Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
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Chris Yarbrough
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Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Ich sehe häufiger mal "Englische Langbogenschützen" die sich beim Schießen ihrer Warbows stark nach vorne Richtung Brustbein lehnen (und den Hintern rausdrücken a la Ente) und dann noch den Kopf etwas wegkippen während der Auszug bis an das Ohr geht. Ich erkenne das durchaus wieder von historischen Abbildungen, aber dachte mir eigentlich immer nur, dass die Künstler damals einen anderen Fokus hatten als korrekte Anatomie.

Ist diese Art des Schießens tatsächlich sicher belegt und Praxistauglich? Also hat man dadurch bestimmte Vorteile? Die Meinungen dazu die ich kenne sind ausnahmslos von Anbietern diverse Kurse um solche Techniken zu erlernen. Ich habe nicht wirklich vor das in Betracht zu ziehen, aber es interessiert mich.

Das zweite "Vorbeugen" das ich immer wieder sehe ist ein "auf das Ziel zu Neigen" der Oberkörpers (also mit der Bogenhand voran). Teilweise in einer flüssigen Bewegung nach vorne, Lösen und wieder zurück (ich glaube das könnte sogar auf Videos von Howard Hill oder einem anderen amerikanischen Schützen ein Markenzeichen sein?). Die gleiche Haltung ist auch wieder auf mittelalterlichen Illuminationen zu sehen und wieder dachte ich eigentlich das soll nur veranschaulichen wie die Schützen die Gegner besonders scharf anvisieren.
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Faenwulf
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Faenwulf »

Das hat etwas mit der Art wie man die Rückenmuskulatur einsetzt zu tun und dient simpel dazu die verdammt hohen Pfunde die die Bögen haben zu ziehen. Habe da erst neulich ein Video zu dem Thema geschaut, das ist zwar an sich für chinesisches Bogenschießen, aber er geht da auch kurz auf die englischen Warbows und Yumis ein.

Ich hoffe du kannst Englisch: https://m.youtube.com/watch?v=UvGAYBMhbKY
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Chris Yarbrough
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Die Erklärung ist besser als ich erwartet hatte! Danke, das passt ja tatsächlich sehr gut. Vielleicht übertreiben einige das Vorbeugen einfach mehr als es sein müsste, teilweise sieht es nämlich eher belustigend aus, aber ist vielleicht tatsächlich einfacher so in die richtige balancierte Muskelspannung zu kommen.
Kidaru
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Kidaru »

Ohh Anatomie…, geiles Thema.

Das „a la Ente“ was du beschreibst (und wirklich belustigend aussieht) ist das Ergebnis eines Hohlkreuzes. Dabei wird fast die komplette Rückenmuskulatur bis runter zur Lende so in Spannung gebracht, das es die Schultern noch einige Zentimeter weiter nach außen drückt bzw. die Schulterblätter noch näher zusammenzieht. Mehr beteiligte Muskelgruppen bedeutet mehr Stabilität und besser verteilter Kraftaufwand um die schon erwähnten vielen Pfunde zu ziehen. Mit dieser Schießtechnik könnte dann auch ein „Hänfling“ einen 120er Bogen lupfen. Braucht aber sauberes gutes Training.
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fatz
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von fatz »

So jemand wie zB Joe Gibbs weiss schon warum er so schiesst. Und belustigend siehst im Zweifel eher du aus wenn du versuchst n Warbow zu ziehen ;)
Haben ist besser als brauchen.
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Chris Yarbrough
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Ok, wow, habe Videos angeschaut von Joe Gibbs. So ein Tier!

Ja gut ich hatte halt vor allem mal einen Kurs gesehen wo so die durchschnittlichen Familien-Teilnehmer ohne nennenswerte körperliche Fitness 30 Pfund Bogen mit der Haltung des englischen Langbogenschützen trainiert haben und dabei mehr den Hintern rausstrecken, aber das ist bei Gibbs nicht zu sehen, der sieht einfach aus als bräuchte er massiv Kraft.
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fatz
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von fatz »

Chris Yarbrough hat geschrieben: 10.06.2022, 22:48 der sieht einfach aus als bräuchte er massiv Kraft.
Der braucht ned, der hat
Haben ist besser als brauchen.
Ralph
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Ralph »

Das "Vorbeugen" hat auch den Sinn, richtig "im Bogen zu stehen", insbesondere um, speziell, aber nicht nur, um bei langen Auszügen die optisch durch den Schützen nicht wirklich mehr kontrollierbare Parallelität zwischen voll ausgezogenem Pfeil und Oberkörper herzustellen. Unterbleibt dies, wird der Auszug unzureichend/unsauber/nicht kräftig genug, der Pfeil schlägt am Bogen an, verlässt diesen wedelnd - mit den daraus resultierenden Folgen.

Das passiert auch bei Bogen, bei denen es wirklich wenig Kraft zum Auszug braucht /das Zuggewicht nichs sonderlich hoch ist.
"Timur spricht:
Was ? Ihr missbilliget den kräftigen Sturm
Des Übermuts, verlogne Pfaffen!
Hätt' Allah mich bestimmt zum Wurm,
So hätt' er mich als Wurm geschaffen." - Goethe, West-östlicher Diwan, Buch Timur
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Chris Yarbrough
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Ich habe in meinem Osprey-Buch noch eine Erklärung gefunden, die ich ebenfalls sehr naheliegend finde: Das Vorbeugen ist nötig wenn man diverse Rüstungsteile trägt; insbesondere gepolsterter Gambeson und Helm. Bei solchem Gebrauch ist es gar nicht möglich die Sehne ans Gesicht zu bekommen, deshalb "to the ear", aber dann muss man auch den Bogenarm korrigieren und schnell ist man bei einem leichten Vorbeugen. Scheinbar wird es auch so in vielen historischen Quellen erwähnt. Zusätzlich geht es dabei wohl um die Auszugslänge. Die Quellen erwähnen "to shoot strongly". Wenn man dem Helm und Gamebeson aus dem Weg geht, verliert man bei beispielsweise ursprünglichem Kinn-Anker schnell an Auszug. Durch das Ziehen bis zum Ohr erhält man dann den Auszug zurück. In dem Zuge wird klargestellt, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein solcher Auszug wie heutzutage extram lang wäre (32-36 Zoll), sondern vermutlich durch das Vorbeugung und Abwinkeln (und der leicht kleiner Körpergröße) eher im normalen bis leicht überhöhten Bereich liegt (30 Zoll).
Ralph
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Ralph »

Dass der Auszug durch das Vorbeugen des Oberkörpers länger werden kann - aber nicht muss - ist anatomiich/physikalisch begründet.

Man ist durch diese Technik auch besser in der Lage, rückenseitige Muskelgruppen (Teile der Rückenmuskulatur sowie dorsale Schultermuskulatur) zum Auszug einzusetzen und sich dadurch den Auszug "leichter" zu machen, als wenn man recht aufrecht steht (Dabei geht das zwar auch, aber die meisten Shcützen sind in dieser haltung nicht in der Lage, jene Muskelgruppen gezielt anzusteuern.).

Die Sache mit der Rüstung ist m. E. Unsinn, da nach Deiner Erläuterung die Sehne dann beim Vorschnellen an den Teilen wieder hängenbleiben würde. In diesem zusammenhang sei erwähnt, dass viele Schützen mit Hut nebst krempe ioder Schirmmütze schießen, sich dabei nicht besonders in den Auszug hineinlegen und dennoch nicht hängenbeliben.

Daher wird auch beim Schießen ohne Rüstung ein solches Vorbeugen pralktiziert - eben um "richtig im Bogen zu stehen" und es sich beim Auszug anatomisch-physikalisch leichter zu machen. Würde man das nur machen müssen, wenn man Rüstungen, Gambeson etc. anhat, dann wäre das ohne unnötig.

vgl.:
www.chinese-archery.de/historischer-hin ... gheyaodian
- z. B. oberes Bild allda
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fatz
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von fatz »

Nur weil ich's grad gesehen hab. Meister Joe in Action: https://www.youtube.com/watch?v=GWxmsoci9G4
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Chris Yarbrough
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Da bekommt man Lust einen starken Bogen auszuprobieren! :D
Ralph
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Ralph »

Chris Yarbrough hat geschrieben: 21.06.2022, 22:01 Da bekommt man Lust einen starken Bogen auszuprobieren! :D
Damit Du auch so schlecht mit diesem umgehen, weil das hohe Zuggewicht nicht bewältigen kannst, wie der Kollege auf dem Video ?
"Timur spricht:
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Chris Yarbrough
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Chris Yarbrough »

Ralph hat geschrieben: 22.07.2022, 15:48 Damit Du auch so schlecht mit diesem umgehen, weil das hohe Zuggewicht nicht bewältigen kannst, wie der Kollege auf dem Video ?
Das musst du mir erklären. Ich dachte bisher Joe Gibbs sei einer der anerkannten Figuren auf dem Gebiet der schweren Bögen, aber ich kenn mich ja nicht so mit der Thematik aus; deshalb auch meine ursprüngliche Frage, weil mir gar nicht klar war woher diese vorgebeugte Technik kommt. Mittlerweile habe ich aber auch an verschiedenen Stellen gemerkt, dass es durchaus einen Konsens und etablierte Technik gibt, die zumindest von Außen überall so ausschiet wie Gibbs im Video demonstriert. Aber lass gerne andere Quellen sehen, falls du sagen willst, das kann man besser machen.

Falls es um das typische "ihr seid doch alle unvernünftig euch die Knochen kaputt zu machen und jetzt stiftet Leute nicht auch noch zum Nachmachen an" geht: keine Sorge, ich persönlich bin viel zu weit weg davon als ob ich da jemals Ambitionen hätte und ich meinte mit meinem Spruch auch nur, dass ich Kriegsbogenschießen durchaus unterhaltsam finde und Respekt davor habe. Hab mir neulich auch ein Buch direkt aus England bestellt wo es um die Geschichte und Schusstechnik von Kriegsbögen geht, obwohl ich selbst ganz olympisch erzogen wurde und mit der T-Haltung aus der modernen Sportmedizin schieße. Vor allem würde ich niemanden pauschal verurteilen. Wenn Kritik, dann nur konkret und am besten hilfreich. Wobei das Thema halt auch komplex ist. Nur weil vielleicht ein Arzt sagt, es wäre bestimmt besser so und so dazustehen bei deinem Hobby, heißt das nicht, dass du dich nicht aus Tradition dazu entscheiden kannst das anders zu machen und damit einen gewissen Verschleiß in Kauf nimmst.
Ralph
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Re: Vorbeugen des Oberkörpers - was hat es damit auf sich?

Beitrag von Ralph »

Sorry,

schau Dir den Schützen auf dem Video und das, was er macht, doch mal an. Egal, wie er heisst:

Er ist nicht in der Lage den Bogen ohne Krampf auszuziehen, geschweige denn, im Vollauszug nur ansatzweise zu halten; der Schuss bricht nach dem kraftlosen Ablass zusammen; seine Pfeile wedeln dadurch ersichtlicherweise und er trifft nicht mal auf kurze Entfernungen, geschweige denn auf längere.

Damit erweist er dem, was auch immer er eigentlich demonstrieren wollte, einen Bärendienst.

Da braucht es keine Ausführungen, ob oder wann welches Zuggewicht ggf. noch hinsichtlich weiterer Aspekte, denn des Nichttreffen-, denn Nichtbewaeltigenkönnens negative Auswirkungen zeitigt.
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