Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
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Hunnenbogen
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Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von Hunnenbogen » 13.08.2010, 19:33

So Leuts...
Jetzt muss ich mal auf die Pauke hauen. Ich weiß ziemlich genau, dass dieses Thema auf Gegenwehr stoßen wird, aber ich möchte folgendes voraussetzen:
Ich bin 100% intuitiver Schütze. Ich weiß nicht, wie man mit System zielt, ich kenne meinen Nulpunkt nicht. Ich schieße, indem ich den Pfeil aus dem peripheren Blickfeld auf die vor dem Schuss visualisierte Parabel lege. Und ich treffe auch damit.
Nun habe ich in unserem Vereinsblog einen Artikel gebracht, den ich gerne zur Diskussion stellen würde. Der Text:

"Instinktive" Technik?
Das letzte Wochenende hat es gebracht. Nicht nur vom Lehrinhalt des Kurses her, so dass wir nun anderen das intuitive Bogenschießen beibringen können. Sondern eine absolute Kernerkenntnis, welche zwar in den Köpfen vieler herumspukt, aber selten zur Auswirkung kommt, wurde Klipp und Klar gemacht:

Man kann nur perfekt treffen wenn man eine perfekte Technik hat.

Ich rede hier nicht von "automatisierter" Technik, bei der man nicht mehr nachdenken muss. Sondern von perfekter Technik. Und was ist nun die perfekte "instinktive" Technik?
Die gibt es nicht. Sorry.
Die einzige sinnvolle und "perfekte" Technik kommt von der dunklen Seite: Dem FITA-Bogenschießen.

Die Jungs haben die Erfahrung, das Know-How und das fundierte Wissen, warum sie aus physiologischer Sicht "so" den Bogen ausziehen, "so" die Rückenspannung aufbauen und "so" den Ablass machen (okay, technische Release sind hier ausgenommen...). Deren Technik ist wirklich gut, und nicht nur, weil sie treffen, sondern auch durchdacht ist.

Warum schießen nun intuitive Schützen oft mit einem suboptimalen Stil? Weil sie es gelesen oder gehört haben:

    * Fred Bear hatte einen fliegenden Anker - also wird er nachgemacht. Wer trifft mit diesem fliegenden Anker so exakt wie Fred Bear? Keiner.
    * Dietmar Vorderegger steht mit gebeugten Knien und gedrungener Körperhaltung vor einem Ziel - also wird es nachgemacht. Es gibt aber keine sinnvolle Erklärung. Also nicht auf einem Turnier. Okay, er ist soundsooft mal Weltmeister geworden, schon klar. Das alles ist aber kein Grund, diesen suboptimalen, aber für ihn passenden Stil ohne Nachzudenken nachzumachen.
    * Howard Hill hatte einen gebeugten Bogenarm - also wird es nachgemacht. Warum hat er den Bogenarm gebeugt? Weil er nicht anders konnte! Sein körperliches Defizit hat er durch viel Fleiß ausgeglichen.

Auch im FITA-Bereich gibt es einige Beispiele, bei denen erfolgreiche Schützen mit körperlichen Defiziten sinnlos nachgemacht wurden. Ohne nachzufragen, warum sie den Zeigefinger der Zughand ausstreckten, warum sie das hintere Bein belasteten etc.

Damit sollte eigentlich mal Schluss sein, denke ich. Warum lernen wir intuitiven Schützen, die wir nie FITA geschossen haben, nicht von den Schützen, die in jahrzehntelanger Erfahrung die perfekte Technik entwickelt haben?
Die Gründe sind vielfältig. "Dann schau ich ja aus wie ein FITA-Schütze, wenn ich das so mache!". Diese ablehnende Haltung hört man öfter. Aber warum das Bogenschießen neu erfinden? Nur, damit man sich abgrenzen kann, das Risiko eingehen, schlecht zu treffen? Das ist es nicht wert, meiner Meinung nach.

Wir grenzen uns schon genug ab. Spätestens mit dem Schräghalten des Bogens ist der Anfang gemacht. Und diese Haltung ist für das intuitive Schießen elementar wichtig. Auch haben wir es nicht notwendig, Visiersysteme, Klicker oder Riesenstabilisatoren zu benutzen. Muss echt nicht sein.

Aber prinzipiell plädiere ich für eine "Symbiose" aus beiden Stilen:
Aus dem FITA-Bereich den Stand, die Körperhaltung, die Auszugstechnik, die Rückenspannung und den Ablass.
Das "Zielsystem" ist unser Steckenpferd. Das soll auch so bleiben. Man kann es systematisieren, aber eins bleibt: Der intuitive Treffer.

Ich schreibe das nicht ohne Grund oder weil ich mich einfach mal auslassen will. Aber im letzten Training habe ich die FITA-Grundtechnik eingeführt. Mit der ganzen Penibilität, welche dazu gehört. So mal richtig spießig rumgemosert.
Und was ist passiert? Die Leute haben eine Treffersteigerung gehabt, welche sie in einem Jahr nicht geschafft hätten. Alleine weil die Technik gezielt trainiert wurde. Kein Larifari "ja, aber" mehr, kein "passt schon" mehr, keine "instinktiven" Freiheiten mehr. Und plötzlich hat es auch mit dem Treffen geklappt. Und wer trifft, hat Recht. Hört man zumindest immer wieder... ;-)


Mir ist es fast egal, dass ich mich bei einigen Menschen unbeliebt mache. Und dass einiges in diesem Text missverstanden wird. Also bitte ich, den Text auch zwischen den Zeilen zu lesen.
Ich werde mich bei den Kommentaren zurückhalten, mich interessiert nur die Reaktion. Ganz ehrlich. Wenn es jemanden interessiert, was die Kommentare zu dem Post waren, der kann es nachlesen unter: https://www.blogger.com/comment.g?blogID=6232604180254808244&postID=2884650733869057855&isPopup=true

Grüßle!
Zuletzt geändert von Hunnenbogen am 13.08.2010, 19:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von Karnickel » 13.08.2010, 19:56

Stimmt eigentlich alles was du gesagt hast. Mach weiter so!

Haben die Sachen bei drei Technik-Workshops auch schon kennen gelernt. Der "Trainer" war W.Munny. Er schießt eine sehr am FITA-Stil angelehnte Technik und trotz Kreuzdominanz trifft er sehr gut.

Ich selber komme mit dem "aufrechtem" Stand nicht klar. Aber die Kurse und das ausprobieren haben mir viel gebracht!

Wenn man nicht dogmatisch an die Sache ran geht, mal einfach was ausprobiert, und das für sich Beste raus zieht.
Oneida Schütze CP Blank nix anderes!

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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von Daemon » 13.08.2010, 19:59

Schieße schon immer so.
Dies ist auch die am leichtesten zu erlernende und reproduzierbare Technik.
Glaubt mir, es gibt wichtigere Sachen als Bogenschießen.

Sateless
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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von Sateless » 13.08.2010, 20:19

Fürs 3D ist der Fitastil optimal, weil er für statische Ziele optimiert wurde. Gummitiere rennen nicht. Bei bewegten Zielen sieht das alles schon wieder völlig anders aus! Dann macht das Bogenschräghalten auf einmal sinn, weil der Pfeil schlechter vom Shelf rutscht, wenn man den Bogen richtung Pfeilauflageseite bewegt. Bei einem Holzbogen macht auf einmal der fliegende Anker sinn, weil die bei zu langem Ankern brechen können. Bei der Jagd auf Hirsche und ähnlich hochschultriges Getier macht die "Kackstuhlhaltung" auf einmal sinn, weil man nurnoch aufs Ziel zeigen muss und fast automatisch in der Höhe richtig trifft, weil der Pfeil auf Zielhöhe abgeschossen wurde und fast grade bis ins nahe Ziel fliegt.
Sauberes Techniktraining macht dagegen immer sinn!

Soweit meine Erfahrung zu der Thematik.
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von dasBeee » 13.08.2010, 20:35

ich als Anfänger kann dem nur beipflichten, hatte heute eine trainingseinheit mit einem "fita-trainer" unseres vereins und konnte so zu meiner begeisterung meinen auszug und ablass erheblich verbessern ... ich hatte bisher das problem beim auszug meine hand zu verkrampfen und auch meinen auszug bis zum vollauszug (schulterspannung) nicht richtig aufzubauen ... ergebnis nach einer halben stunde auszug mit gelockerter entspannter hand über bewußtes ausziehen über die schultermuskulatur bis hin zu einem seiner meinung nach ansehnlichen ablass und entspannung nach dem ablass, so dass meine hand in der entspannungsphase auf meiner rechten schulter zur ruhe kam ...

lange rede kurzer sinn mich hat es wieder ein stück weiter gebracht ...
Zuletzt geändert von dasBeee am 15.08.2010, 19:52, insgesamt 1-mal geändert.

Anuk
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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von Anuk » 15.08.2010, 19:30

Hunnenbogen,
ich kann dir da zustimmen. Und im Übrigen: Manchmal ist es besser, sich mit einem guten Grund unbeliebt zu machen, als aus schlechten Gründen beliebt werden zu wollen. Eigentlich ist das immer so. Schön, dass dir dieser Kurs so viel gebracht hat!
Und mein geflügelt Werkzeug ist mein Wort (F.S.)

Haben Sie die Lösung oder sind Sie selbst Teil des Problems?

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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von SeKan » 15.08.2010, 20:24

Was für ein Zufall, das der Artikel gerade jetzt kommt.
Zur Erklärung:

Schieße seit einigen Wochen neben LB nun auch JB. Habe viel mit meiner Körperhaltung herumexperimentiert. Zur Zeit habe ich die besten Ergebnisse(ohne zu visieren), wenn ich nahe Ziele versuche wie Vorderegger zu treffen. Ab 30m komme ich aber mit dem aufrechtem FITA- Stil (dabei über die Pfeilspitze) besser zurecht.
Fazit: Letzten Donnerstag habe ich meine FITA- Vereinstrainerin  um Training zum besseren Erlernen ihrer Technik gebeten.
Freue mich schon drauf!

Noch eine eigene Erfahrung mit "Fitanesen":
Beim diesjärigem Vereinssommerfest bekam ich aus den Augenwinkeln mit, wie zwei (Compound und Rec.mit Allem) Schützen der Ehefrau des einen erzählten, das Blankbogen schießen das schwerste überhaupt ist. Zitat:"Die haben es drauf."

Ich habe letztes Jahr mal einen Tag Pfeile mit einem voll aufgetakelten Fitabogen geshossen: Sauschwer!
"Jeschesch" (Arbeitskollegin)

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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von SeKan » 15.08.2010, 20:34

PS.: Danke für diesen schönen Artikel
Zuletzt geändert von SeKan am 15.08.2010, 20:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Symbiose der Technik FITA / Intuitives Bogenschießen

Beitrag von the_Toaster (✝) » 15.08.2010, 20:53

Stimmt. Die Bögen sind sauschwer. Wiegen gut drei bis vier Kilo.
Da kriegste echt dicke Arme von.
Im Moment übe ich mit nem 35# Recurve meine Bogenarmhaltung und ordentlich zu ankern. Ohne Armschutz. Wenns wehtut habe ich einen Fehler gemacht. Die 35# sind mit meinem Bambusreflex mein Wohlfühlzuggewicht, den kann ich den ganzen Tag durch schießen. Aber bei dem Recurve muss ich regelmäßig Pause machen, obwohl ich sonst mit einem 45# Langbogen auch nur wenig Probleme habe, weil der viel mehr wiegt als meine Langbögen. Da zieht nach einer Weile ganz schön in meiner Schulter. Aber auch das wird vorbei gehen.

Seit ich im Verein bin habe ich mich mehrere Male mit unserer erfahrensten Trainerin unterhalten. Ich habe ihr unter anderem mal die Frage gestellt, ob es beim Visierschießen nicht auch irgendwann zu einer Art intuitivem Schießen kommt, ob man das Visier irgendwann gar nicht mehr richtig wahrnimmt, sondern nur noch das Gelb der Scheibe, das Gewicht und die Spannung des Bogens und die Körperspannung und Haltung und es dann einfach irgendwann von selbst zum Schuss kommt.
Sie sagte mir dazu, dass sie das bisher einmal in ihrem Leben erlebt hätte. Sie hätte dabei das Gefühl gehabt, als ob sie auf einer Wolke stünde. Hinterher hätte sie nicht mehr so richtig gewusst was passiert sei. Aber getroffen hätte sie in dieser Passe.
Ich glaube daher, dass es eine gute Sache ist zunächst EINE erprobte Technik, die auf jeden Fall gute Ergebnisse erzeugt lernen sollte. Wenn man die dann beherrscht kann man kontrolliert eine Technik nach seinen Bedürfnissen erlernen.
Und genau deswegen baue ich mir demnächst einen Bogen, der genau zu einem Auszug bis zum Mundwinkel passt. Also ein gutes Stück kürzer als der Bogen, den ich bis zum Ohr ziehe, was bei ballistischen Schüssen gut ist, aber auf kurze Distanz einer guten Trefferquote eher abträglich ist, wie ich mittlerweile erkannt habe.
Zuletzt geändert von the_Toaster (✝) am 15.08.2010, 20:55, insgesamt 1-mal geändert.
Es hat keinen Sinn zu versuchen einen Sinn im Versuchen des Menschen zu erkennen.

Es ist traurig zu glauben, dass der Mensch stets schlecht sei.

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