist echt dunkel, ich konnte keine Leiter aufstellen und musste den Bogen aus ca 7m Entfernung von der Treppe aus fotografieren.
Wer die Bilder haben will, gibt mir mal schnell seine Mail-Addy, ich kann sie auch nochmal weiterversenden.
Aber vorsichtig, nix für Modem-User...

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