Wann bei jedem Kyudo beginnt und aufhört ist eine spannene Frage.
Mit Deiner Wortwahl kann ich nicht so recht übereinstimmen aber sonst kann ich Dir durchaus in vielem recht geben.
"Entartet" ist etwas unglücklich weil es eben eine unangenehme Herkunft hat als Begriff, besonders wenn man von Kunst (oder einer Kunst) spricht.
Aber ok,...
Ich kann RoLi's Einstellung zu Kyudo absolut verstehen und halte sie für die einzig richtige.
Es macht kaum einer Kyudo der nicht nach einer Perfektion strebt. Wo jeder für sich den Schwerpunkt seiner Bemühungen setzt ist seine Sache. Schlussendlich führt alles Streben auf ein Ideal zu wo wahre Technik zu wahren Treffern führt.
Jedem anderen ständig zu unterstellen er suche nach etwas anderem klingt stark nach Missgunst und ist schlichtweg unrichtig.
Natürlich gibt es im Heki Kyudo Ideale die stehen und sich nicht ändern, da timme ich Dir zu.
Die Form ändert sich schon - hat sich auch historisch immer wieder geändert.
Ich könnte mir vorstellen dass ein Heki Danjo ein Uchi-Okoshi das die Achselhöhle preis gibt "entartet" fände, oder dass Männer mit 10er und 12er Bögen schiessen (von Frauen im Kyudo ganz zu schweigen) oder dass jemand nur 50 Pfeile die Woche schiesst anstatt 800 pro Tag.
Auch dass Schützen meinen dass sie Rang oder Form wie z.B. Abknien nicht interessierten braucht hätte er evtl als "entartet" empfunden.
Wer weiss....
Änderungen sind Teil jeder lebendigen Kultur.
Es gibt hier viele die nicht knien können oder die nicht in der Lage sind Bögen die vom Zuggewicht dem historischem Standard entsprechen zu ziehen.
Es gibt Schützen die die Form und Kultur nicht interesiert.
Wir zwingen keinen zu knien, starke Bögen oder 6-7-800 Pfeile am Tag zu schiessen.
Jeder sucht sich den Weg aus der ihm zusagt. Manch einer findet Gruppenharmonie, From, Prüfungen, Wettkämpfe, Kimono, Abknien auch wenn's vielleicht nicht genehm ist etc sind Teil von Kyudo. Für Dich mag Kyudo nur in der linken Hand daheim sein, andere sehen es anders, deswegen sind sie aber nicht "entartet".
Kyudo ist ein breiter Begriff und wenn man sich schon auf grosse Worte wie "gelebte philosophische Werte" beruft dann sollte man dem auch rechnung tragen und andere respektieren.
Heute wird Kyudo, wie der Heki-Student im Clip oben zeigt, mitunter anders aufgefasst und auch gelehrt.
Das heisst nicht dass das Ideal anders ist, es trägt lediglich den heutigen Gegebenheiten rechnung.
Das muss Dich ja nicht abhalten so zu üben wie Du es für richtig hältst. Manch einer mag ein formloses Schiessen wo es nur um Technik geht nicht als kyudo ansehen belässt Dir aber dennoch das Recht alles andere zu ignorieren und das was Du tust immer noch als Kyudo zu bezeichnen...
Hier ein weiterer Clip:
http://www.youtube.com/watch?v=lCKLGMK_ ... grec_indexDie Arm-Haltung hier ist fast standard für Studenten in Japan.
Jedes Gelenk abgewinkelt... total falsch?
Vorallem Frauen haben oft das Problem dass das Ellenbogengelenk über 180 Grad hinaus öffnet. Versucht man den Arm durch zu strecken klappt er um und knickt nach innen was zu Verletzungen führt.
Man umgeht dies indem man ihn gar nicht erst ganz streckt. Natürlich hat das einen Verlust an Spannung zur Folge.
Die Form ist nicht "richtig" sondern eine Hilfestellung.
Genau so ist ein künstliches Yugaeri nicht richtig sondern ein Übergangslösung.
Richtig ist die Form von Ishii Sensei - Arm gestreckt und keine Öffnen der Hand.
Um Deinen Ballsport-Vergleich nochmal aufzugreiffen, man fördert in Anfängern erst einmal Ballgefühl und Körpergefühl.
Bei Dir wird gleich mit den höchsten Idealen der Kunst begonnen.
Ich frage mich ob das dem Erlernen wirklich dient.
Die Japaner haben mittlerweile den Begriff "german Kyudo" - was kein Kompliment ist...
Er bezeichnet einen mechanischen hölzernen Schiesstil ohne Gefühl für Bogen und Gruppe.
Man sagt hier jedem Anfänger von ersten Tag dass er halten muss so fest er kann und drehen kann er auch nicht stark genug...
das alles bevor der Schütze irgendein Gefühl für Bogen oder Körper hat.
Das Resultat ist oft ein sehr verkrampfter Schiesstil.
In Japan versucht man gerade in jungen Schützen oft eher Bogengefühl zu entwickeln (auch Spass am Schiessen - weil man mehr trifft) was bei krampfhaftem Halten und Würgen schlichtweg nicht geht.
Die "Übergangslösung" soll eine bessere ganzheitliche Entwicklung des Schützen ermöglichen auch wenn Fehler zeitweise geduldet werden wenn es einfach noch nicht besser geht.
Mit zunehmender Reife schliesst man dann auch die Hand mehr und mehr und versucht das Ideal zu erreichen.
Ich stimme Dir in Deinen Aussagen zu den Idealen der Technik schon zu, kann Deine Einstellung anderen Schützen und dem Erlernen gegenübr aber halt nicht teilen.
Wir sind Freizeitschützen und weit weg von dem was die Begründer der Heki Schule gemacht haben.
Wir sollten uns da auch nichts vor machen, wir alle machen uns es leichter auf unsere Weise - durch leichte Bögen, durch geringes Trainingspensum, dadurch dass wir Form, Gewand, Prüfungen vermeiden,...
Wenn einen nur die linke Hand interessiert macht man vielleicht gern eine Tugend daraus nur die zu trainieren aber die Form, die Prüfung und der Kinono sind auch Teil vom Kyudo.
Man muss jeden respektieren und so üben lassen wie er will, das gebietet rein schon der Anspruch "gelebte philosophische Werte" zu besitzen - da passt der hassatische Ton den Du mitunter an den Tag legst nicht dazu.
Gruss,
Mark