Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Fragen zu Pfeilen zum Bogenschiessen. Keine Fragen zum Pfeilbau.
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Chris Yarbrough
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Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Chris Yarbrough » 01.06.2022, 13:21

Ich habe in einem Video eines englischen Bogenmachers, der Ausrüstung für Museen produziert, solche Pfeile gesehen:
EngeWicklung.PNG
Aus meiner praktischen Erlebniswelt betrachtet erscheint mir diese Wicklung extrem eng. Auf dem Bild zu sehen sind die Schlaufen im Abstand von 1-2mm, nur einige Federgrannen dazwischen. Wenn ich selber Pfeile wickle oder kaufe sind die Wicklungen eher im Abstand von 1cm.

Ist diese Art der Wicklung einer bestimmten Zeit und Geographie zuzuordnen (also tatsächlich englische Langbögen) und gibt es überhaupt einen praktischen Nutzen? Mir erscheint es fast wie Garn- und Zeitverschwendung, da die Federn auch mit wesentlich weniger Garn fest sitzen. Insbesondere im Kriegseinsatz der englischen Langbögen waren Pfeile ja nur einmal zu verwenden und zu hunderttausenden produziert.

Auf der anderen Seite ist mir bei meiner eigenen Wicklung schon oft aufgefallen, dass sie relativ leicht ungleichmäßig wird und teilweise die Grannen stark spreizt (sichtbare Lücken in der Feder). Bei einer engen Wicklung ist es einfacher dem natürlichen Federwinkel zu folgen, aber kann das schon genug Grund sein sich so viel Arbeit zu machen?

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Ravenheart
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Re: Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Ravenheart » 01.06.2022, 13:43

Grannen Gibt es nur am Getreide und am Wildschwein...
Federn haben Fahnen, Äste und Strahlen..:
https://www.digitalefolien.de/biologie/ ... feder.html

...und nein, eine solche Wicklung ist sinnfrei...

Rabe

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Chris Yarbrough
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Re: Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Chris Yarbrough » 01.06.2022, 13:50

Wieder zwei Dinge gelernt, danke!

Falls doch noch jemand einen historischen Fund kennt, ob sinnfrei oder nicht, wäre ich weiterhin interessiert.

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Neumi
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Re: Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Neumi » 01.06.2022, 15:28

Bei englischen Kriegspfeilen (Mary Rose Fund) gab es bei den meisten Pfeilen 5-6 Wicklungen pro Zoll. Ein Pfeil hatte 8 Wicklungen pro Zoll. Gewickelt wurde mit Seide.
Bei den Nydam-Pfeilen kenne ich einen Pfeil mit einer derart engen Wicklung, wie auf dem Foto.
Ich kenne keinen Beweis für derart enge Wicklungen bei englischen Pfeilen wie auf dem Foto.
Die Wicklungen wurden regelmäßig im Uhrzeigersinn angebracht, also gegen die Richtung der Federäste. Man darf das Wickelgarn einfach nicht zu fest wickeln, dann klappt das. Ich wickle ausschließlich mit der Richtung der Federäste weil es die Gefahr dass die Federäste gespreizt werden reduziert.
Grüße - Neumi
Zuletzt geändert von Neumi am 02.06.2022, 08:44, insgesamt 1-mal geändert.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Neumi » 01.06.2022, 15:42

Übrigens noch zu den gezeigten Pfeilen (ich denke, dass die von Richard Head sind). Weder die Federn sind authentisch, da Truthuhn noch nicht benutzt wurde, noch die Horn-Inlays, da diese zu kurz und zu dick sind.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Chris Yarbrough
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Re: Sehr enge Wicklung der Federn - Nutzen, Historie?

Beitrag von Chris Yarbrough » 15.06.2022, 13:35

Das von mir gezeigte Bild am Anfang war tatsächlich von Richard Head Longbows. Seine/Deren Interpretation basiert vermutlich auf dem "Tudor Livery Arrow". Das ist wohl eine Rekonstruktion der Mary Rose Funde welche die English Warbow Society ursprünglich mal definiert hat. Sozusagen als Standard für Reenactment.

Die primäre Quelle habe ich noch nicht gefunden, aber in meinem Osprey Band wird dazu Passendes berichtet und z.B. bei WarbowWales gibt es eine Beschreibung: https://www.warbowwales.com/war-arrows-lyverye-arrow

Dort steht die originale Befiederung hat die Zeit nicht überstanden. Naheliegend wäre aber eine Dreiecksform (also hinten etwas abgeschnitten) bei ca. 1,5cm Höhe, Schwan oder Gans. Eventuell sogar eine Art Shield. Aber wegen der Bremswirkung vermutlich keine spitz auslaufenden Enden.

Als Laie weiß ich gar nicht ob man den Unterschied zwischen Schwan, Gans und Truthahn eigentlich erkennen kann.

Interessant ist, dass die Federlänge teilweise wohl auf mehr als 7 Zoll bestimmt werden konnte und eben gestutzt um weniger Bremswirkung zu erzielen.

Es wird Seide als Wickelgarn bei 6 Umwicklungen pro Zoll erwähnt. Auch wenn die genauen Zahlen vermutlich je nach Fund-Wiedergabe variieren scheint es bei einem konkreten Fund sichtbar zu sein wo das Garn auf der Verleimung gelegen hat.

Da frag ich mich natürlich schon wieso die sich so viel Arbeit mit der Wicklung gemacht haben statt einfach kürzere, leicht höhere Federn zu verwenden.

Mit der Info wo diese Art Pfeil herkommt, findet man ganz gut noch mehr Spezifikationen:
http://sagittaria-handcrafts.com/en/han ... detail_57/

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