Womit klar sein sollte, dass keinerlei Bogenschießen dogmatisch gesehen werden sollte. Schon gar nicht in Zeiten, wo es nicht mehr physisch um Leben und Tod durch Treffen/Nichttreffen geht. Bringt niemanden weiter und schon gar nicht so kleine Szenen, wie Kyudo oder die der Holzbogenschützen oder was weiß ich.
Wenn man das traditionelle Kyudo mit seinen Dogmen verstehen will, dann muss man sich mit seiner Entstehung auseinandersetzen, ansonsten bleibt es ein unklares Pfeilefliegenlassen in unpraktischen aber auffälligem Gewand.
Die traditionelle Heki-Technik ist auf dem Schlachtfeld entstanden und da ging es erstmal physisch um Leben und Tod. Aus der Beobachtung heraus, wie sich erfolgreiche Krieger von weniger erfolgreichen unterscheiden, in der Regel gefallenen Kriegern , ist festgestellt worden, dass ein technisch und körperlich hervorragender Krieger noch lange kein siegreicher Krieger sein muss. Über technisches Können und physischer Stärke triumphierte eine Eigenschaft, die man Angstfreiheit nennen kann. Ein Krieger ohne Angst ist immer ein gefährlicher Krieger, egal auf welchen technischen Stand und in welchem körperlichen Zustand er ist.
Die Überwindung der Angst sind das pragmatische Ziel einer jeden Koryu, egal welcher Waffengattung.
Wenn in einer Koryu auch heute, wo es nicht mehr um Leben und Tod auf der physischen Ebene geht, verlangt wird, dass so geübt wird, als wenn es auf Leben und Tod geht, dann ist das kein Anachronismus.
Das hat einen Grund, wegen dem es heute überhaupt noch die alten Schulen gibt.
Die komplizierten Techniken alter Schulen, die niemand rational erklären kann, zeigen schonungslos auf, wo der Schütze steht, seine Schwachstellen zeigen sich. Im Kyudo sagt man auch, dass der Schütze im Abschuss nackt wie ein Kind ist. Das liegt an der Kombination von feinmotorischen und gleichzeitig kraftvollen dynamischen Bewegungsabläufen – ein Paradoxon. Das offenbart in Stresssituationen (z.B. Wettkämpfe), ablesbare Körperreaktionen, die eine wirklicher Lehrer sieht und helfen kann, sie dem Schützen einsichtig zu machen.
Schön, aber was haben wir heute davon?
Nun, es gibt einen Nebeneffekt. Angenommen ein Schütze hat es geschafft mit viel Übung und einem kompetenten Lehrer auch in Stresssituationen angstfrei zu schießen, das heißt so zu schießen wie er auch allein schießen würde. Dann hat er als Nebeneffekt sein Ego überwunden, denn nur wenn das Ego überwunden ist, kehrt Gleichgültigkeit ein, im Sinne von „Alles hat die gleiche Gültigkeit“. Einem solchen Schützen kümmern keine Erfolge oder Graduierungen, er wir auch nicht im Kimono sterben.
Denn wenn kein Ego mehr da ist, kommt es auch zu einer Änderung im Bewußtsein, es stellt sich ein Bewußtsein ein, dass dann nicht mehr ein Programm aus Erbe, Erziehung und Erfahrung ist.
Es gibt Leute die nennen es ein geistiges Bewusstsein.
Da Geist ein strapazierter und nicht eindeutiger Begriff ist, neige ich dazu es ein von allen Konditionen befreites Bewusstsein zu nennen.
Diesem Bewusstsein ist bewusst, dass die Frage nach Leben und Tod in Wirklichkeit eine Frage von "Wie komme ich vom Tod ins Leben" ist.
Und zum Schluss das Wichtigste: Kyudo macht auch Spaß
Grüße
Yabusame