Gebiss und Zügel

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Der Steppenreiter

Gebiss und Zügel

Beitrag von Der Steppenreiter » 09.01.2006, 18:52

Vor kurzem rief mich ein neuer Reiterbogner an und fragte mich, ob er von seiner Reitelehrerin lernen dürfe mit dem Zügel(er meinte Gebiss u. Zügel) zu arbeiten, da berittene Bogenschützen doch ohne Zügel reiten müßten. So kam ich auf die Idee zu diesem Thread:

Die Trense und die daran befestigten Zügel sind das Hilfsmittel, um die Haltung(Stellung/Biegung) des Pferdekörpers zu formen und dienen der Kommunikation mit dem Pferd. Finger -> Eisen -> Zunge, bzw. Halsmuskel -> Unterarmuskel
Oft meinen wir die Zügel seien dazu da die Bewegungsrichung des Pferdes vorzugeben, doch dafür hat uns der liebe Gott die Beine und das Gleichgewicht gegeben, und den Pferden ausreichend Sensibilität in den Seiten.

An diesem Wochenende habe ich mir einen langersehnten Wunsch erfüllt und Francois Pignon bei einer Pferdegala bewundert. Es war absolut beeindruckend, wie er fünf Pferde ohne Sattel, Zügel oder sonst irgendetwas (doch! ich bemerkte Touchieren mit der Gerte) steuerte. Zum krönenden Abschluß galoppierte er die ungarische Post auf seinen fünf Pferden und sprang dabei abwechselnd von einem aufs andere Pferd. Also brauchen wir noch nicht einmal die Beine, um die Pferde zu lenken und Zügel schon garnicht. Bei Fred Knie hatte ich auch schon mal so eine starke Bindung (die unsichtbaren Zügel uneingeschränkten Vertrauens?) zu seinen Pferden beobachtet.

In der gleichen Gala traten auch Vaqueroreiter auf, die die Zügel um den Bauch schnallten und ihre Pferde in wunderschöner, gesetzter Versammlung im Bergaufgalopp oder ausdruckstarker Piaff bewegten und dabei engste Pirouetten ritten - keine Hand war am Zügel. Damit das Pferd so etwas unter dem Reiter lernt, dazu benötigen wir Zügel. Damit Pferde vorwärts-abwärts und seitwärts gebogen und gymnastiziert werden, dazu benötigen wir jedoch Gebiss und Zügel. Und bis ein junges Pferd begriffen hat, was wir von ihm wie wollen, vergeht einige Zeit. Ich wüßte nicht, wie das ohne Gebiss und Zügel gut funktionieren sollte.

Pochifiore

Beitrag von Pochifiore » 09.01.2006, 19:48

Steppenreiter, ein toller Beitrag! :anbet

Ach, wie schön wäre es nur, wenn das mehreren Menschen bewusst wäre...
und wieviel schöner noch, wenn man sich auch daran erinnern würde...

Mirja
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ohne Gebiss?

Beitrag von Mirja » 09.01.2006, 20:04

Ich stimme ein: ein sehr schöner Beitrag! Schade, dass ich nicht bei den Shows dabei war :-(
Zum Thema mit oder ohne Gebiss habe ich mal Heinz Welz interviewt, der "ohne" propagiert. Wer Lust hat, zu lesen:
http://www.heinzwelz.de/artikel_gebissl ... erview.htm

Ich selber muss gestehen, dass ich mich doch wieder dem Gebiss zugewandt habe. Nach einem Jahr mit merothischem Ledergebiss bin ich nun auf doppelt gebrochenem Kunststoffgebiß gelandet - dazu ein Reitkurs, in dem ich das Gefühl hatte, ich wäre wieder 12 und säße das erste Mal auf einem Pferd. Das hat mir gezeigt: ich muß erstmal die Grundlagen richtig können, bevor ich meinem Pferd die Spielvarianten so zeigen kann, dass sie vielleicht mal funktionieren und auch noch schön anzusehen sind.
Langer Weg...

Mirja

Finduilas Falassion
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Beitrag von Finduilas Falassion » 10.01.2006, 07:21

ich habe gesehen, dass es auch ohne geht!

Das ist mächtig beeindruckend gewesen, als ich den Schweizer Berni Zambail mit seinem Warmblut Apartis ohne was (das heisst ganz ohne Zügel und Trense!!) mit der Garrocha reiten gesehen habe. Und hat den Spaniern mal gezeigt, was ein Schlachtpferd kann.

Zur Info, wer Berni nicht kennt, er ist einer der Parelli Instruktoren.

Und das beste Beispiel aus dieser Ausbildungsecke: :anbet Honza Blaha aus Tschechien.

Schaut euch mal das an: [url=http://www.heste-nettet.dk/kaaring2005/video.php?videos[]=14]Video[/url] (es fängt auf dänisch an, keine Angst, das ist richtig, erst kommt einer im Frack und kündigt Honza an)

Um das zu können, muss man schon mächtig Talent haben, aber zumindest ist das auch mein Traum, dem ich so nahe wie möglich kommen will... (**)

Finduilas

Niels

Beitrag von Niels » 10.01.2006, 10:59

Steppi, Du hast natürlich vollkommen recht. Zügel und Gebiss sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Ausbildung. Solange das Pferd nicht gelernt hat, sich auch ohne Zügelhilfe (zumindest halbwegs) in vernünftiger Haltung selbst zu tragen und auszubalancieren, kann man auf diese Hilfe meiner Ansicht nach kaum verzichten.

Eine sehr wertvolle Unterstützung für einen wirklichen effizienten Einsatz der Zügelhilfe vom Sattel aus, ist meiner Meinung nach, ein sehr gründliche und klar strukturierte Bodenarbeit, die das Pferd auf den Zügeleinsatz und die gewünschten Reaktionen vorbereitet, aber auch die körperlichen Grundlagen beim Pferd schafft.

Allerdings sollte wir, die das berittene Bogenschießen anstreben, immer auch im Hinterkopf behalten, dass wir im Endeffekt die Zügel auf den Hals legen wollen. Je nach Veranlagung des Pferdes und in Abhängigkeit von der Art der gewählten Ausbildung (Reitweise) muss dann logischerweise irgendwann der Punkt kommen, wo man das Pferd auf den Wegfall der Zügelhilfe nebst Anlehnung vorbereitet.

Ich denke, z.B. das Binden des Zügels um den Bauch, um dann mit Bauchzügelhilfe piaffieren zu können, bringt uns in Bezug auf das berittene Bogenschießen nicht wirklich weiter. Wenn wir die Piaffe zur Schulung des Untertretens der Hinterhand im Rahmen der Vorbereitung wollen, ist der Zügel meiner Meinung in der Hand besser aufgehoben oder man ist irgendwann (und hoffentlich noch in diesem Leben ;( ;-) ) soweit, dass er wirklich mit gutem Gewissen und richtig weggelassen werden kann.

Polvarinho
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Beitrag von Polvarinho » 10.01.2006, 12:04

"...hoffentlich noch in diesem Leben..."

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dschin
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gebisslos

Beitrag von dschin » 10.01.2006, 12:54

>>niels:
warum werden junge pferde über bosal mit direktem und indirektem zügel ausgebildet und dann erst mit snaffle bzw bit?

>>zügel im gürtel:
guter trick wenn du mit bit (kandare) reitest. weil sonst würde das pferdchen andauernd einen riss ins maul bekommen

>>die anderen highlight (zb honzo)sind dressierte pferde und dressage-pferde. wenn du zb auf ein honzopferd einen "anfänger" draufsetzt wirst du beobachten können, wie das pferdchen honzo als leittier und somit seine signale verifiziert

ich hab mir bei meinem grauen angewöhnt ihn hin und wieder als vorbereitung zum bogenreiten mit halsriemen zu gymnastizieren

Niels

RE: gebisslos

Beitrag von Niels » 10.01.2006, 13:27

Original geschrieben von dschin

>>niels:
warum werden junge pferde über bosal mit direktem und indirektem zügel ausgebildet und dann erst mit snaffle bzw bit?



Ich gehe mal davon aus, dass Du die Frage nicht wegen einer echten Antwort darauf gestellt hast. Um es deutlicher zu machen. Mir ging es nicht um die Frage "Gebiss oder gebisslose Zäumung" (das ist halt reitweisenabhängig, wobei ich persönlich auch bei jungen Pferden zunächst zu gebisslos tendiere) sondern ganz allgemein um das spätere Weglassen des Zügels insgesamt, egal worin der nun vorher eingeschnallt war.

gerdnix
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Beitrag von gerdnix » 11.01.2006, 05:39

ich stelle mir jetzt vor wie die über die plains ohne zügel und gebiss reiten :) ,das würde einen gaudi geben :) :) :)

gerdnix

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ich

Beitrag von dschin » 11.01.2006, 06:23

glaube besser als manche überdrüberreiter hier mit zäumung :)

Der Steppenreiter

Die Sprache mit dem Zügel

Beitrag von Der Steppenreiter » 11.01.2006, 20:32

Dschin, jetzt bin ich mal ganz provokativ und behaupte: Es gibt nichts schöneres, als die gelungene Kommunikation mit Zügel und Gebiss. Wie du mit leichter Bewegung des Fingers die Dicke der Zunge spürst und das fragende Ohr zur Antwort bekommst.

Der Hals rund und leicht wird und dein Pferd auf Beinhilfen reagiert, sich im Schulterherein, Travers oder Renvers unter dir wendet und dabei versammelt ohne irgendwelchen zusätzlichen Druck.

Alles mit dieser winzigen Anlehnung, ein Spiel aus Frage und Antwort und viel gegenseitiger Bestätigung. Es gibt nichts schöneres als dieses feine Spiel mit Gebiss und Zunge. Ein wunderbares Gefühl - schade nur, daß so viele Hindernisse im Weg liegen, es zu lernen.

Conny K
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Gebiß zur Verfeinerung der Hilfen

Beitrag von Conny K » 11.01.2006, 20:57

ich bin der meinung, man reitet ein Pferd nicht nur mit den Zügeln, da sind noch die Gewichtshilfen, der Rücken und natürlich die Schenkel. Oft werden noch die Schenkel eingesetzt, aber mit Gewichts- und Rückenhilfen sieht's schon schlechter aus.
Im Parelli natural horsemanship wird auf das Focusreiten großen Wert gelegt. ich hab's probiert und es funktioniert. :-) Es ist natürlich nicht immer ganz punktgenau.
Was ich sagen will, auf das Zusammenspiel zwischen allen vier Komponenten ist wichtig.
Mein Ziel ist es, so wenig wie möglich mit Zügeln zu machen und mein Pferdl mag das ganz gern. :-)
Was Gebiß oder gebißlose Zäumung angeht, scheiden sich sowieso die Geister.
die Dinge sind nie, wie sie sind, es ist immer das, was man aus ihnen macht

harp100

zum video honzo

Beitrag von harp100 » 11.01.2006, 21:34

eine sehr beindruckende vorführung...möcht schon die zeit haben,um meinem pferd annähernd so etwas beizubringen...obwohl ich relativ viel bodenarbeit mache,sehr viel ausreite...von so einer arbeit kann man nur träumen...grüsse,harp100(günther)

Estora
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Beitrag von Estora » 11.01.2006, 21:56

Habe heute eine Doku auf ARTE über die Komunikation mit Pferden gesehen. Dort wurde ein Pferdetrainer gezeigt, der nicht nur am Boden perfekte Kontrolle über sein Pferd hatte (ohne Halfter etc.), sondern der sein Pferd auch ohne Sattel und Trense im Wald geritten ist. Es war so schön anzusehen, wie das Pferd auf die geringsten Hilfen reagierte.

Ob ich es je so weit schaffe, werde ich sehen. Da spielt die Zeit wirklich eine große Rolle. Aber es zeugt von grenzenlosem Vertrauen!

Ich selber reite sehr gerne ohne Gebiss. Habe damit gute Erfahrungen gemacht, aber es kommt natürlich auch aufs Pferd an. Doch egal ob mit oder ohne Gebiss: minimale Hilfen sind das Ziel. Vor allem wenn man überlegt, wieviel Kraft auf das Maul wirkt, wenn man am Zügel "zieht".

gerdnix
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jeden seins

Beitrag von gerdnix » 12.01.2006, 07:06

es gibt in allen reitweisen gute und schlechte reiter,wir sollten nicht denken mit unserem reiten hätten wir das ultimative in der hand.ich hab ja auch keinen reitstil und komme ganz gut zurecht ,denk ich mal so,äh sollte ich mir jetzt glauben :-) .
das reiten ohne alles,brauchst man wahrscheinlich ewig oder es klappt vielleicht gar nie aber das ist auch nicht so wichtig.das reiten oder der umgang mit seinem eigenen pferd sollte auch den pferd spaß machen,es sollte ein nehmen und geben sein. und wenn wir uns auf den weg begeben,werden wir feststellen, ups, ich muß viel mehr auch auf mein pferd hören,macht das jemand ?
auf arte die sendung hab ich nun wieder ganz anders gesehn,eine sendung zig meinungen.
wie beim reiten,jeder sieht es wing anders.

gruß gerdnix

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