Birken-Leder

Sammlung von Bauanleitungen zum Thema Bogenbau
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Snake-Jo
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Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 04.03.2012, 14:05

Der ein oder andere hat sicher schon mal mit dem Gedanken gespielt, seinem Bogen ein schönes Outfit aus Birkenrinde zu geben.
Skerm hat es mit seiner Papierbirke vorgemacht und auch ich hatte bei Erstellung des Zargalant-Bogens (8. Jhdt. Mongolei) mit einer neuen Technik Birkenrinde verwendet.

Zur Begrifflichkeit:
Man verwendet im Bogenbau von der Rinde (die hauptsächlich aus Bast, dem Korkkambium und der Borke besteht), nur die Korkkambiumschicht. Das ist die weiße Birkenrinde mit dem darunter liegenden korkigem Bereich, auch Birkenleder genannt. Noch weiter drunter liegt die poröse Bastschicht, die man nicht verwenden kann.
Es geht nun darum, das Birkenleder in großen Stücken möglichst einfach zu ernten bzw. vom gefällten Stamm zu trennen.
Dies geht jetzt im Frühjahr sehr leicht, während man im Sommer die komplette Rinde (mit Bastschicht) kochen muss, damit man das Birkenleder sauber getrennt bekommt.
Birkengriff.jpg

Griff eines Mongolenbogens mit flächiger Birkenleder-Ummantelung und am Wurfarm spiralige Ummantelung.

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tscho
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Re: Birken-Leder

Beitrag von tscho » 04.03.2012, 14:12

Sieht schon klasse aus, aber ich frag mich immer ob sowas auch halbar ist, wird das nicht brüchig mit der Zeit ?
Versiegelt man das noch irgendwie ?

Gruß
tscho
Zuletzt geändert von tscho am 04.03.2012, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.

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Snake-Jo
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 04.03.2012, 14:15

1. Birkenrinde ernten

Man suche sich entsprechende Stammstücke und spalte diejenigen Bereiche mit guter, flächiger Birkenlederbestückung ab.
Birke1.jpg


Nun sollte man nicht zu lange warten: Solange die Birke im Saft steht, reicht es auch, mit einem breiten Stechbeitel unter die Lederfraktion zu fahren und das Ganze vorsichtig abzuhebeln. Das geht ohne Klüpfel ode rHammer, nur sanft drücken.
Birke01.jpg


@Tscho: Berechtigte Frage, klare Antwort: nein! Wenn du dir mal einen verrottenden Birkenstamm anschaust: Das, was am Schluss noch übrig bleibt, ist dieses Birkenleder. ;) Das ist der pure Kork. Weinkorken (von der Korkeiche) sind ja auch über 100 Jahre haltbar und das sogar im Wein, nicht nur im Wasser. Versiegeln kannst du (mit Lack oder so), mußt du aber nicht.

Genni
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Genni » 04.03.2012, 14:31

Ui ich freu mich jetzt schon auf die Fertige Anleitung, vorallem,
Weil bei uns viel Birke steht :D

Ich Schlags jetzt schon mal für den HowTo-Bereich vor. Super Jo ;)

Felix
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 04.03.2012, 14:36

Birke02.jpg

Das abgetrennte Birkenleder-Stück. Man schaut auf die Innenseite.

Birke03.jpg

Hier das Birkenleder von außen, wie man es kennt. Das Leder hat die Eigenart sich einzurollen und zwar mit der Außenseite nach innen in die Rolle. Entsprechend sollte man auch verkleben. Im Gegensatz zur Papierbirke von Skerm hat man dann einen Bogen mit brauner Birkenlederfarbe statt weißer. Tatsächlich hat kaum einer der alten Reiterbogen, die ich bislang betrachten durfte, eine weiße Farbe. Dies wäre auch nicht sehr sinnvoll, denn die weiße Außenhaut schilfert schnell ab und darunter ist eh alles braun bzw. gelblich.

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Yayci
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Yayci » 04.03.2012, 15:28

Klasse! Danke für die Anleitung, Jo. Ich hab schon öfter überlegt wie man das am Besten macht, durch die Bilder kriegt man 'ne Vorstellung.

2 Fragen hätte ich: 1) Kann man das so gewonnene Birkenleder lagern, oder muss es gleich verarbeitet werden? Ich hätte nämlich geeignete Birkenstämme (bzw Erlaubnis, welche zu fällen), aber in allernächster Zukunft kein Projekt um die Rinde zu verarbeiten. Wenn, wie Du sagst, das Leder am besten runtergeht, wenn der Baum noch im Saft steht, wäre es doch am Besten, die Bäume jetzt im Frühjahr zu schlagen und die Rinde runterzumachen.
2) Macht das Alter der Bäume einen Unterschied? Die Birken, die ich fällen dürfte, sind recht junge Bäume auf einem Windbruch, also Umfang etwa armdick und aufwärts. Vielen Dank im Voraus für Deinen Rat!
Gruß,
Yayci
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 04.03.2012, 21:36

2. Birkenrinde weiter verarbeiten

Wenn man Stücke für das flächige Belegen des Bogens benötigt, dann empfiehlt es sich, irgendwo am Stamm ein passendes Stück ohne Borke ausfindig zu machen und ab zu spalten.
Möchte man dagegen eine spiralige Wicklung anbringen, dann benötigt man lange Streifen, die man am besten von rund um den Stamm verlaufender glatter Rinde gewinnen kann. Ein Stamm von 30 cm Durchmesser ergibt dann ( Durchmesser mal Pi) rund 1 m lange Streifen. Um einen ganzen Wurfarm zu belegen, muss man dann stückeln. Doch davon später.

Birke-rund.jpg

Ich habe mit der Kettensäge einfach runde Scheiben von 5-10 cm Höhe gesägt, die rundum einwandfreie Rinde besaßen. Diese Scheiben habe ich dann komplett gekocht (bei Ernte im Sommer) und konnte dann das Birkenleder abziehen.

Birke_Rolle.jpg

Der abgezogene Streifen kann als Rolle beliebig lange gelagert oder gleich zurecht geschnitten werden.

@Yayci: Damit ist eine deiner Fragen beantwortet, weiter geht es im nächsten Post. ;)

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 06.03.2012, 13:37

2. Birkenrinde weiter verarbeiten

Für spiralige Wicklungen der Rinde am Bogen kann man die noch weiche und elastische Rinde schon zuschneiden. Dazu eignet sich eine Schneidlade.
viewtopic.php?f=67&t=15811
Auf der zu klebenden Seite (in der Regel die weiße Außenseite) kann man dieses Band noch beschleifen, am besten auf der Rolle vom Bandschleifer.
Zur Lagerung wickelt man das Birkenlederband auf ein Wickelholz oder formt eine Rolle. Das trockene Birkenleder läßt sich beliebig lange lagern. Bei der späteren Verwendung muss es wieder geschmeidig gemacht werden. Dies geschieht durch kochen.
Birke02-schneiden.jpg

Birke02-lagern.jpg

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Lord Hurny » 06.03.2012, 14:20

Mich reizt ja schon lange Birkenleder zu verarbeiten, hab aber null Erfahrung darin, daher interessiert mich dieser Beitrag sehr.

Ich habe im Vorjahr bei einer meiner Birken die gefällt wurde auch etwas Rinde abgezogen, schöne weiße Streifen mit ca. 20x15cm (für Griffe gedacht). Diese Rinde mit ca. 1-2mm Dicke ist sehr leicht vom Stamm abgegangen (ca. 15cm Durchmesser, im Frühjahr). Ich habe die Streifen trocken lassen, diese haben sich dabei komplett eingerollt (weiß nach innen) und liegen seither herum. Gestern guck ich mir die Dinger an und wollte sie etwas ausrollen, dabei haben sich die Streifen in 3 papierdünne Einzelschichten auf gesplittet. D.h. ich hab jetzt weißes, bräunliches und gelbliches Birkenpapier aber nix irgendwie korkiges oder ledriges.
Hat hier jemand mit solchem "Birkenpapier" Erfahrung?
Wie nennt man diese Schichten? Offensichtlich habe ich nicht tief genug geschnitten und den Kork nicht mit abgezogen.

Jo, blättert bei deiner Schäl-/Trockem-/Kochmethode nix ab?
lg,
Lord Hurny

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Yumiya
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Yumiya » 06.03.2012, 14:36

Weil mich das Thema Birkenleder auch so sehr interessiert,
habe ich doch einfach mal so, ganz ohne Google, die URL http://www.birkenleder.de eingegeben.

Bingo!

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Lord Hurny » 06.03.2012, 15:08

Interessanter link,
das man dem lebenden Baum die Haut abzuziehen kann, ohne größeren Schaden anzurichten, wusste ich noch nicht - dass man den Baum vorher um erlaubnis bitten sollte, gefällt mir besonders gut ;) .

Ich hab ja noch 3 birken bei mir am Grund herumstehen, aber wenn der dann stirbt und umfällt nur wegen ein paar Streifen Birkenleder, wäre ich doch unglücklich. Sind ja wunderschöne Bäume. Da warte ich dann doch lieber auf "Notschlachtungen" in der Umgebung.
lg,
Lord Hurny

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 06.03.2012, 16:45

@Lord Hurny: Genauso habe ich auch angefangen und dann geforscht nach Techniken: Wie zieht man ab, was verwendet man genau, wie behandelt man die Rinde, wie zieht man auf etc. Nichts gefunden.... :-\
Die dünnen Schichten von außen habe ich auch verwenden wollen, aber nie ein größeres Stück abschälen können. Entweder schilferte da noch was zwischen ab und die Farbe veränderte sich oder die Stücke, die homogen aussahen, waren zu klein. Die komplette Rinde eignet sich für Köcher und ist ungefähr 5-10 mm dick, aber innen sehr spröde, richtig krümelig. Das komplette Birkenleder (die korkige Außenschicht) besteht aus mehreren Einzelschichten, die nach außen immer loser zusammenhalten. Jedenfalls war das alles nichts für meine Bogen.

Der Durchbruch kam mit der Untersuchung der Mongolenbogen:
Der Jargalantbogen hat eine spiralige Wicklung, Innenseite nach außen (S. 183)
Der Bogen von Cagaan Chad ist flächig belegt, mit schräg gewonnenen Stücken, Innenseite nach außen (S. 331 im Museumskatalog). An den beschädigten Stellen sieht man, wie auch dort das Birkenleder in Teilen abschilfert (S. 218).

Beide Bogen haben die komplette Birkenlederschicht drauf in einer Stärke von 1-1,5 mm, teilweise beschliffen. Also habe ich das auch so versucht und bin nun schlauer. 8)

@Yayci: Zur ausstehenden Antwort: Kleine Birkenstammdurchmesser sind auch gut zu verwenden, nur sind die Stücke nicht so groß. Für spiralige Wicklungen benötigt man lange Stücke, die man am besten rund um den Stamm gewinnen kann. Dazu reichen die dünnen Stämme nicht. Aber für das flächige belegen geht es: 10 cm Durchmesser ergibt rund 32 cm lange Stücke, völlig ausreichend für den Bogen. Stückeln muss man sowieso.

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 07.03.2012, 16:18

3. Birkenlederstreifen spiralig aufziehen

Eine Besonderheit beim Jargalantbogen war die Abdeckung mit spiralig aufgewickelten Birkenlederstreifen.
Dazu sind folgende Schritte nötig:
1. Die eingelagerten und geschnittenen Streifen (s.o.) kochen und auf ein Abrollholz wickeln
2. Bis zur Verarbeitung kann man diesen Streifen in Wasser legen
3. Den Kompositbogen satt zweimal mit warmen Hautleim einpinseln
4. Den Streifen spiralig aufwickeln und dazu vorher auch den Birenlederstreifen sukzessive an der innenseite mit Hautleim bepinseln oder aber: Das ganze Bündel in Hautleim einlegen (alles eine klebrige Sache).
5. Da das Birkenrindenstück nicht ausreicht für einen ganzen Wurfarm, muss gestückelt werden: Zu verbindenede Enden anschärfen, übereinanderlegen, mit Stecknadel fixieren und spter mit dem Gummizug festhalten
6. Nach dem Aufwickeln alles mit der HLP erwärmen, an-gelieren lassen und..
7.mit dem Hosengummi auf Stoß umwickeln, damit alles schön straff anliegt
8. Wenn alles trocken ist, sollte man den ganzen Bogen noch mit einem scharfen 120er Papier überschleifen

Birke-aufziehen.jpg

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Re: Birken-Leder

Beitrag von Snake-Jo » 08.03.2012, 14:41

4. Birkenleder am Bogen

Birken-Wicklung am Bogen2.jpg

Der fertige Belag in der Nahaufnahme, spiralig gewickelt

Birke-flächig am Griff.jpg

Der fertige Belag in der Nahaufnahme, flächig geklebt

Man kann den Belag überschleifen und lackieren oder einfach so lassen. Haltbarkeit im trockenen Klima: rund 1200 Jahre. ;)

Test bei Nässe:
Ich habe ein Stück Compositbogen unbehandelt eine Stunde in einen Eimer Wasser gelegt und als Vergleich ein mit Birkenleder umwickeltes Teil. Das umwickelte Teil zeigte an den Nähten herausgequollenen Leim, war aber nach ein paar Tagen des Trocknens wieder gebrauchsfertig: Die Umwicklung schützt nicht nur, sondern hält auch verquollene Sehnenfasern zusammen.
Das nicht umwickelte Wurfarmstück war völlig aus dem Leim und mußte entsorgt werden.

Ich bin jetzt erstmal fertig und werde das Ganze noch als Pdf erstellen und im How-to-Bereich ablegen.
Gibt es dazu noch Fragen? ???

P.S. Die Straßenmeistereien haben noch nicht überall die beschnittenen Bäume weggeräumt. Da kann man noch ernten....
Die Schneidesaison in der freien Landschaft endete am 29.2.2012

Genni
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Re: Birken-Leder

Beitrag von Genni » 08.03.2012, 14:47

Muss man Birkenleder eigentlich mit Hautleim aufbringen, oder geht je nach Bogen auch einfach Holzleim, Ponal oder sowas?
Ruhe über Zorn.
Ehre über Hass.
Stärke über Angst.

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