Mit was ziele ich eigentlich...

Technik und praktische Umsetzung
Niels

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Niels »

Polvarinho hat geschrieben:
Du schaust ihm nach!
Das darfst Du nicht, Niels!
...
Der erste Pfeil leitet die anderen...... sagt Kassai. Und er hat recht damit.
Widerspricht sich das nicht. Wie soll er denn was leiten, wenn ich ihn nach dem Ablass gar nicht mehr wahrnehmen soll?

Und hey, Bogenschießen ohne sich für die Treffer zu interessieren und möglichst ohne Emotionen, das ist ja wie möglichst schnelles Essen zur reinen Erhaltung der Körperfunktionen, Arbeiten ohne die Freude über Geschafftes, wie Sex ohne .... (na lassen wir das lieber  ;) ;D.

Aber mal ehrlich, dann schieß ich lieber etwas schlechter, aber freue mich redlich an den Treffern, die mir dann doch mal gelingen, was natürlich voraussetzt, dass ich sie auch wahrnehme. Weist Du nach dem Schuss wirklich nicht, ob er ein Treffer war, Claus?



Naja Selbstbewusstsein (in eher nicht esoterisch gepägter Auffassung - so gut solltest Du mich doch kennen, Steppi  ;) ;D und gutes Körpergefühl auf Müdigkeit oder Wachsein zu reduzieren, ist schon arg wenig. Bei mir hängt das beim Fußballspielen manchmal sogar  auch vom Wetter ab. Bei richtigen Scheißwetter, weiss ich sofort - das ist genau richtig für die sog. Kampfschweine auf dem Fußballrasen, eben Niels-Wetter. ( ;) das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint) Was meinst Du denn warum im Leistungssport so ein Theater um die optimale körperliche und geistige Verfassung zum Wettkampftermin gemacht wird oder wozu die Trainer motivierend während der Wettkämpfe einzuwirken versuchen? Wenn es so einfach wäre, wie Du meinst, müssten die sich doch vorher nur richtig auspennen und schon wär alles in Butter.
Polvarinho
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Polvarinho »

Niels hat geschrieben: Widerspricht sich das nicht. Wie soll er denn was leiten, wenn ich ihn nach dem Ablass gar nicht mehr wahrnehmen soll?
........
Weist Du nach dem Schuss wirklich nicht, ob er ein Treffer war, Claus?

Ja, klingt paradox!

Niels, Du nimmst ihn wahr.....jedenfalls tut das Dein Unterbewußtsein und sogleich beginnt die unbewusste "Koordinatenberechnung" für den zweiten Schuss!

Du darfst ihm aber nicht bewusst, abwartend und bewertend hinterherschauen, genau das bringt Dich aus der Fasson.

Es geht in dieser Situation nicht um die Einschaltung des Bewußtseins, sondern um die Ausschaltung....

Kassai sagt nicht: Wenn Du den ersten Schuss beobachtest, dann hast Du viel bessere Karten für den zweiten Schuss! Er sagt: "The first arrow leads the other." 

Es ist etwas vom kontrollierenden Bewusstsein Losgelöstes.



Zum Zweiten Satz (und was einen frühen Schuss nach vorne anbelangt):

Nein, ich weiß es wirklich nicht!

Aber in Dauchingen hatte ich beim 5. Galopp folgendes Erlebnis:

Ich habe vom ersten Drittel 3 Pfeile in Richtung 1. Scheibe geschossen.

Als ich das Ziel für den 3. Schuss anschaute, bemerkte ich, das schon 2 meiner Pfeile in der Scheibe steckten (das gelang, weil ich 1. Reiter in meiner Gruppe war und keine anderen Pfeile in der Scheibe steckten).
Das (-Dieser Scheiss-Gedankenblitz -> "Wenn du den rein machst, dann hast Du 3 Treffer auf der ersten Scheibe - das hattest du noch nie!") hat mich SO SEHR verunsichert, das ich diesen 3. Pfeil sehr unsauber
"rausgerotz" habe und dann Probleme hatte überhaupt weiterhin auf die mittlere Scheibe den 4. Schuss zu schiessen. Nach hinten habe ich gar nicht mehr geschossen.....

Verstehst Du, was ich meine?

Das sind Sekunden oder auch nur Bruchteile davon, in denen holt uns die Unruhe unserer Gedanken, in denen holen uns unsere Emotionen ein.

Und dann ist einfach kein gutes Schiessen möglich.....so einfach ist das...!

Und DABEI spielt es keine Rolle ob Du vom Pferd oder vom Boden aus schiesst.


Das selbe Problem:

Ich hatte versucht mein Pferd in ruhigem Gleichmut zu reiten. Er neigte halt immer noch -auch wenn man ihm das nicht direkt ansah- EXTREM zum Durchstarten auf der Bahn (mit 6-7 Sec. Galopps). Ich hatte über eine lange Zeit mit ihm und mit mir geübt.... Es klappte an diesem Tag ganz gut - bis nach dem 7. Galopp. Der Wettkampf war bis dahin gut gelaufen; beim Zurückreiten scherzte ich mit Zuschauern und den anderen aus der Gruppe. Tobi und ich heitzten uns emotional noch etwas auf - ich denke Tobi kann das hier bestätigen ;-). Im Losreiten zum 8. Galopp rief ich Tobi aus Spass zu: "Zur Attacke!". Mein Pferd ist NICHT auf Stimme ausgebildet und es weiß sicher nicht, was Attacke heißt, aber er nahm meine Emotion auf und machte troz meiner gegenteiligen Bemühungen daraus einen 9 sec-Galopp auf den ich vom Rythmus her und schiesstechnisch einfach nicht eingestellt war....ich wollte 13 sec. reiten! Ich habe deutlich weniger geschossen als sonst und mich rührte vor dem 9. Galopp die Vorstellung, das ich mir eventuel mit diesem "Ausbruch" 2 Jahre Arbeit mit diesem Pferd zunichte gemacht haben könnte.
Den 9. Galopp habe ich damit verbracht das Pferd wieder zur Ruhe zu reiten..... Ich habe dabei zwar geschosen, aber so gut wie nix getroffen.
Es kam mir bei diesem letzten Galopp darauf an das Pferd zurück zu halten.

Auch das meine ich, wenn ich sage:

Emotionen haben beim Schiessen oder, besser gesagt, beim ernsthaften Versuch die Scheibe zu treffen nix verloren!!

Was nicht heissen soll das Du auch an andere...ähem...häusliche  Verrichtungen ohne Emotionen heran gehen solltest.... ;) ;) ;),,aber lassen wir das lieber.... ;D ;D ;D 
Claus
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benz

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von benz »

@Claus und Niels

viele Eurer Gedanken kenne ich sehr gut, ein paar Beispiele, natürlich alle von Jagdturnieren am Boden:

ich hatte eine Zeit da war der erste zählende Schuss oft eine 20, also ein Kill beim ersten Schuss, danach war das Turnier meist gelaufen, der Gedanke "wow, das läuft ja gut", führte zur, ich weiß nicht, Verspannung, zu viel Ehrgeiz........? Noch heute denke ich oft nach der ersten Scheibe, puh zum Glück keine 20.

Genauso gab es eine Phase da ging ich zum Einschiessen, lief das gut dachte ich, "hei, du bist heute gut drauf" naja das Ergebnis könnt Ihr Euch denken; lief es schlecht dachte ich "oh, du bist aber scheiße drauf" das Ergebnis war das Gleiche. Mein Konsequenz war, ich bin nicht mehr hingegangen, zum Einschiessen mein ich. Noch schlimmer waren Zweitagesturniere, wenn ich nach dem ersten Tag auf Platz eins lag, hätte ich mir das Schiessen am zweiten Tag sparen können.

In Radebeul, hab ich die ersten Schüsse auf einer Bahn überhaupt im Turnier gemacht. Die ersten beiden Schüsse trafen die mittlere Scheibe, ich hörte die Stimme mit den Punkten aus den Lautsprechern, den Applaus und dachte: "he, das mal neun gibt........" Ihr kennt das Ergebnis, ich hab nicht mehr getroffen dafür wurde Rika immer schneller bis ich die Bahnabsperrung niederriss.........

Claus hat also absolut recht, es ist egal ob die Emotion gut oder schlecht ist, sie wirkt sich negativ aus.

@Steppi

Du könntest auf 70 Meter schießen, wenn der Schuss zufriedenstellend für deine Ansprüche war gehst Du auf 60, wieder zurück auf 70, wenn es ok war, dann auf 80, zurück auf 60, nur wenn der Schuss nicht ok war für Deine Ansprüche schießt du von der selben Distanz, weißt du was ich meine?
Zuletzt geändert von benz am 23.10.2007, 22:59, insgesamt 1-mal geändert.
Rena
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Rena »

Hallo alle zusammen,
Letztlich zielen wir mit dem Gehirn und das tun die "unbewußten"Schützen auf die gleiche Weise wie die "Systemschützen"denn beim gesunden Menschen sind die neurophysiologischen Vorgänge,von denen unser Selbstbild lustigerweise nichts weiß,gleich.
Da unser Gehirn sensibel auf Schlafentzug,Aufregung e.t.c.reagiert gibt es dann gewaltige Fehlerquellen.

Rena.
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Schattenwolf
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Schattenwolf »

erstmal entschuldigt das ich meinen beitrag wieder gelöscht hab....
ich hab das bogenreiten viel zu lang vernachlässigt um da wirklich mitreden zu können....

ich schrieb in etwa:

ich ziele mit dem geist - ich beabsichtige zu treffen - und wenn ich eins mit mir bin geschieht genau das - ich treffe.

befehle  dem geist und der körper wird folgen!

eine gute technik ist ein gutes grundgerüst dies zu verwirklichen.

(ich hab es jetzt in einwenig andere worte gekleidet.)

ich war in letzter zeit wenig eins mit mir, kann mich nur schwer zentrieren, bin unkonzenriert und abgelenkt....und genauso "mies" sehen meine schießergebnisse aus.
klar, die technik stimmt weitesgehend und dementsprechend treff ich auch ungefähr - aber es fehlt der fokus - die kompromisslose absicht - das was ich als beabsichtigen bezeichne.

hunbow schrieb einmal, er spannt eine seelenschnur zwischen sich und das ziel - ich fand diese ausage klasse und treffend ohne sie näher erklären zu können.
aber im grunde ist es genau das - mit der richtigen geistes haltung wird man eins mit dem ziel, und das mit so einer leichtigkeit (auch hier ist die geisteshaltung gemeint), das es einem erst später auffällt und man nicht mehr rekapitulieren kann so recht was eigentlich dazu geführt hat.

ich weis, das klingt jetzt alles arg esoterisch (einer der gründe warum ich meinen beitrag zu erst gelöscht hab)

aber ich denke uns ist allen klar, das neben der technik, der geist - die konzentration eine wesentliche rolle spielt.

und ich kann jetzt auch nur für mich selbst sprechen, aber wenn ich wirklich motiviert bin, wenn ich absolut beabsichtige zu treffen und dabei eins bin mit mir, also in mir ruhe...dann treff ich auch!

das problem für mich ist halt diesen geistezustand aufzubauen, zu rufen, aufrecht zu erhalten....ich hab ne ungefähre ahnung was es ist, wie es sich anfühlt, wie es sein sollte - aber es mutmaßlich, also bewust...nicht unbewust zu erzeugen fällt mir mehr als schwer.

ich kann nur sagen, umso mehr ich in mir ruh, umso näher ich meiner mitte bin, umso leichter fällt es mir.

ich weis, ich bin ein mittelmäßiger schütze, aber mit unter gelingen mir die unglaublichsten schüsse, einfach weil ich sie beabsichtige.
und von diesem gefühl, dieser leichtigkeit des geises hab ich versucht zu berichten.

hilft euch das irgendwie weiter?
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So möge Thor seinen Hammer schwingen Euch allen Vernunft und Weisheit einzubleuen!
Polvarinho
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Polvarinho »

Schattenwolf hat geschrieben: ....hunbow schrieb einmal, er spannt eine seelenschnur zwischen sich und das ziel - ......
Das, Schatti, ist ein perfektes und fantastisches Bild..... !!
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Polvarinho »

Snake-Jo hat geschrieben: Beim entsprechenden Training wird gekniffen, bzw. das wird ganz banal von den meisten garnicht durchgeführt. Es ist viel einfacher, im FC zu diskutieren, als das Pferd zu satteln (läster mal wieder). Damit der Zielvorgang (der mechanische) optimiert wird, muss das Unterbewußtsein "gefüttert" werden und das heitß "üben, üben, üben". Schießen vom Pferd aus allen Lebenslagen.
Jo, ich unterstütze Deine Herangehensweise gerne, denn sie entspricht weitestgehend dem, was auch ich für richtig halte.

Sicher wird auch zu wenig und zu unstruckturiert trainiert!

In einem Punkt muss ich aber widersprechen:

Das "Füttern des Unterbewusstseins", einer der wichtigsten Vorgänge überhaupt, kann nicht auf dem Pferd geübt werden.

Dieses intensiv durchzuführende Training gehört an den Boden !!
Ist hier ein Teil-Ziel erreicht, dann ist es gut wieder aufs (laaangsame!) Pferd zu steigen und das Trainierte hier zu testen. In der Regel treten dabei unter den verschärften Bedingungen (auch ein langsames Pferd verschärft die Bedingungen!) Probleme auf, deren Ursachen jetzt vom Schüler selber oder vom Lehrer erkannt werden müssen.
Mit diesen Erkenntnissen (das frühe Training auf einem langsamen Pferd ist dazu da Erkenntnisse für das weitere Bodentraining zu gewinnen!!) geht man wieder zurück an den Boden und schaltet durch gezielte Massnahmen diese Probleme aus. Die Überprüfung erfolgt dann wieder auf dem Pferd!
Aber eben nur eine Überprüfung, kein wirkliches Training! Das Training vom Pferd kommt später - es muss vorher einiges passen wenn das Training mit Pferd weiterführend sein soll!! Nur so ist m.E. eine permanente und konstruktive Entwicklung des Schülers gewährleistet.

Andere Wege funktionieren anders, enden aber auch früher!
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Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Polvarinho »

benz hat geschrieben: Claus hat also absolut recht, es ist egal ob die Emotion gut oder schlecht ist, sie wirkt sich negativ aus.
Benz, das ist das, was ich immer wieder fühle !!

Und das, Niels, soll nicht heißen, dass man besser völlig ohne Emotionen lebt.

Holla !! Das Gegenteil ist der Fall!!

Aber eine Sekunde vor dem Ritt bis eine Sekunde nach dem letzten Schuss ist es einfach gut sich etwas zurück zu halten....
Claus
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benz

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von benz »

Snake-Jo hat geschrieben:
Wie zielt man?
Das ist auf dem Pferd auch nicht anders als auf dem Boden (vom Ablauf im Gehirn), nur deutlich komplizierter, wegen der Eigenbewegung etc.
das ist falsch! Wir haben hier, wie schon anderswo, zwei unterschiedliche Arten zu "zielen" herausgestellt:

1. ich mache mir Gedanken über die Entfernung, schätze sie und richte mein Handeln, wie auch immer, danach aus.

2. ich schieße ohne mir Gedanken über Entfernung, Nullpunkt, Anhaltspunkt usw zu machen und lasse mein Gehirn die POSITIVEN Erlebnisse speichern um sie wiederholen zu können, OHNE zu wissen wie das geht.

Wir haben, ebenfalls schon an verschiedener Stelle festgestellt, dass Systemschiessen fürs Reiten nicht taugt.

Daraus ergibt sich die Frage, wie verbessere ich meine Trefferlage, wenn ich nicht auf ein System zurückgreifen kann? (ich wollte das auch in 11 Jahren vom Boden nie!)

Meine Meinung dazu ist, NICHT indem ich Gruppen schießen, das dient allenfalls zu Fehlerkorektur des Stiles, sondern indem ich viel auf unterschiedliche Entfernungen schieße und dabei nicht versuche möglichst viele Pfeile zu gruppieren, sondern solange schieße bis der Treffer ok ist und dann SOFORT die Entfernung verändere.

MEINE Erklärung warum dass besser funktioniert ist, beim Gruppenschiessen wechseln Treffer und Nichttreffer ständig und ich bin ständig damit beschäftigt warum das so ist, innerhalb eines Systems kann ich daraus technische Konsequenzen ziehen, ohne System mache ich es meinem Gehirn sehr schwer, nur die positiven Schüsse zu speichern.

benzi
Zuletzt geändert von benz am 24.10.2007, 11:35, insgesamt 1-mal geändert.
Steppenreiter

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Steppenreiter »

In einem arabischen Manuskript, ich glaube bei Taybugha wars - hört sich an wie Tabaluga, das Kinderkrokodil  ::) -  , las ich: "Halte Augen und Herz ruhig!" Es wird sogar vom 2. Kalifen Omar (ra) berichtet, als ein Pfeil in seinem Bein steckte und er herausgezogen werden sollte, er zu seinen Leuten sagte, tut es, wenn ich im Gebet bin, dann erfahre ich keinen Schmerz.
Und genau dieses "im Gebet sein" empfahlen die arabischen Bogenmeister ihren Schülern. Auch bei den Koreanern in ihrer Weitschußdisziplin, imerhin 145m auf eine ein Quadratmeter große Scheibe, herrscht eine ganz strenge Disziplin, eben wie in einem Gebet.
Sicher hilft es im Herz und mit den Augen still zu werden, wenn es gelingt vor dem Schuß diese Ernsthaftigkeit aufleben zu lassen, als stünde man vor dem letzten Richter und bittet um den guten Flug seines Pfeils. Diese Ernsthaftigkeit habe ich bei Frau Neumeyer der Kyudomeisterin aus Rottweil erkannt und war sehr beeindruckt. Als sie schoß schien es mir, als ob sogar die Vögel die Luft anhielten. Ganz wichtig war mir dabei auch ihre Verwandlung durch die Kleidung zu sehen.

Unsere vom Pferdeschiesserei ist dagegen wie heißgelaufener Mumpitz, laut, fahrig, beliebig, manchmal sogar häßlich. Uns fehlt diese Ernsthaftigkeit und die Verwandlung.

Doch wenn man garnicht weiß was am Bewegungsablauf noch falsch sein könnte oder offensichtlich falsch ist, was mache ich dann? Klar habe ich mir etwas zusammengestückelt womit ich mehr oder weniger gut treffe, doch verändere ich nur einen Parameter, schon klappt garnix mehr. Claus was sind schon 3 Sekunden mehr oder 2 m neben der Bahn auf diese riesigen Scheiben? Es genügt so wenig und schon sind wir aus der Fassung! Und auch hier vergleiche ich unser Tun mit dem der Rottweiler Kyudotruppe und aus der Fassung brachte sie wenn überhaupt nur wenig. Noch nicht einmal das Nichttreffen.
Der Ablauf ihrer Technik war so langsam und trotzdem akurat, dass es mich wunderte, wie lange sie eine so hohe Konzentration aufrechterhalten können. Selbst unsere langsamsten 14 Sekundenritte benötigen kaum einen Bruchteil dieser Konzentrationsleistung. Und dabei wissen wir noch nicht einmal worauf es ankommt beim Schuß nach vorne, zur Seite und hinten - sind wir mal ehrlich wir probieren herum. Und der einäugig Blinde ist unter den auf beiden Augen Blinde König.

Benz - ich werde deinen Trainingsgedanken aufnehmen, habe ich richtig verstanden, nach jedem Treffer die Distanz ändern? Gefällt mir.

Jo, mit deinem vernachlässigten Training hast du mal wieder ins Schwarze getroffen! Bei den alten Türken hieß es drei Tage ohne Training könne man erst nach vierzehn  Tagen Training wieder aufholen.
Hier aber die Frage der Fragen: "Gibt es ein Training ohne Trainer überhaupt?" Und dabei meine ich nicht das Zitieren aus Büchern, weder  Modernen noch Alten.  8) 8)

 
benz

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von benz »

Steppi, SUPER dass Du Frau Neumeyer ansprichst, ich habe etwas ganz anderes gesehen, eine wunderschöne ernsthafte Frau....... der erste Treffer saß perfekt, sie hätte aufhören sollen! In ihrem konzentrierten Gesicht sah ich Ehrgeiz und Verbissenheit den Treffer wiederholen zu wollen, es misslang, beide Male.....
Niels

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Niels »

Ich habe heute morgen mal ganz bewusst darauf geachtet. Ich schaue wirklich solange bis der Pfeil einschlägt, was beim ersten Schuss über ca. 50 m schon ziemlich lange dauert.

Irgendwie gehört offenbar das Sehen und Verarbeiten des Pfeilflugs für mich zum Vorgang dazu. Nun muss ich wohl daran arbeiten, den Vorgang mit dem Lösen körperlich und vor allem gedanklich zu beenden, wenn es mir darum geht, diese 1 bis 2 Sekunden zu gewinnen. Das ist aber leichter gesagt, als getan, denn einfach nur sofort den nächsten Pfeil ziehen wollen (ohne den Abschluss wirklich nach dem Lösen realisiert zu haben), führt erst mal zu einem gehuddelten ersten Schuss (ich mache dann nicht in Ruhe fertig bis zum Lösen, sondern denke beim ersten schon an den zweiten,damit ich das Ziehen nicht vergesse). Wie können so einfache Dinge denn bloß so kompliziert sein ... :( :o :D

Die von Steppi beschriebene Alternative zu den Emotionen beim Reiten und Schießen gefällt mir schon auch ganz. Das könnte ich mir gut vorstellen, solange Ernsthaftigkeit und Disziplin kein Selbstzweck ist, sondern Würde, Ruhe und innere Einkehr angestrebt wird. Und da gebe ich Steppi recht. Eine solche Atmosphäre kann nur durch angemessene Vorbereitung des eigenen Wettkampfs geschaffen werden.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass eine Kombination aus Wildheit, einem gewissen Maß an Agressivität verbunden mit einem ordentlichen Adrenalinstoss auch ganz gut funktionieren.

Ob man nun eher in Meditation oder mit der beschrieben Wildheit unterwegs ist, dürfte nach meiner Ansicht keine so große Rolle spielen, solange damit es jeweils gelingt, dass Denken zu reduzieren und die Intuition zu wecken, die wir brauchen, wenn wir intuitiv schießen wollen.

Man spricht zum Beispiel beim Fußball nicht umsonst davon, dass sich eine Mannschaft in einen "Rausch" gespielt hat, wenn es so richtig gut läuft und alles gelingt. Und bekanntermaßen gibt es zum Rausch deutlich mehr als nur einen Weg, wobei ich allerdings ein paar Sachen ausdrücklich als völlig untauglich ausschließe (nicht, dass demnächst einige zum Wettkampf getorkelt kommen, um dass Denken zu reduzieren)  ;) ;D ;D
benz

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von benz »

Niels, dafür gibt es ein tolles indianisches Spiel, hat allerdings den Nachteil dass es allein nicht zu spielen ist:

Einen Pfeil in die Luft schiessen und versuchen möglichst viele Pfeile zu schiessen bevor der erste auf dem Boden angekommen ist, es braucht halt jemand der sagt wann der erste Pfeil aufschlägt, denn selber sollst du das ja nicht im Auge behalten.

Wäre übrigns ein tolles Spiel beim nächsten WK in Storkow!?
Steppenreiter

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von Steppenreiter »

Benz, vor der Kyudovorführung witzelte jemand: " Ach Kyudo, die können alles, ausser treffen!" Mir kam nicht so vor als ob Treffen wirklich von Bedeutung gewesen wäre.
Es war diese Fähigkeiten dieser Drei eine fahrige, laute und zum Teil erwartungsvolle, andrerseits schon missmutige Atmosphäre komplett zu verändern. Und das allein durch in langsamen Bewegungen vorgeführte Ernsthaftigeit. Ich war begeistert!

Das hinter den Pfeilen hinterherschauen kenne ich Niels. Auch deshalb bin ich auf die 70m gegangen, Ziel ist es den zweiten Pfeil zu schiessen, wenn der ereste noch in der Luft ist. Ideal wäre dann eine ununterbrochene Kette von 6 Pfeilen, die nacheinander einschlagen!  8)

Doch davor hat der Schöpfer die Mühen gestellt und das ist die Beschäftigung mit der Körpergeometrie in erster Linie und dem Abbrechen des Gedankenflusses als Zweites. Diese Entfernung stellt mich aber vor bisher ungeahnte Aufgaben, den minimale Bewegungen aus der Mitte bedeuten Nichttreffen! Wie auf dem Pferd!

Also zurück zur Eingangsfrage, wie bringe ich das meinem Körper bei, worauf muß ich achten, nur ballern wie Klaus es vorschlägt, klappt nicht, habe ich schon ausprobiert!   
benz

Re: Mit was Ziele ich eigentlich...

Beitrag von benz »

Jo, ich gebs auf...............  :'(
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