Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Fragen zu Boegen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Bogenbau.
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Chris Yarbrough
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Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Chris Yarbrough » 30.05.2022, 18:14

Mein Aktueller Bogen

Ich schieße einen Holzbogen aus unbekannter Quelle mit dem Titel "Langbogen". Das Profil ist rechteckig, Gesamtlänge 174cm und ein recht starker Deflex, 42 Pfund bei 28 Zoll. Der Griff ist von innen angeklebt und löst sich gerne mal vom restlichen Hickory Holz. Der Bogenbauer hat augenscheinlich keine Rücksicht auf Jahresringverlauf genommen und das Stück ist das Gegenteil von natürlich gewachsen und herausgearbeitet, eventuell ein Hickory-Brett nach genauen Spezifikationen ausgesägt und nur noch abgerundet. Der Bogen zieht und schießt sich sehr weich und angenehm, aber irgendwie macht er auch wenig Spaß weil mir selbst leichtere Pfeile eher wie hüpfende Nudeln vorkommen.
IMG_3488.JPG
IMG_3489.JPG
Mein Wunschbogen

Jetzt überlege ich mir einen Englischen Langbogen anzuschaffen und erhoffe mir davon:
  • Die Erfüllung meiner durch verschiedene Medien geprägten Vorstellung von "DEM Robin Hood Bogen" ;D
  • Eine schönere Optik (echtes Vollholz mit sichtbarer Abgrenzung von Hart- und Weichholz, persönlicher Geschmack)
  • Etwas mehr "Wumms" (Pfeilgeschwindigkeit, flachere Flugkurve, schöneres Geräusch)
Auf den Webseiten verschiedenere Bogenbauer lässt sich lesen, dass so ein Stück anfertigen zu lassen gerne mal 800€ kostet. Oft steht dann dort auch etwas wie "nur für Schützen mit Holzbogenerfahrung zu empfehlen" oder "bedarf aufwendiger Pflege".

Meine Fragen

Gehe ich richtig in der Annahme, dass die Bauart eines ELB Folgende ist: Typisch Eibe (oder Ulme), Hornnocken, kein besonders herausgearbeiteter Griff, kein Ledergriff, ca 180cm, D-förmiger Querschnitt?

In wieweit unterscheidet sich dann das Schussverhalten zu anderen Langbögen (wie dem von mir beschriebenen)? Im Prinzip laufen die Unterschiede ja vor allem auf den Querschnitt hinaus - wie wirkt sich das auf die Handhabung aus?

Was meinen die Bogner wohl mit "Erfahrung" und "besonderer Pflege"? Mein Hickorybogen wird jetzt seit 15 Jahren geschossen. Am Anfang habe ich den ein paar mal frisch gewachst und ansonsten noch nie im Regen oder bei zu feuchtem Wetter geschossen. Kann sein dass der Deflex stärker geworden ist (also ein permanenter string follow eventuell), aber insgesamt hatte ich nicht das Gefühl irgendwas tun zu müssen damit er am Leben bleibt.

Meine Frage zielt auch ein bisschen darauf ab, dass ich aktuell einen sehr angenehmen Bogen schieße und ich den Wechsel nicht bereuen möchte wenn ELB beispielsweise typisch sind für starken handshock. Natürlich habe ich schon mehrmals einen ELB bei Darstellern auf Mittelaltermärkten geschossen um zu versuchen ein Gefühl dafür zu bekommen, aber ehrlich gesagt bin ich nach ein paar Schüssen nicht wirklich schlauer als "Ja 55 Pfund sind mir ohne Training ein bissle zu viel, aber der Pfeil geht gut ab".

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Hieronymus
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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Hieronymus » 30.05.2022, 19:54

Hi,

Ein Elb ist nicht bekannt für schnelle Pfeile zu schießen, sondern schwere Pfeile ziemlich weit zu schießen und mit hoher Durchschlagskraft. Wenn du mit 40lbs einen schnellen Bogen haben möchtest, dann solltest du dir einen kurzen osage orange Bogen mit leicht geflippten Enden zulegen. Schau dir Mal auf meiner Seite die Osagebögen an... Die schießen die Pfeile mit 187fps bei 9gpp und kosten keine 800€.
http://www.backes-bogenbau.de/

Je nach dem wie der Bogen getillert ist (Elb) und wie schwer die bogenenden sind, hat er auch Handshock...

Gruß Markus
«Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, daß das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.»
Salvador Dalí

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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von schnabelkanne » 31.05.2022, 11:55

Servus und herzlich Willkommen hier im Forum, schreib doch mal woher du kommst vielleicht bist du ja ganz in der Nähe eines Kollegen wo du mal verschiedene Bögen testen kannst, würde ich auf jeden Fall machen bevor du viel Geld ausgibst.
Langbögen oder besser gesagt stabförmige Bögen (mitbiegender Griff) schießen sich halt anders als Bögen mit steifem Griff.
Hickory wird aber oft mit stehenden Ringen verarbeitet und immer ohne Splint das ist schon in Ordnung und Hickory ist gutes Bogenholz. Zeig doch mal Bilder des gesamten Bogens, abgespannt auf Standhöhe und mit Auszug, dann können wir etwas zum Design sagen.
Lg Thomas
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Chris Yarbrough
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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Chris Yarbrough » 31.05.2022, 15:14

Danke schonmal für die Einschätzungen!

Ich bin aus der Region Fulda und seit Kurzem auch regelmäßig bei den Traditionellen Bogenschützen Sinntal. Ich hatte auch schon mehrmals die Chance Osage Oranges und auch ELB zu schießen. Die Osages waren etwas kürzer und mit schlanken Tips, sehr schnell, aber irgendwie hat es bei mir nie gefunkt, eventuell gefällt mir das Verhalten von kurzen Bögen nicht so sehr. Die ELBs die ich getestet habe waren mir leider zu stark, was das Feeling nicht repräsentativ macht.

Der historische Flair ist mir wichtig. Ich bin noch nicht auf eine konkrete Zeit festgelegt und werde auch nie 100% authentische Repliken anstreben, aber ich habe vor an "mittelalterlichen" Bogenturnieren in Gewandung teilzunehmen oder mich eventuell einer Gruppe anzuschließen. Naheliegend erscheint mir da eine Darstellung des 100-jährigen Kriegs weil es da die meisten Quellen, Materialien und Gruppen gibt. Etwas weiter gefasst finde ich das nordeuropäische Mittelalter spannend; ein Wikingerbogen hat mich auch schon immer interessiert. Die amerikanischen Hölzer sind mir da einfach ein bisschen zu weit weg, selbst wenn sie bessere Leistung bringen (hätte ich wohl besser native american fan werden sollen).

Hier nochmal Bilder von meinem aktuellen Hickory Bogen. Wahrscheinlich will ich mich gar nicht so weit davon entfernen, aber mehr Schönheit, saubere Verarbeitung und ein wenig mehr Schussleistung bei ca. 40-50 Pfund und kompatibel mit Gelegenheits-MA-Darstellung.
IMG_3502.JPG
IMG_3492.JPG
IMG_3501.JPG
IMG_3493.JPG

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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von schnabelkanne » 31.05.2022, 15:37

Servus, die Bögen des 100 jährigen Krieges waren halt nun mal Kriegsbögen und dazu da schwere Pfeile weit zu schießen und deshalb ab 80 # Zuggewicht aufwärts. Authentisch mit 50 # ist halt da nichts.
Bei deinem Bogen wäre noch etwas Tuning möglich wodurch der Handschock weniger wird aber natürlich auch etwas Zuggewicht.
Wenn du einen stabförmigen Bogen aus Eibe willst der ein englischen Langbögen ähnlich ist in der Form aber mit weniger Zuggewicht, dann wirst du auch z.B. bei Markus etwas finden, der hat schon sowas gebaut.
Lg Thomas
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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Ravenheart » 01.06.2022, 13:17

Den Hickorybogen hat kein "Meister" gebaut ...:
Beim oberen WA ist knapp die die Hälfte zum Ende hin fast komplett steif!)
Die Enden sind zu schwer...
Da hätte sich mehr raus holen lassen...
Die Griff-Klebefuge ist grottig, nur deshalb auch die Wicklungen...

Dass er trotzdem befriedigend schießt, zeigt mal wieder:
Hickory ist ein Spitzen-Bogenholz (und steht Eibe nur in dem Punkt nach, dass es deutlich schwerer ist...)

Rabe

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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Chris Yarbrough » 01.06.2022, 13:45

Den Griff hatte ich in der Vergangenheit auch schon häufiger in zwei Teilen in der Hand, weswegen ich selbst das Dacron drumgewickelt habe als Schnellreparatur. Der Bogen ist nicht gebrochen, also hält das Holz schon was aus, aber "befriedigend" ist es ja nicht, sonst würde ich ja nicht nach einem neuen Stabbogen suchen. ;D

Ich habe selber noch etwas geforscht und kann zu Holzbogenpflege nur Dinge finden die mir ohnehin bekannt sind: richtige Lagerung, nicht zu viel oder zu wenig Feuchtigkeit, nicht zu lange aufgespannt lassen, ab und zu mal ölen oder wachsen.

Durch die "Warnung" vor dem Schussverhalten des ELB bin ich immer noch verunsichert, weil für mich alle Arten von Langbögen eher zu den Fehlerverzeihenden gehören, aber vielleicht liege ich da falsch?

Sagen wir mal ich lasse die historische Kriegsdarstellung komplett raus und beschränke mich auf einen langen Stabbogen. Welche historischen Vorbilder kenn ihr da? Mir fällt ansonsten nur der Wikingerbogen mit überstehenden Deflex-Enden ein, der erscheint mir im Prinzip dasselbe wie ein ELB zu sein mit weniger Pfund und eben anderer Deko an den Enden.

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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Hieronymus » 01.06.2022, 14:34

Es kommt halt drauf an was du willst...einen schnellen Bogen mit dem du gut auf Scheiben oder Parcour schießen kannst oder mit historischen Vorbild, der nur gut für dich aussieht oder oder oder. Egal wie viel du im Netz darüber list, jeder wird dir eine andere Ausgabe geben, was für ihn der beste Bogen ist. Elb Bogen waren nun Mal für den Krieg gebaut und unter 70# haben die nicht die Leistung, die du erwarten würdest. Das hat mit der Länge der Wurfarme zu tun, die beschleunigt werden müssen. Die Bögen waren für hohe Zuggewichte ausgelegt, in der Regel zwischen 90 und 120#@32''. Das hohe Zuggewicht kompensiert die lange Wurfarme.
Historische Vorbilder gibt es viele, die bei niedrigen Zuggewichten eine sehr gute Performance haben und keinen Handshock. Elb und auch die Wikinger Bogen haben Handshock,wenn sie einen Kreistiller haben ,bzw ein es full compas tiller haben, da alle Teile des Bogens biegen.

Gruß Markus
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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Ravenheart » 01.06.2022, 14:39

Demnächst finden wieder einige Bogenbau-Treffen statt...
Eventuell kannst Du zu einem ja mal hin fahren...
Da hat vielleicht jemand nen ELB dabei, den Du mal schießen darfst...
Kannst ja vorher klären...

Rabe

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Re: Unterschiede (Bauart und Schussverhalten) ELB vs mein Langbogen

Beitrag von Chris Yarbrough » 01.06.2022, 14:59

Danke, das hilft auf jeden Fall weiter! Die Erklärung mit den langen Wurfarmen und hohem Zuggewicht ist einleuchtend. Wahrscheinlich wirklich am besten ich suche mir nochmal mehr Möglichkeiten verschiedene Modelle auszuprobieren.

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